Glasfaser für alle und statt Homeoffice gibt es Co-Working-Spaces
Sondersitzung des Drolshagener Rates: Neue Technik, neues Wohnen
- Drolshagen, 11.03.2021
- Politik
- Von Rüdiger Kahlke
Drolshagen. Mit „Drolshagen kann Zukunft“ hatte Ulrich Berghof in seiner Haushaltsrede im Januar einen Akzent auf die Digitalisierung gelegt. Den Ankündigungen folgte jetzt ein Angebot. In der Sondersitzung der Stadtverordnetenversammlung am Mittwoch, 10. März, skizzierte Ingo Teimann, Regionalmanager der Deutschen Glasfaser GmbH, wie sich das Unternehmen den Netzausbau in Drolshagen vorstellt.
Das Unternehmen, in den Niederlanden gegründet, bietet den Aufbau eines schnellen Glasfasernetzes bis zu den Übergabepunkten in den Häusern an. Hauseigentümer, die sich gleich entscheiden, werden nicht an den Baukosten beteiligt, müssen aber für den Anschluss ans Netz eine monatliche Gebühr zahlen.
Die richtet sich nach der gebuchten Geschwindigkeit des Anschlusses und bewegt sich zwischen rund 25 Euro und 99 Euro. Dafür müssen in den jeweiligen Ortsteilen, Teimann spricht von Polygonen, jeweils 40 Prozent der potentiell anzuschließenden Wohneinheiten einem Anschluss zustimmen. Zudem ist ein Kooperationsvertrag mit der Kommune nötig, um die „Technik der Zukunft“ ins Haus zu bekommen.
Für die, die sich noch nicht entschließen können, ist auch ein späterer Anschluss möglich - bei zusätzlichen Kosten. Derzeit, so Teimann, schließe das 2011 gegründete Unternehmen monatlich rund 30.000 Wohneinheiten ans Glasfasernetz an.
Nach Ostern will der Anbieter die Abfrage bei den Haushalten starten und das Interesse ermitteln. Als Ausbauzeit rechne er mit etwa neun Monaten, so Ingo Teimann, der sich jedoch nicht auf einen Startzeitpunkt festlegen wollte. Mit dem Netz biete die Deutsche Glasfaser eine „aktive Dableibensvorsorge“ mit einem offenen Netz zu marktgerechten Preisen.
Zunächst ist ein Ausbau in den größeren Ortsteilen vorgesehen. Insgesamt könnten dabei 3.000 Haushalte angeschlossen werden. Bürgermeister Berghof verwies darauf, dass damit zwei Drittel der Drolshagener Zugang zum schnellen Internet bekämen. Es sei ein „großartiges Angebot“, die Stadt mit Glasfaser auszubauen. Er freue sich auf die Kooperation.
Um die Zukunft, nämlich wie Leben und Arbeiten kombiniert und die ländliche Region attraktiv gestaltet werden könnte, ging es auch in einem Referat von Prof. Dr. Andreas Knie. Der Mitarbeiter des Wissenschaftszentrums Berlin, der bereits den autonom fahrendem Bus SAM nach Drolshagen gebracht hatte, stellte das Konzept einer neuen Siedlung in Berlin-Pankow vor. Trotz des Stadt-Land-Gefälles, so der Mobilitäts-Experte, tickten die Menschen ähnlich. Er plädierte für neue Formen des Wohnens.
Es werde noch so gebaut wie vor 40 Jahren mit dem Idealbild einer vierköpfigen Kleinfamilie mit eigenem Pkw. Prof. Knie zeigte anhand einiger Beispiele auf, wie sich Gesellschaft verändert hat.
- Jede zweite Ehe werde geschieden,
- ein Drittel der Kinder wächst bei Alleinerziehenden auf,
- Single-Haushalte sind auf dem Vormarsch und
- 25 Prozent der Menschen sind älter als 60 Jahre.
Knies Konzept: Siedlungen bauen, die über den gesamten Lebenszyklus eines Menschen auch in veränderten sozialen Beziehungen bei sich wandelnden Bedürfnissen genutzt werden können. „Tiny-Häuser sind ein ganz großes Thema“, weiß der Wissenschaftler.
Im Verbund mit größeren Wohneinheiten könnten weitgehend autonome Dörfer entstehen – auch in Kleinstädten wie Drolshagen. Statt eines eigenen Autos werde das jeweils sinnvollste Verkehrsmittel genutzt: Verbrenner für längere Strecken, E-Autos oder E-Bikes für kurze Wege.
Die Fahrzeuge seien zugleich Speicher für Energie aus Wind- oder PV-Anlagen. Gearbeitet werde nicht im Homeoffice, sondern gemeinsam mit anderen im dorfeigenen Co-Working-Space mit angeschlossener Kita oder Mensa, die abends als attraktives Restaurant genutzt werden könne.
„Technisch ist alles da, es muss nur einen geben, der das organisiert“, so Knie. So würden aus kleinen Städten wie Drolshagen Orte mit hoher Lebensqualität, attraktiv auch für Städter aus nahen Ballungsgebieten. Lebendige Dörfer statt Schlafstädten auf dem Land, so die Vision.