Zwischen Sachlichkeit und klaren Ansagen

Fußball: Thorben Siewer hat es mit 28 Jahren als Schiedsrichter bereits in die 2. Bundesliga geschafft


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Auf dem Fußballplatz sind Zweikämpfe an der Tagesordnung und damit auch knifflige Situationen. Ein Schiedsrichter muss in Sekundenbruchteilen Entscheidungen treffen. von Prillwitz
Auf dem Fußballplatz sind Zweikämpfe an der Tagesordnung und damit auch knifflige Situationen. Ein Schiedsrichter muss in Sekundenbruchteilen Entscheidungen treffen. © Prillwitz

Mit gerade einmal 28 Jahren hat Thorben Siewer schon ziemlich viel als Schiedsrichter erreicht. In der laufenden Saison pfeift er Spiele der Zweiten Fußball-Bundesliga, in der Beletage des deutschen Fußballs steht er als vierter Offizieller an der Seitenlinie.


Der Weg für den Drolshagener führte über einen unschönen Umweg steil bergauf, denn sein Name tauchte 2009 auf der Liste derjenigen Unparteiischen auf, die in den Wettskandal verwickelt sein sollten. Siewert hatte sich jedoch nichts zuschulden kommen lassen, weshalb der damalige DFB-Präsident Theo Zwanziger sich bei ihm entschuldigte. Was es damit auf sich hatte, wie es, ist einen Hitzkopf wie Rudi Völler zu beruhigen, und was der 28-Jährige von Hilfsmitteln für Schiedsrichter hält, verrät Siewer im Interview mit LokalPLus. Herr Siewer, warum sind Sie Schiedsrichter geworden? Die Entscheidung war eher ein spontaner Entschluss und kein Abwägen von Vor- und Nachteilen im Vorfeld. Bei einem Heimspiel meines Heimatvereins, FC Schreibershof, sprach der heutige Vorsitzende, Klaus-Michael Becker, meinen Sitznachbarn an und warb für den nächsten Schiedsrichteranwärter-Lehrgang. Als dieser dann verneinte, sagte ich unmittelbar zu. Ein paar Wochen später war ich dann Schiedsrichter. Wie lange sind Sie bereits als Schiedsrichter aktiv? Die Prüfung habe ich am 21. Mai 2003 erfolgreich abgeschlossen, also jetzt knapp 12,5 Jahre. Wie verlief Ihre sportliche Karriere weiter? Anfänglich war ich natürlich vorwiegend bei Jugendspielen im Einsatz. Bis zum 18. Lebensjahr habe ich parallel noch selbst Fußball gespielt und mich dann für die Schiedsrichterei entschieden. Schon mit 17 Jahren leitete ich kreisintern meine ersten Seniorenspiele mit Hilfe einer Ausnahmegenehmigung. Ein Jahr später wurde ich bereits in der Bezirksliga eingesetzt. Durch sehr gute Beobachtungen und den Aufstieg in die Landesliga begann dann der schnelle Aufstieg mit der Berufung in den westfälischen Perspektivkader zur Saison 2006/07. Bereits in der Halbserie der Saison folgte mit der Verbandsliga die nächsthöhere Klasse. Mit dem Spieljahr 2007/08 waren dann Spielleitungen in der Oberliga möglich.
Bundesweit jüngster Regionalliga-Referee
Wann hat sich abgezeichnet, dass Sie als Referee in den höchsten deutschen Spielklassen eingesetzt werden könnten? Eine genaue Situation oder ein Datum gibt es dafür, glaube ich, nicht. Als ich mit 20 Jahren jüngster Regionalliga-Schiedsrichter Deutschlands war, also in der 4. Liga, habe ich erst realisiert, dass ich tatsächlich zu den besten 100 Schiedsrichtern in Deutschland gehöre. Der Weg dorthin ging wirklich sehr schnell und war sicherlich eine Ausnahme, da ich im Kreis und im Verband sehr früh gefördert wurde. Da gehört natürlich auch das Glück dazu, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Wie kam es, dass Ihr Name im Wettskandal auftauchte? Ich hatte eine Partie in der Regionalliga gepfiffen, bei der es einen hohen Wetteinsatz gab. Durch die zahlreichen Ermittlungen und komplexen Vorgänge ist das Spiel dann in den Fokus gerückt – zwangsläufig somit auch der Schiedsrichter. Mein Name oder meine Telefonnummer werden allerdings nirgendwo genannt. In dem Fall war ich zur falschen Zeit am falschen Ort.
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Wie sind Sie mit den damaligen Anschuldigungen im Wettskandal umgegangen? Ist im Laufe der Zeit Normalität eingekehrt? Spüren Sie noch etwas von den fälschlichen Anschuldigungen? Haben Sie sogar überlegt, alles hinzuwerfen? Zu der Zeit befand ich mich in der Endphase meines Studiums und hatte viele andere Dinge zu tun, die mich abgelenkt haben. Natürlich war auch die Unterstützung von der Familie und Freunden enorm. Ich wusste, dass an der ganzen Sache nichts dran sein wird, und habe die Ruhe bewahrt. Das war sicherlich eine entscheidende Eigenschaft. Die Normalität kam sehr schnell wieder zurück. Es ist auch nichts mehr hängen geblieben. Da mir die Schiedsrichterei sehr viel Spaß macht, gab es auch keine Gedanken, die Pfeife an den Nagel zu hängen. Beschreiben Sie mal, wie es ist, mit den „Profis“ auf dem Platz zu stehen. Wo liegen die Unterschiede zu unterklassigen Partien? Sicherlich haben die Profis auch mehr „Druck“, sind viel fokussierter und vor allem spieltaktisch anders geschult. Grundsätzlich wollen sie aber wie die Amateure auch „nur“ Fußball spielen. Gravierende Unterschiede gibt es nicht. Es gibt weniger respektvolle Spieler in allen Spielklassen genauso wie freundliche und leicht umgängliche Spielertypen. Sie haben in Ihren jungen Jahren bereits viel erreicht. Wie lauten Ihre weiteren Ziele als Referee? Grundsätzlich möchte ich mich natürlich erst einmal in der 2. Bundesliga etablieren. Nach vier gut gelaufenen Partien fühle ich mich in der neuen Spielklasse angekommen. Das große Ziel ist, einmal in der Bundesliga zu pfeifen. Mal sehen, ob das klappt.
"Mit guten Leistungen für Bundesliga empfehlen"
Wann sehen wir Sie denn wohl als Spielleiter in der ersten Liga? Das eine gute Frage, die ich leider nicht beantworten kann. Ich kann mich nur durch meine Leistungen auf dem Spielfeld anbieten und abwarten, ob das für den Sprung in die Bundesliga reicht. Das Derby Schalke gegen Dortmund darf nicht von Ihnen geleitet werden. Sind Sie selbst Fußballfan? Mittlerweile nicht mehr. Da steht die Neutralität über allem und ich schaue die Spiele auch mittlerweile fast nur noch aus Schiedsrichter-Sicht. Wie bereiten Sie sich auf Spiele vor? Grundsätzlich lese ich mir vor dem Spiel alles Relevante zum Kader durch: Wie spielt die Mannschaft, welche Spielertypen gibt es. Dazu kommen natürlich noch weitere Faktoren wie ggf. die Brisanz, Vorgeschichten und vieles Weiteres. Man darf sich als Schiedsrichter nach Möglichkeit nicht überraschen lassen.
"Konzentration liegt auf dem Spielfeld"
Wie geht man eigentlich damit um, wenn man von Zigtausenden ausgepfiffen bzw. Ihre Leistung als Schiedsrichter angezweifelt wird? Da habe ich mittlerweile ein dickes Fell. Das bedeutet aber nicht, dass ich nicht selbstkritisch mit den Entscheidungen umgehe. Falls das Auspfeifen berechtigt war, versuche ich es natürlich besser zu machen. Man nimmt aber weniger wahr als vermutet wird. Es ist aber auch von der Art des Stadions abhängig. In kleinen, engen Stadien ist es gefühlt lauter. Die Konzentration liegt aber eindeutig auf dem Spielfeld, so dass nur noch wenig für die Begleiterscheinungen frei bleibt. Sie sind als vierter Offizieller in der Bundesliga aktiv. Wie ist das, zwischen zwei Trainerbänken zu stehen? Sehr unterschiedlich. Es hängt viel vom Spielcharakter und Spielstand ab. Die Emotionalität an den Bänken ist auf jeden Fall noch mal intensiver als in der 2. Bundesliga. Es gibt deutlich mehr Medienpräsenz. Alles in allem aber auch eine spannende Aufgabe. Wie setzen Sie sich als junger Schiedsrichter gegen erfahrene aufgebrauste Spieler, Trainer und Manager wie etwa Rudi Völler am Spielfeldrand durch? Ich versuche immer, eine gewisse Sachlichkeit hereinzubringen und respektvoll mit allen Beteiligten umzugehen. Natürlich bringe ich auch ein gewisses Verständnis auf. Ich scheue aber auch keine klaren Ansagen, wenn die Gefahr besteht, dass Grenzen überschritten werden. Bisher bin ich mit diesem Kurs gut gefahren.
Für den Einsatz technischer Hilfsmittel
Was halten Sie von der Entlastung der Schiedsrichter durch moderne Techniken? Ich bin ein absoluter Befürworter der in der Bundesliga eingeführten Torlinien-Technologie, weil diese Schwarz-Weiß-Entscheidung zuverlässig gelöst werden kann. Auch andere Unterstützung kann ich mir vorstellen – solange der Charakter des Spiels nicht verändert wird und eine schnelle Lösung möglich ist, beispielsweise bei Abseitstoren.
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