„Die Große Koalition ist eine Sackgasse für die SPD“

Nachgefragt bei Sozialdemokraten im Kreis Olpe


  • Kreis Olpe, 16.01.2018
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Kreis Olpe/Berlin. Neuauflage der Großen Koalition – ja oder nein? Nach dem Abschluss der Sondierungsgespräche zur Regierungsbildung präsentiert sich die SPD in dieser Frage bundesweit zerrissen. Bei den Sozialdemokraten im Kreis Olpe scheint sich die Fortsetzung einer schwarz-roten Koalition unter Bundeskanzlerin Angela Merkel keiner allzu großen Beliebtheit zu erfreuen. Stattdessen gibt es mehrere Fürsprecher für eine Minderheitsregierung – und für eine Erneuerung der Parteiausrichtung.


Robert Kirchner-Quehl (Kreisvorsitzender und SPD-Kreistagsmitglied): Die Große Koalition ist eine Sackgasse für die SPD – auch deswegen, weil sie sich erneuern muss. Die Partei ist mit Gerhard Schröder damals einen Weg gegangen, der jetzt zu diesen Ergebnissen geführt hat. Dass heute 40 Prozent der Arbeitnehmer unter dem Lohnniveau von 1996 liegen in einem Deutschland, dem es gut geht und in dem die Geldquellen sprudeln, finde ich widersprüchlich. Eine SPD müsste energisch an diesen Dingen drehen und neu diskutieren.

Ich bin der Ansicht, dass die CDU die Große Koalition weiterführen will, weil sie sehr gute Erfahrungen mit einer handzahmen SPD gemacht hat und keine Schwierigkeiten hatte, ihre Politik durchzusetzen. Prinzipiell halte ich eine Minderheitsregierung für eine interessante Variante, weil dann wechselnde Mehrheiten gesucht werden müssten und wesentlich inhaltlicher diskutiert werden müsste als in der Vergangenheit. Bei einer GroKo wüsste ich nicht, woher das Potential für wirkliche Erneuerungen kommen sollte.
„Mit Minderheitsregierung Demokratie mehr bewegen“
Wolfgang Langenohl (stellvertretender Kreisvorsitzender und Attendorner Stadtrat): Ich bin zwiegespalten, aber ein Befürworter der Minderheitsregierung. Derzeit spricht nichts für eine Große Koalition. Wenn man die Stimmen im Hintergrund aus Bayern hört – ich spreche jetzt unter anderem von Alexander Dobrindt (der CSU-Landesgruppenchef, er von einem „Zwergenaufstand“ in der SPD gesprochen hatte, Anm. d. Red.) – , ist da nichts, womit man ein Vertrauensverhältnis aufbauen kann. Und wenn man sieht, dass in der SPD eine große Bewegung gegen die Große Koalition ist, frage ich mich auch, wie man damit reagieren soll. Mit dem Modell einer Minderheitsregierung könnte man die Demokratie wieder bewegen.

Jutta Hecken-Defeld (stellvertretende Kreisvorsitzende und Vorsitzende des SPD-Ortsvereins Wenden): Ich finde, da ist noch viel Verhandlungsbedarf. Grundsätzlich ist mir das aus SPD-Sicht aber so zu wenig. An den Spitzensteuersatz ist noch keiner drangegangen, was mit der CDU wohl auch nicht zu machen ist. Auch die sachgrundlose Befristung findet sich in dem Sondierungspapier nicht wieder. Grundsätzlich ist viel Kleinteiliges ausgehandelt worden, aus meiner Sicht aber ist das noch nicht der große Wurf, in dem wir uns als Sozialdemokraten wiederfinden. Ich wäre für eine Minderheitsregierung, was aber unter Frau Merkel wohl nicht zu machen sein wird.
„SPD hat unter GroKo erheblich gelitten“
Christin-Marie Stamm (Kreisvorsitzende der Jusos, Beisitzerin im Kreisvorstand und Kreistagsmitglied): Ich bin absolut gegen eine Große Koalition. Wir haben jetzt vier Jahre GroKo hinter uns, unter der die SPD erheblich gelitten hat. Ich bin dafür, dass die Sondierungsgespräche genug waren, denn in dem aktuellen Papier sind zu wenige der Punkte, die wir gefordert haben, umgesetzt worden. Zum Beispiel ist die Bürgerversicherung, der Schutz gegen eine Zweiklassen-Gesellschaft in der Medizin, ebenso wenig berücksichtigt worden wie der Spitzensteuersatz.

Wir wollen uns erneuern, und das ist unter einer Großen Koalition nicht möglich. Außerdem bin ich der Meinung, dass wir mit einer GroKo weiter unser Profil verlieren und zudem die AfD stärken würden, die dann die stärkste Oppositionspartei im Bundestag wäre. Und wir dürfen nicht vergessen: Der Wähler hat uns nicht wieder den Auftrag gegeben, so weiter zu regieren.
Warnung vor Stärkung der AfD
Heinz Vollmer (Fraktionsvorsitzender der SPD Lennestadt): Zunächst war ich unmittelbar nach der Bundestagswahl gegen eine Große Koalition. Dann änderten sich die Dinge, nachdem „Jamaika“ geplatzt war und es keine andere Option als Neuwahl oder eine GroKo gab. Grundsätzlich halte ich Gespräche für sinnvoll, wie sie ja jetzt auch bei der Sondierung stattgefunden haben. Ich denke, dass das (eine Koalition von CDU/CSU und SPD, Anm. d. Red.) erfolgreich sein kann, aber nachgebessert werden muss. Verschiedene Sachen müssen vonseiten der SPD noch in den Koalitionsvertrag eingebracht werden, da ist zum Beispiel die Bürgerversicherung ein größerer Punkt, der eine Rolle spielen müsste.

Was man außerdem bedenken sollte: Wenn man nicht sondiert und nicht koaliert, provoziert man Neuwahlen. Und ich bin der festen Überzeugung, dass eine Partei, die wir nicht wollen, dann mehr Stimmen kriegen würde als im Oktober.
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