Viel Zuspruch für Facebook-Beitrag von Pfarrer Wollweber zur Corona-Krise

„Vielleicht denken wir auch anders über unser Leben“


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Pfarrer Ludger Wollweber aus Lennestadt hat seine Gedanken und Eindrücke bei Facebook gepostet.
Pfarrer Ludger Wollweber aus Lennestadt hat seine Gedanken und Eindrücke bei Facebook gepostet.

Lennestadt. Pfarrer Ludger Wollweber aus Lennestadt hat mit einem Beitrag auf Facebook viele Menschen erreicht und mit seinen Gedanken zur Corona-Krise offenbar den Nerv vieler Zeitgenossen erreicht. Mit den Worten „Ich schreib nur selten persönliche Beiträge an dieser Stelle, aber das muss ich gerade loswerden“ beginnt Wollweber sein Posting vom Montagabend, 16. März. Bis Mittwochvormittag, 18. März, wurde sein Beitrag bereits 254-mal geteilt und erhielt knapp 550 Likes. Nachfolgend Wollwebers Gedanken im Wortlaut:


Was für ein toller Tag, Sonne pur. endlich Frühling. Ein kurzer Spaziergang in den Höhen des Sauerlandes. Für einen Moment lässt er vergessen, was gerade geschieht. Nichts ist mehr wie es war, nichts ist mehr „normal“. Ich habe Mühe zu realisieren, was gerade geschieht. Kann mir gar nicht vorstellen, was noch kommen mag. Alles wirkt so unwirklich, so irreal.
Als Pastor geht es mir noch gut
Als Pastor geht es mir dabei noch gut: Ich habe keine Sorgen um meine Existenz, um meinen Beruf. Ich habe keine Kinder, die ich tagein, tagaus betreuen muss, ich muss keinen Beruf aufgeben, um zu Hause zu sein. Ich bin auch nicht in der Pflege oder anderen Bereichen tätig, wo jetzt alle bis an die Grenzen der Erschöpfung sich einsetzen müssen.

Ich musste durch den Wegfall aller öffentlichen Gottesdienste und Versammlungen nur einen Termin nach dem anderen aus meinem Kalender streichen, da habe plötzlich viele (fast ) leere Blätter vor mir. Was ich mir manchmal gewünscht hätte, traf plötzlich ein. Aber es ist nicht schön. Die entsetzten  Kommunionkinder, die sich auf ihr Fest so gefreut hatten.
„Das kann doch nicht sein!“
Die Enttäuschung der Firmbewerber, mit denen wir noch viele schöne Unternehmungen geplant hatten. Die Trauer mancher Gottesdienstbesucher, als ich am Sonntag sagen musste: „Ich weiß nicht, wann wir uns hier wiedersehen“ – und die Reaktion: „Das kann doch nicht sein!“ Das ungläubige Fragen der Ministranten, als ich ihnen sagte: Ihr habt jetzt frei, bis auf weiteres.

Die Pfarrheime, die sonst Orte der Begegnung sind, plötzlich leer. Die Heizung abgestellt. Ok. Zum Blumengießen kommt noch jemand. Das Entsetzen der Brautleute, als ich ihnen sagen musste: Das mit der Hochzeit wird nichts. Die ständigen Überlegungen: Was machen wir jetzt? Und am nächsten Tag werden wir von ganz anderen Wirklichkeiten eingeholt und müssen wieder neu planen. Und die Angst vieler: Was kommt noch?
Ermutigende Ereignisse
So ganz begriffen habe ich noch nicht, was da gerade passiert, und weiß doch, ich gehöre immer noch zu den Privilegierten: Ich bin nicht infiziert, bin nicht in Quarantäne, bin nicht allein in meiner kleinen Wohnung. Vielleicht gelingt es dieses Jahr, der Garten, endlich unkrautfrei… und.. und.. und…

Zwischendrin ermutigende Ereignisse: Mitglieder des Meggener Schützenvereins planen eine Aktion, ein Netzwerk, um helfen zu können, die Caritaskonferenz steht bereit. Halberbracht überlegt mit allen Vereinen: Was können wir tun, damit sich niemand fallen gelassen fühlt.
Möchte keinen Urlaub haben
Die Videobotschaft unseres Bischofs. Grundtenor: „Unsere Sendung als Kirche anders, aber nicht weniger intensiv leben“. Das trifft's.  Und der Personalchef sagt: „Jetzt geht’s darum, kreativ mit der Situation umzugehen. Keiner hat Erfahrung mit dem, was gerade geschieht.“

Nein, ich habe keinen Urlaub „bis auf weiteres“. Ich möchte ihn auch gar nicht haben. Nicht jetzt. Entschleunigung ok, vielleicht hilft sie, klarer zu denken. Ich möchte präsent sein. Da, wo ich gebraucht werde. Gott sei Dank gibt es soziale Netzwerke, Handy & Co.

Dank leerer werdender Terminkalender habe ich mehr Zeit für Gespräche, zum telefonieren und möchte Mut machen, den Hörer in die Hand zu nehmen, wenn die Decke auf den Kopf fällt, wenn Not ist. Ich freue mich über alle Initiativen in unserem Bereich, um einander zu helfen, und möchte sie nach Kräften unterstützen.
Brücke zu Gott
Und ich möchte einladen zum Gebet - das ist die Brücke, die die Verbindung untereinander hält. Es ist die Brücke zu Gott, der uns verspricht, uns nie zu verlassen. Die Ressource, aus der wir Kraft schöpfen können, auch in turbulenten Zeiten.

Und wenn wir irgendwann in den Alltag zurückkehren, freue ich mich umso mehr auf das, was uns bisher immer so normal erschien. Und vielleicht denken wir auch anders über unser Leben. Das ist die Chance, vielleicht.
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