"Es ist die Vergänglichkeit, die mich so fasziniert"

Sechs Straßenmaler zeichnen auf dem Marktplatz ihr Kunstwerke zum Thema "Blumen"


Auf diesem 3-D-Bild von Winfried und Melina Berg sieht es so aus, als würde die kleine Gina in einem tiefen Abgrund auf einer Mauer stehen. von s: Kerstin Sauer
Auf diesem 3-D-Bild von Winfried und Melina Berg sieht es so aus, als würde die kleine Gina in einem tiefen Abgrund auf einer Mauer stehen. © s: Kerstin Sauer

Es regnete Bindfäden. Ohne Unterbrechung. Der letzte Tag des Altenhundemer Stadtfestes zeigte sich trüb und nass. Doch die sechs Straßenmaler, die aus verschiedenen Ecken Deutschlands angereist waren, ließen sich dadurch nicht abschrecken: Auf den Marktplatz zeichneten sie den ganzen Tag lang ihre Kunstwerke aus Kreide.


Elke Janßen hat Glück gehabt mit ihrem Platz: Windgeschützt in einer Häuserecke, halb von dem Dach überragt, kniet sie auf dem Boden. Ihr Kunstwerk ist fast fertig: Strahlend gelb der Hintergrund, im Vordergrund ein überdimensionaler Schmetterling, der auf einer Blume sitzt.
Die 23-Jährige aus Geldern, Gehaltsabrechnerin im wahren Leben, findet in der Straßenmalerei Ruhe und Entspannung. "Trotz Rückenschmerzen vom langen Bücken", sagt sie lachend. Die junge Frau malt, seit sie drei Jahre alt ist. Schon früh nahm sie gemeinsam mit ihrem Bruder an den Straßenmal-Wettbewerben in Geldern teil, gewann mit sieben ihren ersten Preis. Warum hat sie dann nicht einen künstlerischen Beruf ergriffen? Elke Janßen antwortet sofort: "Ich wollte etwas ganz anderes machen. Die Kunst ist der Ausgleich zu meiner Arbeit." Ihr Vater Jürgen malt sein Kunstwerk unter einem Pavillon direkt gegenüber. "Acht Stunden werde ich dafür etwa brauchen", weiß der Hobby-Maler, der - wie seine Kollegen - seit 9.30 Uhr auf dem Marktplatz am arbeiten ist.
Jürgen Janßen malt seit 21 Jahren, "immer als Hobby", sagt er. Zum Thema "Blumen" hat er sich für ein Mädchen mit einem Strauß in der Hand entschieden. Er ist fast fertig und weiß, was er und seine Mitstreiter an diesem Tag geleistet haben. "Das Wetter ist einfach fürchterlich." Apropos Wetter: Was passiert, wenn die Pavillons abgebaut werden? Fließen die Kunstwerke dann sofort als bunte Brühe in den Abfluss? "Nein", sagt die 21-jährige Melina Berg, die gemeinsam mit ihrem Vater Winfried eine Fee malt, die sich an einer Blume entlang hangelt. "Wir fixieren die Bilder am Ende mit Tiefgrund, dann halten sie etwa drei bis vier Wochen."
Melina Berg, die in Bielefeld Grafikdesign studiert, ist die jüngste 3-D-Straßenmalerin in Deutschland. Bevor sie sich ans Werk macht, teilt sie die Vorlage zu ihrem Werk - meistens nimmt sie ihre Ideen aus dem Internet - in Quadrate auf, um sie so passend auf die Straße zu übertragen. Von oben nach unten wird das Kunstwerk dann fertig gestellt. "Für dieses Bild", sagt die junge Frau und deutet auf ihre Fee, "brauche ich etwa sechs Stunden." Und dann wird - zumindest heute in Altenhundem - die Fixierung aufgetragen. Was nicht üblich ist, wie der Künstler Udo Lindenthal erklärt: "Wenn es regnet, wird das Bild einfach weg gewaschen." Der 62-jährige Straßenmaler aus Bremen sitzt konzentriert über seinem Bild, etwas geschützt von einem Dach.
Der Straßenmalerei geht er hauptberuflich nach - mit Herz und Seele. Und was, wenn ein Kunstwerk nach stundenlanger Arbeit einfach fortgespült wird? "Gerade diese Vergänglichkeit fasziniert mich", sagt der Bremener. "Das verleiht dem Schaffensprozess etwas Besonderes." Gerade biegt Ute Schäfer um die Ecke. Die Lebensgefährtin von Winfried Berg, wohnhaft in Altenvalbert, hält einen Becher warmen Tee in der Hand, reicht ihn an Udo Lindenthal. "Die Straßenmaler", sagt sie und deutet auf die auf dem Boden hockenden Künstler, "sind wie eine große Famile." Sie selbst hat sich auch der Kunst verschrieben und bietet einmal in der Woche gemeinsam mit Irmtraud Jakobs in der OT Grevenbrück ein Kinderatelier an. Auch auf dem Altenhundemer Marktplatz haben sich die Kinder mit einem eigenen Kunstwerk verewigt: Unter einem weiteren Pavillon ist das mit Blumen umrankte Logo des Sponsors, der die Straßenmal-Aktion überhaupt ermöglicht hat, zu sehen. Unter dem letzten Pavillon klammert sich ein grüner Frosch ein eine große Blume. Stefan Pollack ist dabei, seinem Werk den letzten Schliff zu verpassen. Sein Blick wandert in den wolkenverhangenden Himmel, aus dem es pausenlos tropft: "Das ist das erste Mal in diesem Jahr, dass es beim Malen regnet", sagt er und zuckt ergeben mit den Schultern.
Die Straßenmalerei, so erzählt Pollack, der in Neustadt/Hessen wohnt und dessen Mutter aus Maumke kommt, sei sein Hobby. "Ich habe damals einfach mal an einem Straßenmal-Wettbewerb teilgenommen und sofort den ersten Preis gewonnen", erzählt er lachend. Die Malerei habe ihm schon immer gelegen. "Das wurde mir in die Wiege gelegt." Nach einigen Jahren, in denen er als Maler eine Pause einlegte, fing er irgendwann wieder an, seine Kunstwerke auf die Straße zu zeichnen. "Wenn man älter wird, besinnt man sich wieder auf das Schöne", sagt er lachend. Inzwischen ist der Straßenmaler mit sauerländischen Wurzeln nicht nur deutschlandweit, sondern auch in Europa bekannt. Die Werke der Straßenmaler sind - wenn alles gut geht - noch drei bis vier Wochen auf dem Altenhundemer Marktplatz zu sehen.
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