Demografie-Arbeitskreis diskutiert „Wohn(T)räume fürs Alter

Wissenschaftlerin kritisiert „Wachstums-Paradigma“ trotz des Schrumpfungsprozesses


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In sechs Workshops ging es um die Frage, wie Menschen im Alter leben wollen. von Rüdiger Kahlke
In sechs Workshops ging es um die Frage, wie Menschen im Alter leben wollen. © Rüdiger Kahlke

Kreis Olpe/Märkischer Kreis. Die Fakten liegen auf dem Tisch. Die Probleme sind bekannt - eigentlich. Mit Lösungen tun sich Politik und Verwaltungen, Verbände und Bürgerschaft schwer. Auf den demografischen Wandel und seine Folgen weist der Arbeitskreis „Demografie - Lebenslanges Lernen“ schon länger hin. Vertreter aus Politik, Verwaltungen und Verbänden aus den Kreisen Olpe und Märkischer Kreis beschäftigten am Mittwoch, 28. Februar, im Haus Nordhelle (Meinerzhagen) mit „Wohn(t)räumen“. In sechs Workshops ging es um die Frage, wie wir im Alter leben wollen.


Lösungen sollten diskutiert und gemeinsam erarbeitet werden. Sohal Achmed von der Friedrich-Ebert-Stiftung, die die Workshops seit sieben Jahren organisiert, gab das Ziel vor: Lösungen gemeinsam diskutieren und erarbeiten. Bei der Vorbereitung hätten die Beteiligten vor Ideen gesprüht, so Petra Crone, die als Bundestagsabgeordnete den Arbeitskreis vor acht Jahren initiiert hatte. Doktor Elke Bojarra-Becker vom Deutschen Institut für Urbanistik, umriss eingangs die Problemlage.
Einwohner-Schwund geht weiter
Obwohl die Einwohnerzahlen landesweit zurückgehen, trotz des Flüchtlings-Zustroms, kritisierte sie, dass „immer noch am Wachstums-Paradigma“ festgehalten werde. Mit Verweis auf eine Studie, in die fünf Kommunen, darunter Gummersbach, eingebunden waren, zeigte sie auf, welchen Problemen sich Klein- und Mittelstädte durch den demografischen Wandel, der eigentlich ein Schrumpfungsprozess sei, stellen müssen. Denn: 70 Prozent der Menschen leben in Klein-und Mittelstädten. Gerade die sind von zunehmender Überalterung betroffen. Großes Thema: altersgerechter Wohnraum.

Kleinen Kommunen falle es aber auch schwerer, eine lebenswerte Infrastruktur vorzuhalten. „Konzepte werden erarbeitet aber nicht gelebt“, bilanzierte die Wissenschaftlerin. Obwohl Handlungsdruck erkannt werde, werde er nicht als hoch eingestuft. Problembewusstsein komme in der Regel aus dem sozialen Bereich, nicht aus dem planerischen Ressorts.
„Nicht abwarten, starten“
Sie riet den Tagungsteilnehmern sich einzubringen: „Nicht abwarten, starten“, so ihr Credo. Man dürfe sich nicht auf Politik verlassen, die altersgerechte Umwelt nicht als chancenreiches Wahlkampfthema sehe. Kommunen oder Initiatoren sollten sich Partner suchen, auf vorhandene Modelle oder Konzepte zurückgreifen. Es müsse nicht alles neu erfunden oder erarbeitet werden. Kommunen sollten sich auf „innovative Förderansätze einlassen“.
 von Rüdiger Kahlke
© Rüdiger Kahlke
Alte Menschen schätzen die vertraute Umgebung, deswegen müsse auch „nicht alles DIN-gerecht“ neu gebaut werden. Die Referentin plädierte dafür, „früh Wohnraum für junge Alte zu schaffen“. Wer früh in angenehmer Umgebung lebe, brauche mit 80 nicht mehr umzuziehen. Bund und Land müssten mehr Förderprogramme gerade für Klein- und Mittelstädte auflegen. Ja, auch „Druck für mehr Kooperationen von oben“ sei nötig.
Erfahrungsaustausch und Tipps in Workshops
Wie weit Vorstellungen von gutem, barrierefreiem Wohnen auseinanderdriften können, machte ein Besucher deutlich. Während Rollstuhlfahrer große Wohnungen mit breiten Türen wünschten, sei für Blinde wie ihn eine kleine Wohnung sinnvoll, die leicht Orientierung biete. Und wo eine ebenerdige Dusche und breite Türen das Leben erleichtern, hängen für Rollstuhlfahrer möglicherweise die Fenstergriffe zu hoch, um lüften zu können.

Praktische Tipps, Anregungen und Erfahrungsaustausch boten die sechs Workshops. Dabei ging es darum, wie das Leben durch technische Assistenzsysteme vereinfacht werden kann, wie Bedürfnisse bestimmter Gruppen schon bei der Planung berücksichtigt werden können oder darum, wie Quartiersmanagement und Nachbarschaftshilfe organsiert werden können. – Für Doktor Elke Bojarra-Becker Ansätze, die sie ermutigend fand. Sie stellte dem Arbeitskreis ein gutes Zeugnis aus, der nicht abwarte, sondern agiere.
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