Ukrainer flüchtet nach Lennestadt und bekommt Jobangebot im Friseursalon

Jens und Marina Hardenacke unterstützen junges Paar


  • Lennestadt, 01.04.2022
  • Ukraine
  • Von Christine Schmidt
    Profilfoto Christine Schmidt

    Christine Schmidt

    Redaktion


    E-Mail schreiben
Topnews
Valeria (23) und Paul (21) sind aus der Ukraine geflüchtet. Sie sind in Lennestadt angekommen und Paul hat bereits eine Arbeitsstelle. von Tine Schmidt
Valeria (23) und Paul (21) sind aus der Ukraine geflüchtet. Sie sind in Lennestadt angekommen und Paul hat bereits eine Arbeitsstelle. © Tine Schmidt

Meggen. Seit Mittwoch sind Paul und Valeria in Lennestadt. Gefasst, aber dennoch mit leerem Blick, sitzt das junge ukrainische Paare im Friseursalon Hardenacke in Meggen. Die beiden sind geflüchtet. Marina und Jens Hardenacke haben das Paar nach Deutschland geholt. Sie geben Paul einen Job als Barbier.


Was das junge Paar hinter sich hat, verschlägt einem die Sprache. Marina Hardenacke, Inhaberin des Salons, und ihre Angestellte Delia Ebers sind immer noch fassungslos. Die beiden Frauen haben das Paar vom Bahnhof abgeholt, es in Lennestadt untergebracht und sich um alles gekümmert.

Deutsch können Paul (21) und Valeria (23) nicht. Nur wenige Brocken Englisch. Delia Ebers kann die russische Sprache und übersetzt alles.

Es gab nur eine Option

Aber von vorne. Paul und Valeria kommen gebürtig aus Krywyj Rih im Südosten der Ukraine. Beide haben eine lange Flucht hinter sich. Und das, obwohl Paul - ukrainisch Pascha - gar nicht hier sein dürfte. Eigentlich hätte er für sein Land kämpfen müssen, aber es habe Komplikationen und Missverständnisse gegeben. Also blieb für beide nur die Option, ihr Heimatland zu verlassen.

Die Ausreise war alles andere als leicht. Von der Ukraine bis Moldawien war Paul zu Fuß unterwegs, um nicht entdeckt zu werden. Er rannte und rannte. Durch den Wald bis an die Grenze Moldawiens. Valeria war alleine mit dem Auto unterwegs. Von Moldawien aus fuhren sie dann gemeinsam durch Rumänien bis nach Serbien.

Marina Hardenacke (li.) und Delia Ebers (re.) kümmern sich um Valeria und Paul. von Tine Schmidt
Marina Hardenacke (li.) und Delia Ebers (re.) kümmern sich um Valeria und Paul. © Tine Schmidt

Marina Hardenacke stieß über Facebook auf einen befreundeten Friseur-Kollegen und dessen Aufruf. Der Kollege setzt sich speziell für Friseure aus der Ukraine ein. Schon rund 50 Menschen konnte er vermitteln. „Das hat sich so toll angehört“, erzählt Marina Hardenacke. „Da war es für mich und meinen Mann Jens keine Frage mehr, zu helfen.“ Paul kann im Salon als Barbier (An. d. Red. Friseur für männliche Kunden) arbeiten.

Marina und Paul kommunizierten über die sozialen Medien, mit Übersetzungs-Apps kein Problem mehr. Nur Misstrauen machte sich bei dem ukrainischen Paar breit. Marina Hardenacke zeigt die Nachricht: „Wieso wollt ihr uns helfen?“, fragte der junge Friseur skeptisch. Natürlich hatte er Angst, was ihn und seine Freundin erwarten würde.

Innerhalb von 5 Tagen nach Lennestadt

Delia Ebers übersetzt die Worte der beiden: „Auch wenn wir diese Menschen nicht kennen, wir müssen diesen Schritt wagen. Auch wenn es eine sehr tragische Situation ist, sind wir sehr froh, jetzt hier sein zu dürfen.“

Denn dann ging alles ganz schnell „Wir hatten am Samstag das erste Mal geschrieben, mittwochs waren beide schon hier in Lennestadt“, erzählt die Friseurmeisterin. Über Facebook suchte der Salon nach einer Wohnung für Paul und Valeria. „Diese Hilfsbereitschaft hier ist unglaublich“, erzählt Hardenacke. Tatsächlich wurde eine möblierte Einliegerwohnung für beide gefunden. Familie Urban aus Altenhundem möchte Valeria und Paul aufnehmen.

Nur mit Koffer und zwei Hunden

Viel hatten die beiden nicht dabei. Marina Hardenacke erzählt, Paul und Valeria seien nur mit einem Koffer aus dem Zug ausgestiegen. Und mit ihren zwei Hunden. „Das zeigt mir schon, was das für Menschen sind. Nehmen ihre Hunde mit, haben aber für sich nur einen Koffer dabei“, erzählt sie gerührt.

Als Marina Hardenacke und Delia Ebers das Paar abholten, lagen sich alle nur in den Armen. „Wir und auch die beiden hatten nur Tränen in den Augen“, erzählt Delia Ebers.

Sirenen heulen Tag und Nacht

Denn was Valeria und Paul in der Ukraine erlebt haben, macht das ganze Team fassungslos. Die beiden erzählen, dass sie nachts kaum geschlafen haben. Tag und Nacht heulten die Sirenen. In ihrem Haus mit mehreren Wohnungen hielten sie sowie alle Freunde sich nur im Flur oder Keller auf, um möglichst weit weg von den Fenstern zu sein. Die 23-Jährige redet nur ungern über das Erlebte, die psychische Belastung ist enorm.

Valerias Mutter und Großeltern sind in der Ukraine geblieben. Während des Gesprächs spricht sie mit ihrer Mutter über Videotelefonie. Die Mama weint vor Freude, weil sie ihre Tochter in Sicherheit weiß.

Paul (zweiter von links) freut sich, hier bald als Barbier arbeiten zu dürfen. von Tine Schmidt
Paul (zweiter von links) freut sich, hier bald als Barbier arbeiten zu dürfen. © Tine Schmidt

In Sicherheit sind sie. Und Paul, dessen ganze Leidenschaft das Haareschneiden ist, kann voraussichtlich in zwei bis drei Wochen seinen neuen Job antreten. Darauf freue es sich riesig, erzählt der 21-Jährige, der am liebsten schon jetzt loslegen würde.

Zurück können und wollen die beiden nicht. Paul würde aufgrund der Militär-Verweigerung eine Haftstrafe erwarten. Für beide beginnt also nun hier in Lennestadt ein Neustart.

Artikel teilen: