Nötigung und Beleidigung: Die Suche nach der wahren Geschichte

Verfahren gegen 19-Jährigen eingestellt


  • Lennestadt, 05.05.2021
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  • Von Kerstin Sauer
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 von Adam Fox
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Grevenbrück. Nötigung, schwere Nötigung, Beleidigung: Die Liste der Anklagepunkte gegen den 19-jährigen Kirchhundemer war lang. Ginge es nach ihm, seinem Zwillingsbruder und einem Freund, so traf keiner der Punkte zu. Der betroffene Zeuge indes sah das vor dem Amtsgericht in Grevenbrück ganz anders. Nur – wer sagte jetzt die Wahrheit?


Zwei Taten standen im Raum, die eine aus dem Juni 2020, die zweite aus dem August. Beide mit ähnlichem Hergang: Der Angeklagte soll mit seinem Pkw gedrängelt, angehalten und die Fahrer der betroffenen Autos beschimpft haben – einmal in Kirchhundem, einmal in Albaum.

Aggressiver Fahrer

Der 50-jährige Zeuge des ersten Vorfalls sprach von Provokation, Licht- und Handzeichen sowie übelsten Schimpftiraden. Die beiden Brüder seien in dem Pkw gewesen, wobei nach dem Anhalten von dem Fahrer – dem Angeklagten – die größere Aggression ausgegangen sei. Wer wann und warum genau angehalten habe, konnte der Zeuge nicht mehr genau rekonstruieren.

Der Angeklagte jedoch erinnerte sich scheinbar genau. Und erzählte eine komplett andere Geschichte. Demnach sei der Zeuge hinter ihm gefahren, habe gedrängelt und Handzeichen gemacht. Sein Zwillingsbruder bestätigte diese Aussage fast aufs Wort, der gemeinsame Kollege ebenfalls. Dass dieser als dritter Mitfahrer im Auto gesessen habe, konnte der 50-jährige Zeuge jedoch nicht bestätigen: „Die waren nur zu zweit.“

Beleidigungen und Drohungen? Niemals!

Ungereimtheiten auch bei der weiteren Aussage des Angeklagten: Sein Bruder habe den Zeugen nach dem Anhalten zur Rede gestellt, er selbst sei erst später dazu gekommen. Beleidigungen und Drohungen? Die habe es nicht gegeben, im Gegenteil: Der 50-Jährige habe auf die Frage, warum er so gedrängelt habe, keine Antwort gegeben und nach seinem Pfefferspray gegriffen. Woraufhin die Brüder sich wieder entfernt hätten und weiter gefahren seien.

Ähnlich der zweite Vorfall im August: Laut Anklage fuhr der 19-jährige Kirchhundemer hinter einem Wagen, drängelte, hielt an und drohte dem Fahrer Prügel an. Der Angeklagte sah das anders: „Der Mann hat gedrängelt, ich wollte keinen Ärger.“

Räuberpistolen?

Zu der Anhörung des zweiten Zeugen kam es erst gar nicht: Nachdem alle Zeugen zum ersten Vorfall gehört worden waren, gab Richter Stephan Schmelzer eine kurze Einschätzung: „Ich glaube dem Zeugen und halte die Tat für gegeben. Es ärgert einen schon, wenn hier Räuberpistolen aufgetischt werden.“

Da der Angeklagte bisher strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist, wurde das Verfahren eingestellt unter der Auflage, dass der 19-Jährige 600 Euro an die Landeskasse zahlen muss. „Ich hoffe, ich sehe Sie hier nicht wieder“, schloss Richter Stephan Schmelzer die Verhandlung.

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