Khoshnav Shekho: „Wenn ich etwas will, dann schaffe ich es auch“

Vom Flüchtling zum Kfz-Meister


  • Lennestadt, 13.10.2022
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Khoshnav Shekho wollte es allen beweisen und machte nicht nur eine Ausbildung, sondern auch seinen Kfz-Meister. von Tine Schmidt
Khoshnav Shekho wollte es allen beweisen und machte nicht nur eine Ausbildung, sondern auch seinen Kfz-Meister. © Tine Schmidt

Lennestadt. Vom Flüchtling zum Kfz-Meister: Vor sechs Jahren ist Khoshnav Shekho aus Syrien geflüchtet. Heute hält er stolz seinen Meisterbrief in der Hand. Acht Monate Fleiß, Ehrgeiz, Nachtschichten und Verzweiflung liegen hinter ihm. LokalPlus traf den jungen Mann im Autohaus Picker zum Gespräch.


Khoshnav Sheko aus Lennestadt hat eine harte Zeit hinter sich. Von Februar bis September besuchte er die Meisterschule in Arnsberg, in Vollzeit. Was für Muttersprachler schon eine enorme Hürde darstellt, war für den Syrer aufgrund der sprachlichen Barriere eine absolute Herausforderung.

„Eigentlich konnte ich mir nie vorstellen, etwas mit Autos zu machen“, erzählt der 30-Jährige. Aber was mit einem Praktikum im Autohaus Picker 2018 anfing (LP berichete), ist heute seine große Leidenschaft.

Flucht durch Eiseskälte

Bis dahin war es ein langer und harter Weg für Khoshnav Shekho. Aus Syrien floh der heute 30-Jährige über die Türkei und Griechenland. Mit dem Boot, zu Fuß durch den Schnee, monatelanges Warten an der Grenze Mazedoniens. Khoshnav erzählt lange und detailliert von seiner Flucht – das Erlebte kann er nicht vergessen.

Er erzählt, wie er im tiefsten Schnee über Berge stapfte und das Baby einer Frau in seiner Gruppe trug. „Das Kind lief irgendwann blau an, war durchgefroren, weil wir durch einen Fluss gegangen sind“, so Khoshnav. Die Verantwortung wollte er nicht auf sich nehmen, gab der Frau ihr Kind zurück. Das war eins der schlimmsten Erlebnisse seiner Flucht.

Sechs Monate auf der Flucht

„Ich konnte nichts mehr, hatte keine Kraft mehr“, so der Familienvater. Er dachte, das sei sein letzter Tag. Sechs Monate lang war er auf der Flucht, bis er dann endlich in Deutschland ankam. „Das war der 29. Mai“, weiß er noch ganz genau. Seine Frau war zu der Zeit bereits in Deutschland, daher wollte auch Khoshnav hierher.

In Lennestadt angekommen, eröffnete sich durch Familie Lange, bei der Khoshnav bis heute mit seiner Familie lebt, die Möglichkeit eines Praktikums im Autohaus von Rouven Picker.

Rouven Picker gab Khoshnav eine Chance und bot ihm nach dem Praktikum eine Ausbildung an. von Tine Schmidt
Rouven Picker gab Khoshnav eine Chance und bot ihm nach dem Praktikum eine Ausbildung an. © Tine Schmidt

„Ab da war ich wie ein kleines Kind, das laufen lernt“, muss Khoshnav heute lachen. „Ich wusste nichts über Autos. Aber ich wollte alles wissen und habe den Kollegen sicher Kopfschmerzen bereitet, weil ich so viel gefragt habe. Ab dem Zeitpunkt waren Autos mein Leben.“

Und obwohl es erst sein zweites Jahr in Deutschland war, gab Rouven Picken dem jungen Flüchtling die Chance, seine Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker zu machen – auch wenn der Berufsschullehrer anderer Meinung war.

Fünftbester der Klasse

Zu dem Zeitpunkt ahnte Picker noch nicht, wie viel Eigenleistung und Fleiß Khoshnav in seine Ausbildung stecken würde. Der 30-Jährige schaute sich nach der Arbeit Videos an, übersetzte sich alles und lernte immer mehr. Nach dreieinhalb Jahren bestand Khoshnav seine Ausbildung im Januar dieses Jahres – und zwar als Fünftbester der gesamten Klasse.

Für den wissbegierigen Kfz-Experten nicht genug. Er wollte seinen Meister daraufsetzen. „Viele Leute haben gesagt, das schaffst du nicht, haben sich lustig gemacht“, erzählt er. Auch Rouven Picker war der Ansicht, dass es sehr, sehr schwer für den jungen Mann werden würde. Denn das Berufsbildungszentrum in Arnsberg habe ein hohes Niveau sowie eine hohe Durchfallquote.

Khoshnav Shekho von Tine Schmidt
Khoshnav Shekho © Tine Schmidt

„Und dann wollte ich es allen beweisen“, sagt Khoshnav energisch. „Ich kenne meine Leistung. Wenn ich etwas will, dann schaffe ich das auch.“

Vor dem Familienvater lagen harte acht Monate. Täglich acht Stunden Onlinekurs kaufmännische Grundlagen. „Und ich habe nichts davon verstanden“, erzählt er. Sein Deutsch sei zwar schon besser gewesen, aber in seinen Sprachkursen lernte er die gewöhnlichen, die alltäglichen Dinge. Nichts mit Buchhaltung und Kassensystemen.

Bis in die Nacht gelernt

Also hieß es noch mehr powern und reinklotzen. Khoshnav machte sich Notizen, nahm Szenen auf, übersetzte diese wieder und lernte bis nachts um zwei, drei Uhr. „Ich musste sehr viel geben und habe auch zwischendurch gezweifelt, ob ich das packe.“

Und wie sollte es anders sein, der Fleiß wurde belohnt: Khoshnav bestand und erhielt seinen Kfz-Meisterbrief. Als der 30-Jährige diese Nachricht vor Ort erfuhr, fiel die ganze Last von ihm. „Ich musste erstmal richtig laut weinen“, sagt er. In dem Moment löste sich die gesamte Anspannung.

Chance im Autohaus

Im Autohaus Picker soll es für ihn nun weitergehen. Rouven Picker ist ebenfalls mächtig stolz: „Der Ehrgeiz von Khoshnav sucht wirklich seinesgleichen. Natürlich hatte man am Anfang Vorurteile, weil auch wir hier unsere Erfahrung gemacht haben. Aber wir haben ihm die Chance gegeben und wurden eines besseren belehrt“, so der Geschäftsführer. „Das ist schon Wahnsinn, was er geleistet hat.“

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