Vier Monate alter Azubi: Welpe „Miles“ wird zum Polizeihund ausgebildet

Kreispolizeibehörde Olpe


  • Kreis Olpe, 07.07.2018
  • Von Sven Prillwitz
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    Redaktion

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Ab durch die Röhre: „Miles“ lernt gerade, seinem Trainer und Herrchen Patrick Lauer ohne zu zögern zu folgen und ihn auch unter ungewohnten Bedingungen - in diesem Fall Enge, Dunkelheit und Taschenlampenlicht - zu finden. von Sven Prillwitz
Ab durch die Röhre: „Miles“ lernt gerade, seinem Trainer und Herrchen Patrick Lauer ohne zu zögern zu folgen und ihn auch unter ungewohnten Bedingungen - in diesem Fall Enge, Dunkelheit und Taschenlampenlicht - zu finden. © Sven Prillwitz

Kreis Olpe/Oedingen. Er ist gerade einmal vier Monate alt und rund 20 Kilo schwer, steckt aber schon mitten in der Ausbildung: „Miles“, ein Belgischer Schäferhund, wird derzeit zum Schutz- und Personensuchhund für die Kreispolizeibehörde Olpe ausgebildet. Als erster Welpe seit über zwölf Jahren, weil in dieser Zeit ältere Hunde angekauft und ausgebildet wurden. Ob er dafür geeignet ist, muss der Welpe bei einer Prüfung nachweisen, wenn er 15 bis 18 Monate alt ist. Bis dahin hat „Miles“ noch viel zu lernen: Grundgehorsam, den Umgang mit Umwelteinflüssen aller Art – und natürlich die Suche nach flüchtigen Personen.


Ein düsterer, muffig riechender Raum. Ein riesiges Holzlabyrinth mittendrin. „Miles“ flitzt aufgeregt durch die schmalen Gänge, außen um das Bauwerk herum und an einer Wand entlang bis vor einen weißen Vorhang. Vier oder fünf Mal wiederholt sich dieser Ablauf. Der Hund sucht seinen menschlichen Fixpunkt, seinen Trainer, sein Herrchen: Patrick Lauer, 42 Jahre alt, Polizeioberkommissar und seit sechs Jahren Diensthundeführer, spezialisiert auf Personensuche.
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Eigentlich wäre es ganz einfach, denn Lauer kniet direkt hinter dem Vorhang. Dass es sich dabei nicht um eine Wand handelt, muss „Miles“ aber noch lernen. Aufgeregt schnuppert er an dem Stück Stoff, an dem Boden davor, an der Wand links und dem Holz rechts davon. Und schließlich merkt der Welpe, dass der Vorhang sich bewegen lässt. „Miles“ jault vor Freude, springt an seinem Herrchen hoch. Lauer lobt den Hund mit fröhlicher Stimme, krault ihm den Kopf und füttert ihn mit seinen Lieblingsleckerlies: Käsestücken. Belohnungen für den nächsten Lernerfolg.
„Ein Hund muss lernen, seine Nase einzusetzen“
„Es ist wichtig, dass ein Hund positiv aus einer Übung herausgeht“, sagt der 42-jährige Kirchhundemer. Deshalb werden Aufgaben, die ein Hund nicht gelöst hat, nach kurzen Pausen auch wiederholt. Um den Spaß an den Übungen aufrechtzuerhalten und Erfolge zu verinnerlichen. Für „Miles“ bedeutet das derzeit erstmal, sein Herrchen zu finden. Die Suchspiele werden mit der Zeit immer anspruchsvoller werden, etwa wenn Lauer sich in Kisten versteckt oder auf einem erhöhten, für den Hund unerreichbaren Punkt.
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Ganz wichtig dabei: „Der Hund muss in frühester Zeit lernen, seine Nase einzusetzen. Hunde machen ziemlich viel visuell, obwohl die Nase ihr stärkstes Sinnesorgan ist“, sagt Lauer. Außerdem wird sich „Miles“ an die vielen unterschiedlichen Reize gewöhnen. An Geräusche, Gerüche, Dunkelheit und eben Menschen. Und auch an verschiedene Untergründe: an festen Boden, aber auch an Geröll, Gitter usw. „Umweltsicherheit“ nennen Hundeführer das. Aus diesem Grund nehmen Lauer und Co. Hunde überall hin mit – auch zu Flughäfen, an Bahnhöfe, auf Bauernhöfe.
Ehemalige Kaserne als Trainingsstützpunkt
Und eben zu speziellen Trainingsstützpunkten. Einer davon befindet sich auf dem Gelände der ehemaligen Sauerlandkaserne in Lennestadt-Oedingen. „Miles“ ist heute zum zweiten Mal hier. In einem großen roten Backsteinhaus befinden sich rund 15 Räume, viele davon düster, dunkel und muffig. Die im oberen Stockwerk sind weitestgehend leer. Die unteren hingegen sind – ebenso wie der lange Flur – vollgestellt mit Hindernissen aller Art: Möbel, Kartons, Sperrholzbauten, Plastikflaschen, Planen. Sogar Steine sind hier brusthoch aufgeschichtet – nach Menschenmaß. Überall gibt es Versteckmöglichkeiten.
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Hier trainieren die Hundeführer von vier Polizeibehörden, darunter der Kreis Olpe (siehe Infokasten), und der Bundesverband Rettungshunde mit ihren Vierbeinern die Personensuche. Das jeweilige Ziel: Personen finden. Der Unterschied: Für Rettungshunde geht es darum, Vermisste aufzuspüren. Für Polizeihunde geht es darum, flüchtige Täter zu finden. Dabei gilt in Nordrhein-Westfalen für Polizeihunde die Regel, dass eine Person, die still steht, nur gestellt werden darf. Heißt: bellen, knurren und Zähne fletschen. Versucht ein Täter, zu fliehen oder gar Hund und Polizisten zu attackieren, darf und soll das Tier hingegen zubeißen.
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Bis „Miles“ bereit ist für den Einsatz als Polizeihund, muss er aber mindestens 15 Monate alt sein. „Erst dann ist die Sozialisierungsphase eines Hundes abgeschlossen. Und erst dann ist er auch körperlich in der Lage, sich gegen einen Angreifer zu wehren“, erklärt Christoph Weingarten. Der 46-jährige Wendener ist Polizeihauptkommissar und seit zwölf Jahren Diensthundeführer. Mit seinem Hund „Pit vom strengen Winter“, inzwischen sieben Jahre alt, ist Weingarten auf das Aufspüren von Rauschgift spezialisiert.
Spaß an Krach und Plastik
In einem weiteren Raum des Backsteingebäudes hängen am Türrahmen zahlreiche Plastikbehälter an Schnüren, die fast bis auf den Boden reichen. Direkt dahinter steht ein kniehoher Behälter, randvoll mit Plastikflaschen. Ein Höllenlärm aus Knistern und Krachen, als Patrick Lauer und Christoph Weingarten mittendurch laufen. Geräusche, die „Miles“ nicht stören und von der Personensuche ablenken dürfen, wenn er zum Polizeihund werden will.

Und weder die vom Rhamen hängen Behälter noch Geräusche oder der bewegliche Untergrund aus Plastikflaschen halten den Welpen ab, als er seinem Herrchen und Trainer ohne zu zögern mit einem beherzten Sprung mitten in das Plastikmeer folgt. Ein weiterer Lernerfolg. Und scheinbar ein großer Spaß, denn der Hund springt hinterher noch mehrfach in den Behälter, um mit den Flaschen zu spielen.
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„Miles“ hat einen enormen Spieltrieb. Nicht nur wegen seines Alters. Es ist ein Markenzeichen der Hunderasse Belgischer Schäferhund, die genau deswegen für die Ausbildung zum Polizeihund so hervorragend geeignet sei, erklärt Weingarten. Ebenfalls von zentraler Bedeutung: der starke Wehrtrieb dieser Hunde, die im Schnitt rund 60 Zentimeter groß werden.

Im Laufe seiner Ausbildung wird „Miles“ lernen, seinen Wehrtrieb einerseits zu beherrschen und andererseits gezielt einzusetzen. Dafür wird er mit seinem Herrchen Patrick Lauer flüchtige Personen aufzuspüren versuchen. In immer wechselnden Örtlichkeiten, in immer wechselnden Szenarien. Dann werden auch Vollschutzanzüge zum Einsatz kommen, in denen sich „Miles“ verbeißen muss. Dann wird er sich gegen simulierte Angriffe auf sich und sein Herrchen wehren müssen, zum Beschützer werden. Mit „negativen Erfahrungen umgehen lernen und es ins Positive wandeln“, sagt Weingarten. „Real-Lagen-Training“ nenne sich das.
„Ein Polizeihund muss klar im Kopf sein“
Damit wird sich der junge Hund auch in seinem Wesen verändern, unnahbarer werden für Außenstehende, für Fremde. Allerdings „ohne zu einer Killermaschine zu werden“, wie Weingarten sagt. Daher sei es wichtig, dass „ein Hund klar im Kopf ist“. Und eben zuverlässig und bedingungslos treu. „Ein Diensthund ist kein Arbeitsgerät, sondern ein Kamerad auf Streife. Wir müssen uns gegenseitig aufeinander verlassen können“, erklärt Weingarten. Zumal die Tiere auch bei den Polizeihundeführern und deren Familien wohnen.
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Polizeihunde kommen übrigens nicht nur bei der Tätersuche zum Einsatz, sondern auch bei Großeinsätzen wie Demonstrationen, Fußballspielen und Stadtfesten, aber auch bei Verkehrskontrollen. Bei solchen Anlässen sei generell ein Hund mit seinem Führer dabei oder werde nach Bedarf angefordert. Auch um gegebenenfalls aggressive Personen abzuschrecken, so Weingarten.

Vor „Miles“ liegen also noch einige Herausforderungen, bis er sich zusammen mit seinem Trainer Patrick Lauer der Polizeihunde-Prüfung stellen kann. Auch einen Gesundheits-Check muss er noch bestehen, wenn er etwa ein Jahr alt ist. Schafft er das nicht, muss er ein normales Hundeleben führen. Davon gehen aber weder Weingarten noch Lauer aus. Immerhin haben sie große Pläne mit „Miles“.
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Der soll nämlich nicht nur vom „kleinen Rabauken“ (Lauer) zum Polizeihund werden, sondern auch zum Nachfolger von „Vicktor“, Lauers zweitem, mittlerweile acht Jahre alten Polizeihund. Der 42-jährige Polizeioberkommissar ist zuversichtlich, dass es mit dem erhofften „nahtlosen Übergang“ klappen wird, denn: „Die beiden kommen super miteinander klar. ,Vicktor´ ist auch schon ein absolutes Vorbild für ,Miles´.“
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Kurz & knapp

In NRW gibt es rund 300 Polizeihundeführer, die auf Abruf bereitstehen müssen und von den Dienststellen je nach Einsatzlage nach Bedarf angefordert und eingesetzt werden.

Polizeihunde werden dual ausgebildet zu Schutz- und Spürhunden.

Im Kreis Olpe gibt es aktuell drei Hundeführer mit drei aktiven Diensthunden. Zwei davon sind auf die Suche nach Rauschgift spezialisiert, einer auf die Suche nach Personen. Einen Hundeführer, dessen Tier für die Suche nach Sprengstoff ausgebildet ist, gibt es nicht im Kreis Olpe. Diese würden bei Erfordernis separat von einer anderen Behörde angefordert.

Ein Polizeihundeführer erhält für die Unterbringung und Verpflegung seines oder seiner Hunde eine Aufwandspauschale. Die Kosten für Tierarztbesuche übernimmt das Land NRW.

Polizeihunde werden auch für Extremsituationen ausgebildet. Dazu können Hubschrauberflüge und Fahrten in einem Rettungsboot zählen. Hunde lassen sich im Idealfall von ihrem Führer tragen– auch auf dem Rücken, wenn das gemeinsame Abseilen beispielsweise an einer Felswand erforderlich ist.

Seit 2017 besteht eine Ausbildungskooperation zwischen den Polizeibehörden Olpe, Siegen, Märkischer Kreis und Hochsauerlandkreis. Hier trainieren insgesamt zwölf Hundeführer, darunter Christoph Weingarten, mit ihren Tieren regelmäßig wechselnde Szenarien.

Für Polizeihundeführer gilt der Spruch „Hunde sind auch nur Menschen.“ Dass Tiere einen schlechten Tag haben und Übungen einmal nicht schaffen können, gehört zwischendurch auch mal dazu.
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