Staatsschutz und Gemeinde Kirchhundem werten Polizei-Großeinsatz aus

Rechtsextremes Kampfsport-Event „Kampf der Nibelungen“


  • Kirchhundem, 16.10.2017
  • Von Sven Prillwitz
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Blaulicht-Großeinsatz; Die Polizei richtete am Samstag an mehreren Stellen in Kirchhundem Straßensperren ein, an denen Teilnehmer der Kampfsport-Veranstaltung kontrolliert wurden. von Nils Dinkel
Blaulicht-Großeinsatz; Die Polizei richtete am Samstag an mehreren Stellen in Kirchhundem Straßensperren ein, an denen Teilnehmer der Kampfsport-Veranstaltung kontrolliert wurden. © Nils Dinkel

Kirchhundem. Zwischen 500 und 600 Personen haben am Samstagabend am rechtsextremen Kampfsport-Event „Kampf der Nibelungen“ teilgenommen, das in der Schützenhalle Kirchhundem stattfand (LokalPlus berichtete). Der Staatsschutz in Hagen und die Gemeinde Kirchhundem waren auch am Montag damit beschäftigt, die Erkenntnisse aus dem Polizei-Großeinsatz rund um die konspirativ organisierte, nicht-öffentliche Veranstaltung auszuwerten - und nahmen den Schützenverein ausdrücklich in Schutz.


Der „Kampf der Nibelungen“ wird seit 2013 ausgetragen und zählt zu einem der europaweit wichtigsten Events von Rechtsextremen. Das habe die „beachtlich“ hohe Teilnehmer- und Besucherzahl in Kirchhundem deutlich unterstrichen, sagt André Dobersch vom Staatsschutz Hagen auf LokalPlus-Anfrage. Aus dem gesamten Bundesgebiet, aber auch aus dem europäischen Ausland seien Personen angereist. Polizei und Staatsschutz, am Samstag laut Dobersch mit einem Großaufgebot rund 300 Kräften in Kirchhundem im Einsatz, hätten nach der Veranstaltung umfangreiche Fahrzeug- und Personenkontrollen vorgenommen. Die Auswertung der Daten durch den zuständigen Staatsschutz war am Montag noch nicht abgeschlossen, weshalb „konkrete Aussagen“ zu Teilnehmern und Besuchern noch nicht möglich seien, so Dobersch.

Wie bei konspirativ organisierten Veranstaltungen der rechten Szene üblich, war auch der Austragungsort für den „Kampf der Nibelungen“ im Vorfeld nur grob geografisch eingegrenzt worden, in diesem Fall mit „Westdeutschland“. Ende September hatten hessische Sicherheitsbehörden gemeldet, dass das für den 14. Oktober angekündigte Event offenbar in Hessen stattfinden sollte. Nach laut Dobersch „umfangreichen Aufklärungsarbeiten“ seien Staatsschutz und die Polizei in Siegen und Olpe am Samstagnachmittag sicher gewesen, dass die Veranstaltung in Kirchhundem stattfinden würde. Daraufhin seien Einsatzkräfte aus ganz NRW sowie aus Hessen angefordert worden.
„Hochprofessioneller“ Polizeieinsatz
Dobersch, der am Samstagabend selbst vor Ort war, lobte Polizeiarbeit und –einsatz als „hochprofessionell“. Die Lage vor Ort sei ruhig gewesen, für die Bevölkerung habe „kein Grund zur Beunruhigung“ bestanden. Eine Einschätzung, die Michael Klein von der Kreispolizeibehörde Olpe, am Samstag ebenfalls in Kirchhundem im Einsatz, bestätigt. Dass Beamte auch mit Maschinenpistolen ausgerüstet waren, sei für einen Einsatz mit einer möglichen Gefährdungssituation üblich.
 von Nils Dinkel
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Beim Schützenverein Kirchhundem sei die Halle für eine „private Sportveranstaltung“ gemietet worden, an der bis zu 250 Personen teilnehmen würden, sagte Klein. „Der Verein musste keinen Anlass haben, misstrauisch zu sein. Die Anmeldung lief völlig neutral, und diese Dimensionen waren nicht absehbar.“ Auch André Dobersch betont, dass Vermieter „oft gar nicht wissen, was da auf sie zukommt“, wenn Veranstalter aus dem rechten und rechtsextremen Spektrum, die sich als solche nicht zu erkennen gäben, Hallen oder Säle mieten. Grundsätzlich sei eine solche Veranstaltung nicht verboten; eine Kündigung des Mietvertrags etwa wegen „arglistiger Täuschung“ sei nur „gegebenenfalls“ möglich. Der Schützenverein Kirchhundem war auch am Montag nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.
Reinéry: Schützenverein trifft keine Schuld
Auch Kirchhundems Bürgermeister Andreas Reinéry betont ausdrücklich, dass dem Schützenverein kein Vorwurf zu machen sei. Immerhin hätten auch Polizei und Staatsschutz erst wenige Stunden vor Beginn der Veranstaltung herausgefunden, für was für eine Veranstaltung die Schützenhalle angemietet worden war. Der Verein sei „bewusst getäuscht“ worden. Und: Anders als in Hessen, wo Sicherheitsbehörden Kommunen und Vermieter Ende September zu besonderer Vorsicht aufgerufen hatten, habe es nach seinem Wissen keine ähnliche Warnung für Nordrhein-Westfalen gegeben. Genau das sei aber „wünschenswert für den Grenzbereich NRW-Hessen“, so Reinéry.

Zwar sei es ein „Schuss vor den Bug“ gewesen, dass Kirchhundem kurzzeitig zu einem Treffpunkt europäischer Rechtsextremisten wurde. Immerhin sei es aber nicht zu Straftaten oder Ausschreitungen gekommen. Gleichzeitig habe sich auch gezeigt, dass Verwaltung, Sicherheitsbehörden und auch die Feuerwehr, die das Areal rund um die Schützenhalle ausgeleuchtet habe, kurzfristig in einer solchen Situation „perfekt zusammenarbeiten“, so Reinéry: „Die Mechanismen der wehrhaften Demokratie haben funktioniert.“ Auch vor diesem Hintergrund warnte Kirchhundems Bürgermeister vor einer „Pseudodebatte“ und davor, der Veranstaltung eine „unangemessene Bedeutung“ zukommen zu lassen.
Rechtsextreme Marken als offizielle Unterstützer
Wer genau als Organisator hinter dem vom Staatsschutz beobachteten „Kampf der Nibelungen“ steckt, ist nicht eindeutig. Auf der Homepage der Veranstaltung ist lediglich von kampfsportbegeisterten „jungen Deutschen“ als Organisatoren die Rede. Auf der Website wird betont, dass – anders als bei anderen Kampfsport-Events – ein „Bekenntnis zur freien demokratischen Grundordnung“ ausdrücklich nicht nötig sei. Stattdessen verstehe sich die Veranstaltung als „Alternative“ zum „faulenden politischen System“.

Im Impressum wird Alexander Deptolla als Verantwortlicher für den Inhalt der Website genannt. Deptolla gehört nach übereinstimmenden Medienberichten zum Kern der Dortmunder Neonazi-Szene und soll unter anderem der Führungsebene des inzwischen verbotenen „Nationalen Widerstands Dortmund“ angehört haben. Zu den zentralen Unterstützern der Kampfsport-Veranstaltung zählen unter anderem Sportbekleidungsmarken wie „White Rex“ (Russland) und „Pride France“ (Frankreich), deren Betreiber ebenfalls der rechtsextremen Szene zuzuordnen sind.
Netzwerk und „Türöffner" zugleich
Veranstaltungen wie der „Kampf der Nibelungen“ dienen nach Angaben von André Dobersch zum einen dazu, rechtsextreme Gruppierungen untereinander zu vernetzen und Aktionen und weitere Events der Szene zu finanzieren. Zum anderen könnten solche Veranstaltungen aber auch der „Türöffner“ für Außenstehende, in diesem Fall für Aktive und Fans aus dem Kampfsport-Milieu, zur rechten Szene sein.
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