Windkraft in Lennestadt: Hintergründe und Pläne auf einen Blick
LokalPlus-Interview
- Lennestadt, 20.02.2022
- Verschiedenes
- Von Kerstin Sauer
Lennestadt. Aufhebung des Bebauungsplanes, Vorrangzone, Einstellung Bauleitverfahren: Das Thema Windenergie ist in Lennestadt derzeit überall präsent – doch was bedeuten diese Fachausdrücke eigentlich? Wie ist der Stand der Planungen, wo sollen Windkraftanlagen entstehen? Im großen LokalPlus-Interview klären Beigeordneter Karsten Schürheck und Michael Trilling (Stadtplanung) auf.
Was sind Vorrangzonen?
Im gesamten Außengebiet einer Kommune dürften Windkraftanlagen – gebunden an bestimmte Vorgaben – gebaut werden. Um aber zu vermeiden, dass überall gebaut wird, kann eine Kommune Flächen bestimmen, wo Windkraft entstehen könnte. Das ist die sogenannte Vorrangzonenplanung. Wenn diese rechtswirksam ist, darf nur dort Windkraft entstehen. Die Anforderungen an diese Zonen sind aber von der Rechtsprechung so verschärft worden, dass eine rechtsichere Planung derzeit so gut wie unmöglich ist.
Das heißt?
Seit 2002 gab es in NRW keinen (bekannten) Flächennutzungsplan, der in einem Normenkontrollverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht Bestand hatte. Daher ist eine Windkraftsteuerung über eine Vorrangzonenplanung derzeit gar nicht möglich.
Auch der zeitliche Faktor spielt eine Rolle: Oft steht erst nach vier bis fünf Jahren (Planung der Kommunen und gerichtliche Überprüfung) fest, ob die Planung Bestand hat. In dieser Zeit ändern sich zudem die rechtlichen und formalen Vorgaben. Viele Vorrangzonen sind damit dann wieder unwirksam. Einige Kommunen halten trotzdem an dieser Art der Planung fest, weil sie hoffen, dass sie die Verteilung der Anlagen damit in der Hand haben.
Die Stadt Lennestadt hat die Steuerung über eine Bauleitplanung aufgegeben. Für welchen Weg haben Sie sich entschieden?
Die Stadt Lennestadt plant derzeit nicht aktiv. Wir warten ab, bis ein Investor mit seinen Plänen auf uns zukommt. Das ist der Moment, wo wir sofort die Politik und die Öffentlichkeit informieren, ohne dass bereits Entscheidungen getroffen sind.
Stichwort Energiewende: Wieviel Fläche muss eine Kommune für Windkraftanlagen zur Verfügung stellen?
Die Kommunen sind angehalten, der Windenergie substanziell Raum zu schaffen. Ganz grob sollen rund 10 Prozent der zur Verfügung stehenden Flächen der Windenergie zur Verfügung stehen. Diese Vorgabe gilt allerdings nur für die Vorrangzonenplanung. Tatsache ist: Wir kommen als Kommune nicht an Windkraft vorbei, verfolgen aber das Ziel, dass sie so vernünftig und wenig beeinträchtigend für den Bürger wie möglich ist.
Wo möchten Investoren gerade in der Lennestadt planen?
Die Firma Abo-Wind hat für den Bereich Oedingerberg/Cobbenrode/Bracht einen Genehmigungsantrag (Kreis Olpe) gestellt. Ebenso die Stöppelwind GbR für den Bereich Stöppel. Diese Pläne sind von allen am weitesten fortgeschritten. Das sind übrigens die Flächen, wo wir als Stadt immer gesagt haben: Dort können wir uns Windkraft vorstellen, dort sind die wenigstens Beeinträchtigungen gegeben.
Zu beiden Verfahren haben wir dem Kreis Olpe das gemeindliche Einvernehmen erteilt. Dort laufen jetzt Genehmigungsverfahren inklusive Prüfungen zum Arten- und Umweltschutz. Nach eventuellen Nachbesserungen würde der Kreis dann seine Genehmigung erteilen. Wir gehen davon aus, dass die Genehmigung für Oedingerberg bis Sommer erteilt werden könnte. Im Bereich Stöppel wird bautechnisch dieses Jahr wohl nichts mehr entstehen.
Welche weiteren Planungen gibt es im Stadtgebiet?
Im Bereich Kirchveischede sind die Investoren Ostwind und VSB auf die Stadt zugekommen. Darüber haben wir im zuständigen Ausschuss sofort informiert. Nach aktuellem Stand plant Ostwind acht Standorte und VSB vier. Teilweise überschneiden sich die Vorstellungen der Investoren. Da auch von Attendorner Seite geplant wird, haben die Bewohner des Veischedetals verständlicherweise die Sorge vor einer „Umzingelung“, das heißt, dass in allen Richtungen Windkraftanlagen zu sehen sind. Da würde die Stadt Lennestadt aber dann Stellung zu nehmen mit der Bitte, auf die Bürger besondere Rücksicht zu nehmen.
Des Weiteren plant Mark E eine einzelne Anlage auf der anderen Seite von Kirchveischede und in Obermelbecke/Elsperhusen plant Juwi-Wind. Alle diese Bereiche, die jetzt im Rennen sind, hätten wir wahrscheinlich auch bei einer Vorrangzonenplanung zur Verfügung gestellt.
Windkraft spaltet die Gemüter: Die einen wünschen sich mehr Anlagen, die anderen möchten den Bau verhindern. Können Sie diese Sorgen verstehen?
Natürlich haben wir Verständnis für die Sorgen der Bürger. Daher möchten wir für sie so wenige Beeinträchtigungen wie möglich. Wir sind aber nicht Herren des Verfahrens, haben also nur bedingt Einfluss. Die Investoren versuchen immer mehr, den Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen: Über Auflagen können die Abschaltzeiten festgelegt werden, und das oft kritisierte ständige Blinken der Anlagen kann heute über neue Systeme ganz abgeschaltet oder nur bei Bedarf eingerichtet werden.
Was kann in Sachen Windkraft zusätzlich noch alles auf die Stadt Lennestadt zukommen?
Wir gehen zurzeit nicht davon aus, dass außer den von uns vorgesehenen „weißen Flecken“ – das sind die Flächen, wo wir uns als Stadt Windkraft vorstellen könnten – noch mehr passiert in Lennestadt.