Chancenlos gegen das Internet

Letzte Räumungsarbeiten bei Haushaltswaren Cordes


  • Lennestadt, 11.06.2015
  • Von Sven Prillwitz
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    Sven Prillwitz

    Redaktion

Verabschiedet sich Ende Juni aus dem Einzelhandel - und wird vorerst nicht in diese Branche zurückkehren: Ralf Cordes. von s: Sven Prillwitz
Verabschiedet sich Ende Juni aus dem Einzelhandel - und wird vorerst nicht in diese Branche zurückkehren: Ralf Cordes. © s: Sven Prillwitz

Es war Anfang des Jahres 2015, als die Inhaber Bettina und Ralf Cordes das Aus für das Haushaltswarenfachgeschäft Norbert Cordes verkündeten. Nun, nach 109 Jahren, steht das Ende des familiengeführten Unternehmens unmittelbar bevor. Die letzten Räumungsarbeiten laufen in den Geschäftsräumen an der Hundemstraße in Altenhundem, zum 1. Juli wechselt die Immobilie den Besitzer. Eine Entwicklung, die Ralf Cordes vor allem auf den boomenden Online-Versandhandel zurückführt.


„Nun ist Schluss!!“, verkünden Zettel, die an den Schaufenstern kleben. „Kostenlos zum Mitnehmen“, steht auf einem anderen Schild. Gemeint sind Kinderspielzeuge und kleine Gebrauchsgegenstände, die auf einem Tisch liegen, der den Eingangsbereich blockiert. Ein Blick ins Innere zeigt im Halbdunkel liegende Geschäftsräume, überwiegend leer geräumte Regale, Tische und Kommoden. Von der Decke hängen zahllose Schilder, bei denen Rot als Signalfarbe und die 70 – mit einem Minus davor – als Zahl überwiegen: Es sind die letzten Hinweise auf die finale Verkaufsaktion, den Räumungsverkauf. Das vorletzte Kapitel des Traditionsunternehmens. In vierter Generation hatten Ralf Cordes und Ehefrau Bettina einst das Familiengeschäft übernommen, das mit seinem breitgefächerten Sortiment jahrzehntelang Anlaufstelle war für alle Generationen. „Vom Schnuffeltuch für das Kleinkind bis zum Porzellan für die Oma hatten wir hier alles“, sagt Ralf Cordes. Er steht im Erdgeschoss des zweistöckigen Gebäudes, trägt dunkle Arbeitsklamotten und helle Arbeitshandschuhe. Leise Stimmen und Schritte sind zu hören: Handwerker räumen die oberen Etagen aus.
„Wirtschaftlichkeit war nicht mehr gegeben“
Am einem Freitag Anfang Juni gaben die Registrierkassen die letzten Piepstöne von sich. Es war der letzte Verkaufstag. „Viele Leute waren überrascht, dass wir schließen“, erzählt Cordes. Die Entscheidung, die seine Frau und er Ende 2014 trafen, sei jedoch alternativlos gewesen: „Die Wirtschaftlichkeit war einfach nicht mehr gegeben.“
Die Online-Versandhändler hätten sich als übermächtige Gegner erwiesen. Rund-um-die-Uhr-Verfügbarkeit, ein schier unendliches Angebot in Kombination mit einem raschen Liefer-Service und nicht zuletzt die im Vergleich zum stationären Handel zum Teil deutlich niedrigeren Preise trugen laut Cordes erheblich zu einer Abwanderung der Käufer bei – von den Geschäften in die Online-Shops. „Da konnten wir nicht mithalten“, sagt Cordes, der die digitale Preistreiberei allerdings nicht nachvollziehen kann. „Die meisten preisaggressiven Online-Shops bestehen nicht allzu lange, weil sie sich im Preisniveau ständig unterbieten.“ Dass handliche Tablet-PCs und Smartphones heutzutage längst zu Alltagsgegenständen geworden sind, habe diese Entwicklung noch beschleunigt, ergänzt Cordes. Und doch stellte der Aufbau eines eigenen Online-Shops für ihn nie eine Option dar. „So schnell hätten wir die Lieferungen an die Kunden nicht rausgekriegt“, sagt er.
Standortnachteil - außer bei Koffern und Grills
Und dann sei da noch der Standortnachteil, der Einzelhändlern im ländlichen Raum im Wettbewerb mit dem Internet-Versandhandel zu schaffen mache – je nach Sortiment unterschiedlich stark. Im Falle des Fachgeschäfts Cordes sehr stark. „Für kleinere Anschaffungen im Haushalt oder Spielzeug setzen sich die Leute heutzutage nicht mehr ins Auto und fahren 50 Kilometer. Das lässt sich mit ein paar Mausklicks erledigen“, sagt Cordes. Reisekoffer und Markengrills hingegen seien Artikel, für die Kunden bis zuletzt den Weg ins Geschäft gesucht hätten. Wegen der professionellen Beratung. Und weil die Rücksendung per Post in diesen Fällen zu unbequem sei. Eine Bohrmaschine dröhnt ohrenbetäubend laut durch die drei Etagen, als Cordes ein paar Kartenständer – allesamt leergeräumt – in eine Ecke schiebt. In einer Ecke des Erdgeschosses sind nackte Wände zu sehen, Kabel hängen von der Decke. Im Lagerraum bietet sich ein ähnlich trostloses Bild: Die weißen, bis auf Deckenhöhe angebrachten Regalbretter sind ebenfalls leer. Vereinzelt stehen ein paar Umzugskartons herum.
Bis Monatsende muss das gesamte restliche Inventar, überwiegend Mobiliar, verschwunden sein. „Einen Teil davon sind wir an Kunden und Händler losgeworden. Der Rest wird entsorgt“, erklärt Cordes und zeigt auf die geschlossene Tür des Lagerraums, die auf die Hundemstraße führt. Dort, vor dem Geschäft, stehen zwei gelbe Container. Zwei weitere warten auf dem Marktplatz darauf, befüllt und abgeholt zu werden. Im Einzelhandel möchte Cordes nicht wieder tätig werden. Ihm schwebt ein Job im Bereich EDV oder als Einkäufer in der Industrie vor. Am liebsten in der Region. „Ich möchte hierbleiben, weil ich hier heimisch bin, weil ich mich hier wohlfühle“, sagt er. Und ist erleichtert, dass seine 17 ehemaligen Angestellten, davon vier Vollzeitkräfte und eine Bürofachkraft, mittlerweile selbst neue Arbeitsplätze gefunden hätten. Mit einer Ausnahme: „Eine Mitarbeiterin ist in den Ruhestand gegangen.“
Mode folgt auf Haushaltswaren
Am 1. Juli endet das Kapitel Haushaltswaren Cordes. Dann übernimmt das Modehaus Fischer die rund 1250 Quadratmeter große Verkaufsfläche an der Hundemstraße. Trendige Kleidung für junge Leute folgt auf Haushaltswaren, sobald die Umbauarbeiten und Renovierungen am und im Gebäude abgeschlossen sind. Mit der Nachfolge kann Cordes gut leben: „Für Lennestadt und den Kreis Olpe ist das eine gute Sache.“ Und das erste Kapitel einer neuen Geschichte in den traditionsreichen Verkaufsräumen.
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