Mit dem Rollstuhl durch Altenhundem: Marco Schultze macht den Test

Von Pflastersteinen und anderen Problemen


  • Lennestadt, 23.08.2020
  • Von Anna Neus
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In sein Büro kommt Marco dank des neuen Aufzugs problemlos. von Anna Neus
In sein Büro kommt Marco dank des neuen Aufzugs problemlos. © Anna Neus

Altenhundem. Kopfsteinpflaster, hohe Bordsteinkanten und kurze Grünphasen – mit solchen Problemen hat Marco Schultze, Mitarbeiter von Ontavio und LokalPlus, zu kämpfen: Der 33-Jährige sitzt im Rollstuhl und hat schon bei der kleinsten Unebenheit auf der Straße Probleme. LokalPlus-Mitarbeiterin Anna Neus hat ihn auf seinem Nachhauseweg begleitet und gesehen, dass eine Tour durch Altenhundem gar nicht so einfach ist, wie es immer scheint.


Im Bürogebäude in der Hundemstraße 2 geht es los. Marco arbeitet im ersten Stock. Dank des neuen Fahrstuhls kann er problemlos runter fahren. Unten angekommen, taucht aber schon das erste Problem auf: Pflastersteine. Schwer zu meistern, wenn man im Rollstuhl sitzt, weiß Marco: „Ich bleibe in den Lücken hängen und komme nur schlecht weiter.“
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Marco ist froh, dass er in der Altenhundemer Innenstadt in den Lennewiesen wohnt und so nicht mehr auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen ist. Das erklärt er, als er Richtung Bahnhof rollt: Auf den ersten Blick sieht dieser barrierefrei aus und hat sogar einen Fahrstuhl. „Wenn man Glück hat, funktioniert er auch“, sagt Marco lachend. Häufig ist es aber so, dass der Fahrstuhl außer Betrieb ist oder Marco an einem Bahnhof aussteigen will, der gar nicht barrierefrei ist. So würde er gar nicht vom Bahnsteig wegkommen.

Weiter auf dem Weg durch Altenhundem kommt der 33-Jährige an vielen Geschäften vorbei. Viele haben eine Stufe am Eingang. „Das sind solche Sachen, wo keiner drüber nachdenkt“, sagt Marco über die Hindernisse bei vielen Läden, Kneipen oder anderen öffentlichen Einrichtungen.
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Weiter führt der Weg über die Straße. Das nächste Problem: die großen Bordsteinkanten und die kurzen Grünphasen. „Wenn ich auf der Hälfte der Straße bin, wird die Ampel schon wieder rot“, so Marco. Das ist auch schwierig, weil er bei den großen Bordsteinkanten einen Moment braucht, um überhaupt wieder auf den Bürgersteig zu kommen: stehen bleiben, Rollstuhl vorne hochhieven und dann mit großem Kraftaufwand über die Bordsteinkante. Das kann dauern.

Doch auch damit ist der Nachhauseweg noch lange nicht gemeistert – der Kampf gegen das Kopfsteinpflaster bleibt. Hat schon der Fußgänger Probleme, darauf zu laufen, so muss Marco um ein Vielfaches mehr kämpfen. Und das kostet Kraft.
Umweg durchs Wigey
„Das ist nur eine Falle für Rollstuhlfahrer. Diese Steine habe ich schon öfter verflucht“, erzählt der junge Mann. So kommt es auch öfter dazu, dass Marco einen kleinen Umweg zur Arbeit auf sich nimmt, um nicht an den Kanten und Lücken der Steine hängen zu bleiben: Er wählt im Sommer den Weg durch das Wigey, über einen gepflasterten Waldweg, der für ihn viel einfacher ist als die Pflastersteine der Innenstadt – aber auch viel länger als der Weg durchs Altenhundemer Zentrum. Nur im Winter führt ihn der Weg über die Pflastersteine, da nur dort geschoben wird.
Steiler Berg zur Kirche
Marco wirft einen Blick hoch zur Altenhundemer St.-Agatha-Kirche. „Da war ich schon lange nicht mehr“, sagt er – was aber nicht an der Kirche, sondern an dem Weg dorthin liegt: Der Berg ist einfach zu steil und ohne fremde Hilfe nicht zu schaffen.

„Eine Steigung von fünf bis zehn Prozent ist schon schwierig und wäre ohne den elektrischen Antrieb an meinem Rollstuhl nicht machbar“, weiß Marco. Den Schützenfestzug kann Marco übrigens komplett mitfahren: An der Kirche finden sich immer wieder nette Schützenbrüder, die ihn den Berg hinauf schieben.
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Zwischenstopp im Needles & Pins: „Dies ist die einzige Kneipe in Altenhundem, die ich besuchen kann, da sie komplett barrierefrei ist“, sagt Marco. Häufig gib es bei anderen Einrichtungen, wenn nicht am Eingang, spätestens bei der Toilette eine Stufe, so dass diese unerreichbar für einen Rollstuhlfahrer bleibt.

„Ich bin hier eigentlich schon ein Stammgast“, sagt Marco, der gerne seine Abendstunden dort verbringt, um Fußball zu gucken oder auch um einfach nur etwas zu trinken. „Hier gehe ich immer gerne hin, weil die Leute alle so nett sind.“ Prost!
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Die Schützenhalle ist der nächste Stopp. Marco lächelt, denn er kann trotz seines Rollstuhls die Schützenhalle an Karneval oder Schützenfest besuchen. Eine Rampe führt in den großen Saal. So muss Marco bei kleineren Veranstaltungen zwar einen Umweg in Kauf nehmen, aber: „Diese Umstände nehme ich lieber hin, als gar nicht rein zu kommen“, sagt der Schützenfest-Fan lachend.

Neben der Schützenhalle und seiner Stammkneipe lobt Marco auch die öffentliche barrierefreie Toilette in der Innenstadt sowie die barrierefreien Zugänge zu Sparkasse und Volksbank: eine große Erleichterung für den Alltag des 33-Jährigen. Trotzdem würde sich Marco über noch mehr Barrierefreiheit in der Innenstadt und in einigen Geschäften freuen.
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