Junge Fahrer sollen aufgerüttelt werden

Crash-Kurs-NRW


  • Kreis Olpe, 22.11.2018
  • Von Barbara Sander-Graetz
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Der "Crash Kurs NRW" in Attendorn hat rund 450 Schüler beeindruckt. Veranstalter war die Polizei. von Barbara Sander-Graetz
Der "Crash Kurs NRW" in Attendorn hat rund 450 Schüler beeindruckt. Veranstalter war die Polizei. © Barbara Sander-Graetz

Kreis Olpe. Sie hießen Pascal, Gerhard oder Johannes, Marina, Christine oder Martin. Sie alle waren jung und sind nun tot. Gestorben bei Verkehrsunfällen in den vergangenen Jahren im Kreis Olpe. Zu schnelles Fahren, Alkohol, Überschätzung des eigenen Könnens, Drogen: Die Ursachen sind vielfältig. Das Ergebnis immer gleich: Leben ändern sich von einer Sekunde auf die andere und nichts ist wie es mal war. Das machte auch die 23. Auflage des Crash Kurs NRW wieder erschreckend deutlich.


450 Jugendliche sind dieses Mal in die Stadthalle Attendorn gekommen. Sie besuchen das Berufskolleg vor Ort oder die Oberstufe des Rivius Gymnasiums und des St. Ursula Gymnasiums. Der Besuch gehört zum Unterricht.

Als Michael Klein von der Polizei Olpe fragt, wer freiwillig hier wäre, melden sich nur ein paar Jugendliche. Da haben schon mehr selber mal einen Unfall erlebt.
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Michael Klein liefert ein paar Zahlen: Bei 149 Unfällen im Jahr 2017 waren Jugendliche zwischen 18 und 24 Jahren die Verursacher. Zwei ließen dabei ihr Leben, 29 waren schwerstverletzt und behalten zum Teil lebenslang ein Handicap.

119 Menschen wurden leicht verletzt. Der Schaden beträgt rund 700.000 Euro. „Eure Altersgruppe macht nur zehn Prozent der Verkehrsteilnehmer aus, aber ist zu 24 Prozent an Unfällen beteiligt“, so Klein.

Nach den Fakten kommt die harte Realität. Entsprechende Unfallfotos der Polizei von Autowracks und abgedeckten Leichen werden gezeigt. Die Namen der Verstorben werden eingeblendet. Es ist ruhig im Saal. Manche kannten die Verstorbenen oder auch die Überlebenden der Unfälle.
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Eine von ihnen ist Carla Hennecke. Sie war im Februar 2014 in einen Unfall verwickelt. Am Steuer ihr Bekannter, der seine Fahrkünste überschätzte und mit dem Fahrzeug durch die Leitplanke fuhr und in einem Bach landete.

Sie selber brach sich unter anderem einen Halswirbel. „Damals machte das Gerücht schnell die Runde, ich sei querschnittsgelähmt, was sich zum Glück nur als Gerücht erwies“, sagte Hennecke. Doch auch sie zahlte einen hohen Preis. Eine Niere und ein Stück der Bauspeicheldrüse wurden entfernt. Hinzu kam ein Milzriss.
Harter Tobak
Polizeihauptkommissar Mario Flüch erzählt, wie es war als er zu einem Motoradunfall mit Todesfolge gerufen wurde. Noch heute geht dem 50-jährigen Vater von zwei Kindern der Unfall nah. Besonders schwer war es, die Todesnachricht der Familie zu überbringen.

„Es war nur der kleine Bruder zuhause“, ist er noch heute erschüttert von den Ereignissen. Harter Tobak für ihn als Polizisten, aber auch für die Jugendlichen.

Dirk Wiedehöft ist Polizist, Motorradfahrer sowie Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr und schildert einen Unfall, bei dem er einen Kollegen schwer verletzt auf dem Beifahrersitz vorfindet: „Ihr fahrt in Regionen, wo ihr die Leute kennt.“
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Junge Fahrer sollen aufgerüttelt werden
Auch Notarzt Peter Nolte weiß von vielen tragischen Einsätzen zu berichten: „Wir wissen zu kämpfen, doch wenn wir dann verlieren, ist es besonders bitter.“ Keiner gehe mit Flip-Flops zum Fußball spielen. „Warum fährt man dann mit kurzer Hose und T-Shirt Motorrad?“ Er appelliert an die jungen Fahrer: „Fahrt genauso konzentriert, wie ihr an der Spielkonsole seid.“

Pastor Ludger Wollweber beschreibt seine schwere Aufgabe „da zu sein, wenn die anderen wieder weg sind.“ Der Seelsorger weiß, dass nicht nur Lebensträume und Planungen durch tödliche Unfälle platzen. „Daran gehen ganze Familien kaputt.“ Man denke immer, das kann mir nicht passieren. „Doch so ist es nicht“, weiß der Seelsorger aus jahrelanger Erfahrung.

Eine, die auch nie gedacht hätte, dass es ihnen passiert, ist Angela Kraft. Sie verlor ihren Bruder Pascal. Während sie den Abend des Unfalls und den Augenblick, wo die lebenserhaltenden Maschinen bei ihrem Bruder abgeschaltet werden, erzählt, ist es mucksmäuschen still in der Stadthalle. Sie hatte später auch Kontakt mit dem Unfallverursacher. „Auch sein Leben ist gelaufen“, sagt die Hinterbliebene.
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Jutta Neuhaus, Mutter eines tödlich verunglückten Sohnes, bringt es auf den Punkt: „Ich habe seitdem lebenslänglich, obwohl ich nichts verbrochen habe.“

Michael Klein entlässt nach rund 90 Minuten eine sichtlich ergriffenen Gemeinschaft Jugendlicher wieder auf die Straße: „Jedes Leben zählt und Verkehrsunfälle zerstören Leben. Sie sind vermeidbar und werden verursacht. Daher fahrt vorsichtig, denn Verkehrsunfälle hinterlassen Spuren. Nicht nur auf der Straße.“
Crash Kurs NRW
Crash Kurs NRW - Realität erfahren. Echt hart“ richtet sich an Jugendliche der 10. und 11. Klasse und zeigt ihnen die Gefahren zu schnellen Fahrens auf. Bei der Kampagne arbeiten Polizei, Feuerwehr, Rettungsdienste, Schulen und andere Beteiligte zusammen, um junge Fahrer für die Gefahren im Straßenverkehr zu sensibilisieren. Crash Kurs NRW ging im Jahr 2010 an den Start. Bei den Veranstaltungen stehen die Emotionen im Vordergrund. Ziel ist es, bei den jungen Teilnehmern ein realitätsnahes Gefahrenbewusstsein zu schaffen und eine dauerhafte, positive Verhaltensänderungen zu bewirken.
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