125 Jahre Musikfreunde Schreibershof: Pontifikalamt und Festkommers

Flurprozession gehörte zu vornehmsten Aufgaben / Verein auch Sprungbrett für Musiker-Karrieren


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Die Musikfreunde Schreibershof feiern am letzten Wochenende im April ihr 125-jähriges Jubiläum. von Muskfreunde Schreibershof
Die Musikfreunde Schreibershof feiern am letzten Wochenende im April ihr 125-jähriges Jubiläum. © Muskfreunde Schreibershof

Schreibershof. Wer auf dem Dorf keinen Draht zum Fußball hat, hat nichts. Thomas Bieker hatte keinen Draht zum Fußball. Sein fußballbegeisterter Vater schickte ihn zum Musikverein. Motto: „Versuch das mal.“ Bieker war begeistert. Seine Heimat wurden die Musikfreunde Schreibershof. Das war vor 35 Jahren. Der Schlagzeuger ist immer noch dabei. „Das ist bei vielen so“, weiß er. Und für die letzte April-Woche hat er extra Urlaub genommen. „Sonst ging es gar nicht“, sagt Thomas Bieker mit Blick auf die vielen Kleinigkeiten, die für das große Fest noch zu regeln sind.


Am letzten April-Wochenende feiern die Musikfreunde, deren Name für viele Programm ist, ihr 125-jähriges Bestehen. Zum Pontifikalamt am Samstag, 29. April, um 17 Uhr hat sich der Weihbischof angesagt, ein Bewunderer der Schreibershofer Musiker. Den Kommersabend mit vielen Gästen soll die WDR-Moderatorin Anne Willmes durch Interviews auflockern.
Beispielhafte Nachwuchsarbeit
Großes Programm, große Bühne auch für den Verein. Auch der will sich präsentieren, für sich werben. Obwohl: Nachwuchssorgen haben die Musikfreunde nicht wirklich. „Der demografische Wandel macht sich bemerkbar“, sagt Thomas Bieker, der als Sprecher des Vereins fungiert. Gelegentlich gebe es Probleme in einzelnen Registern. Hornbläser und Schlagzeuger sind aktuell noch gefragt. Aber dank eigener Nachwuchsarbeit können sich die Schreibershofer noch eindrucksvoll präsentieren: 62 Männer und Frauen spielen im Stammorchester. Weitere 28 junge Leute sind in der Ausbildung oder schon im Nachwuchs-Orchester aktiv.
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Die Leiter der Instrumentengruppen gehen in die Grundschule, versuchen früh, Kinder für Musik zu begeistern. Bei Interesse werden Gespräche mit den Eltern geführt. Eigene Lehrer des Vereins bilden die Kinder und Jugendlichen aus. Inzwischen machen das fast alle, weiß Bieker.

Vor 25 Jahren  waren die Jungen Musikfreunde jedoch das erste Jugendorchester seiner Art im Bereich der sinfonischen Blasmusik, die im Kreis Olpe ihren Schwerpunkt hat. Ausdrückliches Lob dafür zollt Bürgermeister Ulrich Berghof dem Verein in der Festschrift: „Musizieren in der Gruppe vermittelt Toleranz und fördert das Sozialverhalten“, schrieb Berghof, der die Nachwuchsarbeit beispielhaft findet.
Verein als Integrationsfaktor
Sie fördert auch das Gemeinschaftgefühl, bietet Erfolgserlebnisse, steigert das Selbstwertgefühl. Das sieht auch Thomas Bieker als Motivation für junge Leute, noch ein Instrument zu erlernen und mit den Musikfreunden im Rampenlicht zu stehen.

Das dörfliche Umfeld bietet weniger Freizeitmöglichkeiten, auch weniger Ablenkung als die Stadt. „Das macht die Vereine groß“, sieht Bieker den Musikverein auch als Sozialisationsfaktor. Einen durchaus erfolgreichen dazu. Und aus dem Verein, der in der Gründerzeit von 1892 bis weit ins 20. Jahrhundert eine Männerdomäne war, ist ein gemischter Verein geworden. Etwa ein Drittel der Aktiven sind inzwischen Musikerinnen.
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Musizieren bei den Schreibershofern kann der Anfang einer Karriere sein. Dirigent Rainer Wolnicak hat sein Metier bei den Musikfreunden Schreibershof gelernt, dann bei der Bundeswehr gespielt, als Dozent an der Musikhochschule Düsseldorf unterrichtet und beim Stabsmusik-Korps der Bundeswehr mitgewirkt. Die Zwillinge Kirsten und Marc Siewert haben ihre musikalische Karriere ebenfalls bei den Musikfreunden gestartet und sind Berufsmusiker im Musikkorps der Bundeswehr.
Krieg verhinderte erste Jubiläumsfeier
Die Wurzeln des Vereins reichen 125 Jahre zurück. 1892 gründete Wilhelm Bieker mit einigen musikbegeisterten Männern den Musikverein Schreibershof. Die Gründung stand in direktem Zusammenhang mit dem „Sendschotter Umgang“. Die Begleitung der Flurprozession gehörte zu den vornehmsten Aufgaben in den Gründungsjahren, eine Tradition, der die Musikfreunde Schreibershof bis heute verbunden sind.

Wurde die Geschichte anfangs nur mündlich überliefert, fanden sich später Hinweise auf schriftliche Belege. 1987 fand sich im Olper Archiv durch Zufall eine Ausgabe des Sauerländischen Volksblattes vom 18. Februar 1927, mit dem Hinweis, dass der Schreibershofer Musikverein einer der ältesten im Kreis Olpe sei und „in diesem Jahr auf sein 35jähriges Bestehen“ zurück blickt. Das Jubiläum sollte im Juni gefeiert werden, „da das 25jährige Bestehen des Krieges wegen nicht gefeiert werden konnte.“
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Jetzt, 100 Jahre später, ist das anders. Jetzt wird groß gefeiert. Für die beiden letzten Tage im April steht ein Zelt auf dem Schützenplatz und die Musiker, die ohnehin 30 bis 50 Auftritte im Jahr zu absolvieren haben, sind im Großeinsatz – bei den Vorbereitungen und an den Instrumenten.

Sie begleiten das Pontifikalamt mit dem Weihbischof am Samstag, 29. April, und spielen anschließend beim Kommersabend ab 19 Uhr im Zelt. Am Sonntag, 30. April, überbringen Gastvereine ihre musikalischen Glückwünsche, bevor die Gäste mit „Friends on Fire“ in den Mai tanzen können.
Spaß mit Freunden
Dann kehrt für Thomas Bieker und all die Aktiven, die das Fest mit vorbereitet haben, erstmal wieder Normalität ein und Zeit für Spaß an der Freud. Wie auf dem Schützenfest in Rahrbach. Als die Instrumente schon eingepackt wurden, kam abends einer auf die Idee, das Kettenkarussell zu kapern, erinnert sich Thomas Bieker. Also: Instrumente ausgepackt und rein ins Karussell.
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Über den Köpfen der letzten Gäste drehten sich die musizierenden Schreibershofer. Ein Döneken am Rande, an das sich Thomas Bieker gerne erinnert. Ein Spaß mit Freunden. Musikfreunde halt – so nennen sich die Schreibershofer ja auch, nicht einfach nur „Verein“.
Zahlen, Daten, Fakten
  • Neben den 90 Aktiven gehören den Musikfreunden Schreibershof noch 400 Fördermitglieder an.
  • Die Einnahmen und Ausgaben bewegen sich jährlich zwischen 14.000 und 20.000 Euro.
  • Der Verein finanziert sich durch Mitgliedsbeiträge, Honorare aus Auftritten (Schützenfesten), das Frühlingskonzert und Spenden.
  • Kosten fallen vor allem für Notensätze (2.500 Euro/Jahr), Instrumente, Reisekosten, Dirigenten und Jugendarbeit an.
  • Nach etwa dreijähriger Ausbildung können junge Leute im Orchester mitspielen.
  • Für Proben wenden die Musiker wöchentlich zwei bis drei Stunden auf.
  • Die individuellen Probenzeiten sind unterschiedlich und werden für Blasmusiker auf etwa 30 Minuten pro Tag taxiert.
  • Die Musikfreunde Schreibershof absolvieren 30 bis 50 Auftritte pro Jahr.
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