Lydia Benecke: „Statistisch ist etwa ein Prozent der Bevölkerung psychopathisch"

Kriminalpsychologin referiert in Attendorn


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Kriminalpsychologin Lydia Benecke hielt in Attendorn einen Vortrag über Psychopathen. von Ina Hoffmann
Kriminalpsychologin Lydia Benecke hielt in Attendorn einen Vortrag über Psychopathen. © Ina Hoffmann

Attendorn. In ihrem Vortrag „Die Psychologie des Bösen. Was sind und tun eigentlich Psychopathen?“ hat Kriminalpsychologin Lydia Benecke am Sonntag, 6. Mai, die Besucher in der Attendorner Stadthalle auf eine spannende und erschreckende Reise in die Gedanken- und Gefühlswelt von Psychopathen mitgenommen. Mit jeder Menge Fakten und einer Prise schwarzem Humor erklärte die Expertin, dass zwar rein statistisch drei Psychopathen unter den Zuschauern seien, man aber trotzdem keine Angst vor seinem Sitznachbar haben musste.


Lydia Benecke, geboren 1982 in Polen, interessierte sich schon in der Schulzeit für Psychologie – eine Faszination, die sie seitdem begleitet und die sie zum Beruf machte. Sie studierte Psychologie, Psychopathologie und Forensik und ist seit 2009 als Diplom-Psychologin tätig. Vier Jahre lang arbeitete sie als psychologische Beraterin in Kriminalfällen für das Unternehmen ihres damaligen Ehemannes, des bekannten Kriminalbiologen Dr. Mark Benecke.

Heute ist Lydia Benecke selbstständige Kriminalpsychologin mit Arbeitsschwerpunkt im Bereich der Gewalt- und Sexualstraftaten. Sie ist als Beraterin und Expertin für verschiedene Medien und Sendeformate tätig. In ihren Büchern „Auf dünnem Eis. Die Psychologie des Bösen“, „Sadisten. Tödliche Liebe – Geschichten aus dem wahren Leben“ und „Psychopatinnen – die weibliche Psychologie des Bösen“ beleuchtet sie für ihre Leser die Gedanken von Verbrechern.
Therapie von Gewaltstraftätern
Seit zehn Jahren arbeitet Lydia Benecke 30 Stunden pro Woche an einem Ort, den die meisten Menschen tunlichst meiden würden - in einer Sozialtherapeutischen Anstalt mit Gewaltstraftätern, die unter anderem wegen Tötungsdelikten oder anderen schweren Gewaltstraftaten verurteilt wurden. Ziel ihrer Arbeit ist es, weitere Straftaten zu verhindern. „Ich kann Ihnen versichern: Therapie bedeutet Blut, Schweiß und Tränen und ist weit mehr als nur Köpfchentätscheln“, erklärte die Psychologin.

Zudem ist sie seit fünf Jahren in der ambulanten Sexualstraftätertherapie tätig und betreut dort unter anderem verurteilte Sexualmörder. „Ich werde oft gefragt, ob ich bei meiner Arbeit keine Angst habe. Immerhin bin  ich ja eine Frau, die mit verurteilten Verbrechern arbeitet. Aber rein statistisch gesehen ist es sehr unwahrscheinlich, dass mir dabei etwas passiert. Und da ich ein Fan von Statistiken bin, gibt mir das Sicherheit. Das Gefährlichste, was dabei bisher passiert ist, war, dass ein heruntergefallener Gefängniszaun mein Auto demoliert hat“, so Benecke.
Grundlagen der Psychopathie
In ihrem Vortrag „Die Psychologie des Bösen. Was sind und tun eigentlich Psychopathen?“ nahm die 37-Jährige ihre gebannten Zuhörer mit auf eine Reise in die Gedanken- und Gefühlswelt von Psychopathen. Was macht einen Psychopathen eigentlich aus? Wie entsteht eine psychopathische Persönlichkeit? Werden alle straffällig? Ist vielleicht der eigene Sitznachbar ein Psychopath? Ein Gedanke, bei dem den meisten Zuhörern die Nackenhaare zu Berge gestanden haben dürfte.

Ziel ihres Vortrags war es, die Grundlagen der Psychopathie zu vermitteln und mit Vorteilen aufzuräumen. „Längst nicht alle Psychopathen töten Menschen, und sie sind auch nicht alle hochintelligent, wie es in Filmen und Serien meist vermittelt wird. Das wird genauso überspitzt dargestellt wie vieles andere in Filmen“, erklärte die Kriminalpsychologin.
 von Ina Hoffmann
© Ina Hoffmann
Anhand eines komplizierten Punktesystems wird entschieden, ob es sich bei einem Täter um einen Psychopathen handelt. Dafür nutzen Psychologen eine Checkliste, sodass mehr als 20 Merkmale einer Psyche abgefragt werden. „Sobald jemand in diesem System mehr als 75 Prozentin erreicht, gilt er als Psychopath. Der Durchschnittsmensch erreicht hier meist nicht mehr als neun Prozent“, wusste Lydia Benecke zu berichten.

So seien Psychopathen beispielsweise angstfrei, hätten keine Angst vor den Folgen ihrer Handlungen und sehnten sich nach Aufregung. „Aber nur weil jemand angstfrei ist, muss er kein Psychopath werden. Die Gewissenhaftigkeit entscheidet, ob man diese Eigenschaft für sich sinnvoll nutzt, indem man beispielsweise Stuntman wird wie die Jungs von ,Jackass´(US-TV-Serie und-Filme über Stunts und Mutproben; Anm. d. Red.) “, erklärte Benecke.
Antisoziales Verhalten
Psychopathen könnten zudem gut manipulieren und seien überzeugende Lügner. Dazu seien Psychopathen gefühlskalt, da sie die Gefühle anderer oft nur oberflächlich nachempfinden könnten. Gewissensbisse und Schuldgefühle seien ihnen fremd. Sie hätten eine unrealistische Selbsteinschätzung und könnten sich nicht gut bremsen, sodass sie oft schon in jungen Jahren kriminell auffällig würden.

„Aber machen Sie sich bitte keine Sorgen, dass rüpelhafte oder aufsässige Jugendliche alle Psychopathen werden würden. Bei den allermeisten verwächst sich antisoziales Verhalten mit der Zeit“, so Benecke. Erst wenn viele Merkmalspunkte über einen langen Zeitraum stark ausgeprägt sind, könne man von einem Psychopathen sprechen.
Bekannte Psychopathen als Beispiele
Anhand bekannter Beispiele wie dem Fall des Mafiakillers Richard Kuklinski, der innerhalb von 38 Jahren zwischen 100 und 250 Menschen umbrachte, stellte die Kriminalpsychologin heraus, wieso Menschen zu Psychopathen werden können und wie deren Psyche arbeitet. So sei eine Mischung aus Genen und Umweltfaktoren, wie die Erziehung, die Ursache für Psychopathie.

„Wenn Sie sich jetzt fragen, wieso nicht alle Menschen mit einer schlechten Kindheit Psychopathen werden, kann man das mit dem Rauchen erklären: Rauchen schadet erwiesenermaßen der Gesundheit. Aber es gibt auch die Tante, die ihr Leben lang starke Raucherin war und 90 Jahre alt geworden ist“, erläuterte Benecke.

„Statistisch ist etwa ein Prozent der Bevölkerung psychopathisch - und damit drei Anwesende hier heute Abend. Trotzdem müssen Sie keine Angst haben, gleich im Vorraum dahingemeuchelt zu werden, denn längst nicht alle Psychopathen werden straffällig“, erklärte die Kölnerin.
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