Bewegende Zeremonie auf dem Jüdischen Friedhof in Attendorn

Gedenkstele enthüllt


  • Attendorn, 07.11.2018
  • Von Barbara Sander-Graetz
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Attendorn. Auf dem Jüdischen Friedhof in Attendorn („Am Himmelsberg“) ist am Mittwoch, 7. Oktober, die Gedenkstele enthüllt worden. Der Pfeiler soll an die unbestatteten jüdischen Attendorner Bürger erinnern, die während der Nazi-Zeit deportiert und ermordet wurden oder als verschollen gelten. Neben zahlreichen Attendorner Bürgern nahmen auch rund 50 Nachkommen der Familie Ursell, die aus vielen Teilen der Welt angereist waren, an der Zeremonie teil.


Aus Kalifornien, Kanada, Chile, Israel, England und Costa Rica waren sie in die Hansestadt gekommen. Jetzt heißen sie mit Nachnamen Roger, Krauskopf, Selker oder Ursell und sind in der ganzen Welt verteilt. Doch ihre Wurzeln liegen in Attendorn. Hier waren ihre Großeltern, ihr Ur- oder Ururgroßeltern zu Hause. Die waren Attendorner, Sauerländer, Deutsche. Kämpften im Ersten Weltkrieg für ihr Vaterland und wurden Jahre später über Nacht zu Verfolgten.

So wie andere Juden damals ins Attendorn. Manchen gelang die Flucht ins Ausland. Doch die Recherchen ergaben, dass kein in Deutschland verbliebenes Mitglied der ehemaligen jüdischen Gemeinde Attendorns den Holocaust überlebt hat. Vor ihrem Tod fristeten manche noch ein unmenschliches Dasein in den Ghettos und Lagern. Für 17 von ihnen gab es bis Mittwoch keine Stätte der Erinnerung, keinen Platz mit ihrem Namen.
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Bewegende Zeremonie auf dem Jüdischen Friedhof in Attendorn
Jetzt, kurz vor dem 80. Jahrestag der Reichspogromnacht am 9. November, haben sie sich ausgerechnet an diesem Ort wiedergefunden. Ein Familientreffen, das Hartmut Hosenfeld möglich gemacht hat. Manche von ihnen sind weit über 70 Jahre alt. Das jüngste Familienmitglied wird während der Enthüllung der Stele noch im Kinderwagen gefahren.

Das Baby wird die Geschichte sicher irgendwann erzählt bekommen. So wie die anderen Familienmitglieder in den Jahren zuvor. Doch dieses Mal mit einem Attendorn, das zu seiner Geschichte steht, das sich erinnert.
Die Grauen der NS-Zeit als ständige Mahnung
Das bringt auch Daniel Roger, Nachkomme von Johanna Ursel, zum Ausdruck. Er erinnert daran, dass das, was während des Nazi-Regimes in Deutschland und der Welt geschah, die zahllosen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die Terror- und Schreckensherrschaft, Gewalt und Krieg, nie wieder passieren dürfe.

Darin sind sich alle bei der Enthüllung der Gedenkstele Anwesenden einig. Attendorns Bürgermeister Pospischil, der Landtagsbageordnete Jochen Ritter (CDU), Landrat Frank Beckehoff und Alexander Sperling vom Landesverband der Jüdischen Gemeinden in Westfalen-Lippe werden zurecht nicht müde, das zu betonen.
„Wir werden euch nicht vergessen“
Doch als der Enkel Daniel Roger das Wort ergreift und in fließendem Deutsch erklärt, man werde die Großeltern und Eltern nie vergessen, da ist es besonders still auf dem Friedhof. Jeder ist ergriffen. „Wir werden euch nicht vergessen“, verspricht der 70-Jährige, „wir geben eure Werte weiter an unsere Kinder, an die Enkelkinder und auch an deren Familien. Aus eurer Asche sind Generationen unserer Familie gewachsen und das Andenken wird immer in uns bleiben. Wir werden immer wissen, wer unsere Vorfahren waren. Wir sind in der ganzen Welt verstreut, doch das heute ist eine symbolische Rückkehr.“

Ermöglicht wurde dies durch die unermüdlichen und jahrelangen Recherchen von Hartmut Hosenfeld. „Er kennt unsere Familiengeschichte mittlerweile besser als wir“, meint daher auch Eric Selker. Phil Ursell aus Kalifornien nannte Hosenfeld einen „Bruder“ und einen „Hero“, einen Helden. Als Zeichen des Danks überreicht er ihm vier silberne Kerzenständer.
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Bewegende Zeremonie auf dem Jüdischen Friedhof in Attendorn
Hosenfeld selbst erklärte, „große Dankbarkeit, aber auch Stolz“ zu empfinden. Dass die Gedenkstele nun ihren Platz in Attendorn gefunden habe, sei ein wichtiges Mahnmal in der Geschichte Attendorns und gleichzeitig ein anerkennender Beleg und eine Wertschätzung seiner Arbeit.

Dann erfolgt zusammen mit Familienangehörigen die Enthüllung der Stele. Inspiriert von einer in Soest aufgestellten Gedenkstele reichte Hartmut Hosenfeld im April 2016 bei der Hansestadt Attendorn ein Konzept zur Errichtung einer Gedenkstele auf dem Jüdischen Friedhof ein. Das wurde bewilligt. Gefertigt wurde die Stele von dem Attendorner Steinmetz Joachim Esslinger.

Neben den 17 Namen sind ein Davidstern und ein Ausschnitt dieses Sterns gefertigt. Durch diesen Ausschnitt fällt an diesem Tag das Sonnenlicht und wirft einen Sonnenstrahl auf  die Gräber. Voller Emotionen lesen die Familienangehörigen die Namen ihrer Vorfahren, berühren den Stein, machen Fotos. Ein paar Tränen werden weggewischt. „Es gibt keinen besseren Weg, als sich hier zur Erinnerung zu treffen“, meint Frank Selker,
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