Horrorshow und Irish-Folk-Punk lösen Sicherheitsabstand komplett auf

Stadtfest-Samstag in Lennestadt: Unterwegs zwischen den vier Bühnen


  • Lennestadt, 16.08.2015
  • Von Sven Prillwitz
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Ein selbstironischer Streifzug durch das Schlagergenre in Glitzer-Outfits. Stampfende Rockrhythmen mit Synthie-Gedudel im Grusel-Look. Erdiger Rock mit schnellen Mitsingmelodien in irischen Klamotten. Treibender Punkrock zu wildem Pogo in zerrissen Jeans. Und das alles in Altenhundem. An einem einzigen Abend. Samstagabend, um genau zu sein, beim 39. Stadtfest. Die Chronologie eines knapp zweistündigen Streifzugs zwischen den vier Bühnen im Ortskern.


21.11 Uhr: Dichtes Treiben auf dem Marktplatz, stellenweise kaum ein Durchkommen. Vor der Bühne sieht das anders aus: Hier ist ein breiter, menschenleerer Halbkreis. „Solid Seven“ arbeitet sich durch „So Lonely“ von „The Police“. Das löst vereinzeltes Kopfnicken im Takt aus, hier und da Hüftkreisen und vorsichtige Disco-Fox-Schritte mit sich selbst. Das Thekenpersonal ist derweil im Dauerstress. 21.22 Uhr: Auf dem Rathausplatz wird getanzt. Besser gesagt, vor dem rechten Bühnenrand: Zwei Mädels tanzen abwechselnd zusammen, dann im Wechsel mit einem Jungen. Ansonsten hält das Publikum auch hier noch Sicherheitsabstand zur Bühne, auf der die jungen Musiker von „CM-Travel“ ein Akustikset hinlegen.
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Horrorshow und Irish-Folk-Punk lösen Sicherheitsabstand komplett auf
21.34 Uhr: „Hey, yo!“, grölt der Sänger von „The O´Reillys and The Paddyhats“ am Altenhundemer Eck, während er den Zuhörern das Mikro entgegenreckt und auf der Bühnenkante balanciert. Das funktioniert, das Publikum grölt zurück. Und feiert die als Instrument angepriesene Eisenkette, die ein riesiger Rockabilly-Typ kurz darauf im Uffta-Uffta-Rhythmus mit einem Stick bearbeitet. Trotz Sicherheitsabstands: Der Irish-Folk-Punk sorgt sichtlich für Bewegung und Begeisterung.
Punkrock auf der Luftgitarre
21.48 Uhr: „Snareset“ hauen dem überwiegend jungen, überwiegend alternativen Publikum in Höhe des HitMarkts ihren letzten Song für diesen Abend um die Ohren. Poppig angehauchter Punkrock, der den völlig selbstvergessenen Luftgitarrenspieler vergessen lässt, dass er als einziger so nah vor der Bühne steht. Applaus für das Quartett, diverse Zuhörer fragen nach CD´s, darunter – natürlich - auch der Mann mit der Luftgitarre. Drei Jugendliche entdecken das Brüllen als Kommunikationsmethode. Klappt scheinbar. Belustigt auch die Umstehenden.
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Horrorshow und Irish-Folk-Punk lösen Sicherheitsabstand komplett auf
21.56 Uhr: Umbaupause auf der Bühne vor dem Rathausplatz. Die Mitglieder eines Meggener Kegelclubs sind gut drauf, behalten die Cocktailbar im Blick und sind an Strohhüten zu erkennen.
Work-Out am Altenhundemer Eck
22.04 Uhr: Folk-Punk entpuppt sich bislang als klarer Punktsieger. Der Sicherheitsabstand zur Bühne am Altenhundemer Eck ist bis auf einen Meter geschmolzen, die „O´Reillys“ haben das bis in die hinteren Reihen tanzende, johlende und klatschende Publikum jetzt voll und ganz im Griff. „Zugabe“-Rufe. Kurzzeitig Verwirrung auf der Bühne, ein Blick auf die Uhr. Die „Zugabe“-Rufe werden lauter. Also gibt´s noch einen Song obendrauf. Eine junge Frau im Fitness-Center-Outfit, die ihr Work-Out offensichtlich auf den Abend verschoben hat, hebt sich von der gutgelaunten, schunkelnden Masse ab.
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Horrorshow und Irish-Folk-Punk lösen Sicherheitsabstand komplett auf
22.15 Uhr: In engen Glitzeranzügen und mit großen, übertriebenen Gesten geben „Van Baker and Band“ Tony Christies „Amarillo“ auf dem Rathausplatz zum Besten. Eine kleine Gruppe Jugendlicher, getarnt mit Sonnenbrillen und ausgestattet mit Dosenbier, feiert das Quintett frenetisch am Seitenrand ab. „Ich sehe immer noch ein paar entsetzte Gesichter da unten. Die Anzüge haben mal gepasst“, sagt Sänger Jerome van Baker selbstironisch. Und weil seiner Ansicht nach Sommerhitze und Sex in einer Dachgeschosswohnung nicht zusammenpassen, gibt´s jetzt „Ein Bett im Kornfeld“ zu hören. 22.33 Uhr: „Davy Jones“ steht auf der Bühne am Hit Markt. Und weil das Publikum seiner Ansicht nach zu weit weg ist, beschimpft der Frontmann dieses unflätig. Scheint das richtige Mittel zu sein, alle machen drei Schritte nach vorne. Die, die sich näher herantrauen, tanzen zu druckvollem Punkrock Pogo oder fallen hin. Oder beides. Auf jeden Fall werden Unmengen an Bier und Energydrinks verschüttet. Kommt aber meistens gut an.
Disco-Fox auf Kopfsteinpflaster
22.48 Uhr: Die Jugendlichen, die vorhin noch am Rand standen, haben sich mittlerweile relativ weit an „Van Baker and Band“ herangetraut. Die Zuhörer tauen weiter auf, immer mehr Paare legen einen Disco Fox aufs Kopfsteinpflaster vor dem Rathaus. Ein älteres Ehepaar verheddert sich kurz in komplizierten Drehungen, bleibt aber im Rhythmus. 23.02 Uhr: Jetzt gibt´s wieder Folk, aber ohne Punk. Und mit deutlich weniger Tempo. Die „Ten Pints After“ legen am Altenhundemer Eck los. Das Publikum gibt sich zunächst reserviert. Oder hat sich zuvor zu sehr verausgabt.
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23.10 Uhr: Ein kleines bisschen Horrorshow auf dem Marktplatz: Ein in Zeitlupe headbangender Bassist, eine kleine Sängerin mit schwarzen Flügeln und ein Typ mit Stahlhelm und leuchtendem Keyboard als Blickfang. Basslastige, stampfende Musik – und dichtes Treiben vor der Bühne zu „Rammsteins“ altem Hit „Engel“. Binnen Sekunden sind die „Sidewalk DiscoRockerz“ kurz darauf kaum wiederzuerkennen – weder musikalisch noch modisch: In schwarzem Einheits-Look hauen sie dem Publikum jetzt „Linkin´ Park“ um die Ohren. Und lösen den nächsten Begeisterungssturm auf dem Marktplatz aus, auf dem es nun wirklich kein Durchkommen mehr zu geben scheint.
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