Freiwilliges Praktikum im Autohaus: Ein syrischer Flüchtling erzählt

Rouven Picker: „So viel Einsatz erlebt man selten“


Topnews
Per Diagnosesystem wird das Auto untersucht: Rouven Picker zeigt Khoshnav Shekho, wie das funktioniert. von Kerstin Sauer
Per Diagnosesystem wird das Auto untersucht: Rouven Picker zeigt Khoshnav Shekho, wie das funktioniert. © Kerstin Sauer

Altenhundem. Seit vier Wochen verstärkt Khoshnav Shekho das Team des Ford-Autohauses Picker in Altenhundem: Der 26-jährige Syrer, der aus seiner Heimat fliehen musste und in Deutschland ein neues Zuhause gefunden hat, absolviert hier ein Praktikum – mit viel Eifer, Wissensdurst und Freude an der Arbeit.


Khoshnav Shekho lacht. Offen, sympathisch, freundlich. In gut verständlichem Deutsch erzählt er von seiner Situation, seiner Flucht, seinem neuen Leben in Altenhundem – und vor allem von seinem Praktikum im Autohaus Picker. „Es gefällt mir sehr gut hier“, sagt er und blickt sich in der Werkstatt um. Drei Pkw stehen auf den Hebebühnen, an den Wänden hängen Werkzeuge, Reifen stapeln sich, im Hintergrund tönt leise Musik aus den Lautsprechern. Weiß er denn nach vier Wochen schon, wofür die Werkzeuge, Schrauben und Geräte sind? „Nicht alles“, antwortet der 26-Jährige – und lacht.

Und doch: Nach nur vier Wochen hat der junge Mann schon viel gelernt. Er, der in seinem Heimatland Syrien Agrartechnik studiert hat und mit dem Innenleben von Autos nie etwas zu tun hatte, wechselt heute Reifen und Bremsbeläge, übernimmt erste kleinere Reparaturarbeiten. Und betont: „Es macht großen Spaß.“
 von Kerstin Sauer
© Kerstin Sauer
Seinen Nachbarn, der Familie Lange aus Altenhundem, hat Khoshnav Shekho die Chance auf das Praktikum zu verdanken: Das Ehepaar hatte bei Facebook gesehen, dass Rouven Picker Unterstützung für sein Autohaus suchte – und stellte dem 45-Jährigen den jungen Syrer vor. „Wir hatten leider auch schon mal schlechte Erfahrungen gemacht“, erzählt Rouven Picker, daher sei er eher mit „vorsichtiger Erwartung“ in das Kennenlernen gegangen. Im Anschluss daran setzte sich das siebenköpfige Team des Autohauses zusammen und entschied einstimmig: Wir wollen Khoshnav Shekho dabei haben.

Das ist jetzt vier Wochen her. Seitdem besucht der junge Syrer morgens die Sprachenschule in Kreuztal und kommt direkt im Anschluss ins Autohaus Picker, um dort von 14 bis 17 Uhr praktische Erfahrungen zu sammeln. Um sich auf den Beruf des Mechatronikers, den er hier kennenlernt, vorzubereiten, hatte sich der 26-Jährige zuvor im Internet YouTube-Videos über Motoren und Getriebe informiert. „So viel Einsatz erlebt man selten“, weiß Rouven Picker.
Hilfreiche Kollegen
„Ich habe schon viel gelernt“, sagt Khoshnav Shekho und hievt einen Reifen auf die Reifenmontage-Maschine. Fachmännisch lässt er die Luft aus dem Reifen und löst ihn von der Felge. Wenn er Fragen hat, stehen ihm alle Kollegen gerne mit Rat und Tat zur Seite. „Das Klima ist super“, erklärt der 26-Jährige mit einem Grinsen. Und auch, wenn es mit der Sprache mal hapert: „Die Kollegen erklären mir alles genau.“

Und das macht nicht nur dem jungen Praktikanten, sondern auch dem Team Spaß, wie Rouven Picker mit Blick auf seinen neuesten Mitarbeiter betont: „Er ist total wissbegierig, guckt allen über die Schulter und stellt viele Fragen“, sagt der Autohaus-Chef. Und fügt lachend hinzu: „Er nimmt uns das Werkzeug schon fast aus der Hand.“ Lächelnd dankt Khoshnav Shekho für das Kompliment.
Bildergalerie starten
Freiwilliges Praktikum im Autohaus: Ein syrischer Flüchtling erzählt
Nur bei einem Thema weicht das Lächeln kurz von seinem Gesicht: Als er von seiner Heimat Syrien erzählt, von den Eltern und Geschwistern, die er dort zurücklassen musste. „Natürlich vermisse ich sie“, sagt er mit ernstem Blick, fügt aber sofort hinzu: „Ich hätte dort keine Zukunft gehabt.“

Im August 2014 verließ Khoshnav Shekho sein Zuhause, reiste in den folgenden Monaten auf verschiedenen Wegen durch die Türkei, den Irak, durch Griechenland und die Schweiz. Sein Ziel war Deutschland, denn dort wartete seine Verlobte Nazha auf ihn, die Syrien schon früher verlassen hatte. Einen Monat nach seiner Ankunft in Altenhundem Ende Mai 2016 heiratete das junge Paar, vor einem Jahr wurde Sohn Diyar geboren.

Um seiner kleinen Familie eine sichere Zukunft zu bieten, arbeitet Khoshnav Shekho von morgens bis abends. „Die Tage sind lang – aber das ist mir egal. Der Beruf macht mir Spaß.“
Ziel: Eine Ausbildung
Nach nur vier Wochen ist der 26-Jährige ein fester Bestandteil des Autohaus-Picker-Teams geworden. Und auch wenn das Praktikum bald endet: Rouven Picker möchte den jungen Syrer gerne als Auszubildenden behalten. „Er muss erst die Sprachenschule beenden und mit dem Jobcenter muss einiges geklärt werden – aber wenn alles gut geht, ist er ab Herbst fest dabei“, erklärt er.

Und Khoshnav Shekho strahlt.
Artikel teilen: