Weihnachten fast wie zu Hause: Eine syrische Familie erzählt
Von Aleppo nach Meggen
- Lennestadt, 24.12.2019
- Von Kerstin Sauer
Meggen. Sie sind in Meggen angekommen. Haben Freunde, Familie, Kontakte, engagieren sich, fühlen sich hier wohl. Doch die Sehnsucht nach der alten Heimat Aleppo in Syrien und nach der Familie, die sie dort vor fast sechs Jahren zurückgelassen haben, begleitet Familie Sayess durch ihren Alltag. Vor allem an Weihnachten – dem Fest der Liebe, dem Fest der Familie.
Das Blickfang im Raum: der geschmückte, leuchtende Weihnachtsbaum, unter dem eine selbst gebastelte Krippe steht. „Die hat Papa gemacht und ich habe ihm geholfen“, sagt die achtjährige Stephanie stolz und deutet auf die fünf kleinen Personen, die Hand in Hand vor dem Häuschen stehen: Papa, Mama und die drei Mädchen.
Das Lächeln ihrer Mama Paola wird etwas wehmütig. Ihre Erinnerungen an die alte Heimat sind so präsent wie eh und je. „Wir haben immer mit der ganzen Familie gefeiert, das Haus war voll“, erzählt sie. Die Gemeinde der katholischen Christen in Aleppo war klein, ist heute noch kleiner – doch der Zusammenhalt war und ist groß.
Das Weihnachtsfest war, wie für alle Christen, ein wichtiges Kirchenfest im Jahr. Allerdings, so berichtet Paola, ist nur der 25. Dezember in Syrien ein offizieller Feiertag, denn: „Die Mehrheit der Menschen dort sind Muslime.“
Nach dem Essen gehen die meisten katholischen Christen in Syrien in die Christmette. Am ersten Weihnachtstag wird weiter gefeiert. Dann finden in den Restaurants und Pubs in Syrien Partys statt.
Apropos Freude: Der Wunschzettel der Mädchen wurde schon abgeholt, Stephanie hofft auf Bastelsachen, während die fünfjährige Christa-Maria gerne eine Meerjungfrau bekommen würde. Und Joy? „Die wünscht sich ein Mobile“, sind sich die Schwestern sicher. Wie in Syrien, so geht die Familie an Heiligabend auch in Meggen in die Kirche. „Mit Kinder-Katechese“, wissen Paola und Naim. Danach gibt es bei der Oma Geschenke. Am ersten Weihnachtstag gehen alle zusammen essen.
Mit Tränen in den Augen verfolgt die junge Frau die Szenen im Fernsehen. „Wir vermissen unsere Straßen und unsere Leute.“ Beim Bild einer zerbombten Kirche sagt sie leise: „Dort in der Nachbarschaft wohnt meine Familie, meine Mutter, mein Vater, mein Bruder und meine Schwester. Sie haben meine jüngeren Töchter noch nie gesehen.“
Die Situation in Aleppo, so berichtet das Ehepaar, habe sich etwas entspannt, aber sei noch nicht stabil. Paola Rakhtawan: „Die wirtschaftlichen Gegebenheiten sind sehr schwer, aber die Menschen kämpfen und versuchen zu sagen: Wir bleiben hier und möchten alles wieder aufbauen, aber dafür brauchen wir Frieden.“ Ihr Weihnachts-Wunsch? „Wir wünschen uns nur, dass die Menschen in Syrien endlich in Frieden leben können, wie sie es möchten. Wir glauben fest daran, dass Gott auf sie aufpasst.“
Ein neues Leben in Meggen
In Syrien, so berichten sie, war die Angst ihr ständiger Begleiter: Naim Sayess, der in Aleppo einen eigenen Laden für Autoteile führte, war im Armee-Alter, jeden Tag hätte er eingezogen werden können.
Während sich Paola Rakhtawan im örtlichen Kindergarten als Elternbegleiterin engagiert, nimmt Naim an verschiedenen Sprachkursen teil, um seine Berufschancen zu verbessern. Eine Arbeitsstelle in Grevenbrück hat er verloren. Er hofft, mit Sprach-Zertifikaten eine neue Arbeitsstelle zu finden.
Stephanie geht in die dritte Klasse der Meggener Grundschule und hat viele Freunde. In diesem Jahr zieht sie sogar als Sternsinger durch die Straßen, 2020 feiert die Familie ihre Erste Heilige Kommunion. Die fünfjährige Christa-Maria besucht den Kindergarten St. Bartholomäus in Meggen.
Die Angst, nicht in Deutschland bleiben zu dürfen, begleitet die junge Familie täglich: „Die Erlaubnis wird immer wieder verlängert, es ist nicht sicher, ob wir hier bleiben dürfen. Wir versuchen gut zu sein und halten uns an die Regeln, aber die Unsicherheit ist schwer.“