Anklage und Verteidigung sehen Mord als erwiesen und fordern lebenslänglich

Grevenbrück-Prozess: besondere Schwere der Schuld?


  • Lennestadt, 11.12.2020
  • Blaulicht
  • Von Nils Dinkel
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Der Prozess gegen Amine A. findet am Landgericht in Siegen statt. von Nils Dinkel
Der Prozess gegen Amine A. findet am Landgericht in Siegen statt. © Nils Dinkel

Siegen/Grevenbrück. Im Mordprozess gegen den 34-jährigen Amine A., der am 3. Mai seinen eigenen Sohn in Grevenbrück getötet haben soll, sind am Freitag, 11. Dezember, die Plädoyers am Siegener Landgericht gehalten worden. Sowohl Staatsanwalt Rainer Hoppmann als auch Rechtsanwältin Marie-Theres Hanfland-Ullrich, die die Nebenklage vertritt, plädierten für eine lebenslangen Freiheitsstrafe und forderten vom Gericht, die besondere Schwere der Schuld des Angeklagten festzustellen.


Rainer Hoppmann sagte, dass es einer der schlimmsten Fälle sei, die er jemals betreut habe. „Es ist ein Verbrechen, dass schlimmer und grausamer kaum sein könnte“, so Hoppmann. An dem Geständnis des Angeklagten, der sich im Prozessverlauf emotionslos gezeigt habe, seien keine Zweifel aufgekommen.

Amine A. hat nach Auffassung der Staatsanwaltschaft seinen Sohn bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt und dann die Wohnung in Brand gesetzt. Dabei habe er billigend in Kauf genommen, dass auch eine weitere Bewohnerin des Hauses Schaden nehmen könnte. Letztlich habe sich der Dreijährige so schwere Brandverletzungen zugezogen, dass sie zum Tod führten.

Mordmerkmal der Heimtücke

Die Motivlage sei nicht abschließend geklärt. „Eine nachvollziehbare Vermutung ist, dass der Angeklagte die Mutter bestrafen und ihr das Kind für immer wegnehmen wollte“, so Hoppmann. Das Mordmerkmal der Heimtücke sei zweifelsfrei erwiesen.

Die anderen Mordmerkmale „Grausamkeit“ und der Einsatz gemeingefährlicher Mittel seien nicht bestätigt. Hoppmann sagte zudem, dass Amine A. massiv strafrechtlich in Erscheinung getreten sei, unter anderem wegen Gewaltdelikten, Raub und schwerer Körperverletzung. „Im Ergebnis ist es ein vollendeter Mord aus Heimtücke“, so Hoppmann, der für eine lebenslange Freiheitsstrafe unter Feststellung der besonderen Schwere der Schuld plädierte.

„Unermessliche Leid“

Nebenklägerin Marie-Theres Hanfland-Ullrich schloss sich dem Antrag der Staatsanwaltschaft an und ging noch einmal auf das „unermessliche Leid“ der Familie ein. „Wie konnte der Angeklagte seinem eigenen Kind so etwas antun?“, fragte sie eingangs ihres Plädoyers. „Er hat dem Jungen die Luft zum Atmen genommen“, so Hanfland-Ullrich. Er habe sein ganzes Leben noch vor sich gehabt.

„Normal war überhaupt nichts“, brachte es Hanfland-Ullrich auf den Punkt. Der Angeklagte habe falsche Vorwürfe erhoben und erwiesenermaßen falsche Behauptungen bezüglich seines Alkohol- und Drogenkonsums am Tattag gemacht, um sich zu rechtfertigen und die Geschehnisse zu bagatellisieren.

„Das eigene Kind zu töten, um es anderen vorzuenthalten, übersteigt die Vorstellungskraft aller. Für den Angeklagten spricht überhaupt nichts“, so Hanfland-Ulrich.

Auch Verteidigerin für lebenslange Strafe

Verteidiger Petra Heinrich sprach der Familie ihr offenes Mitgefühl aus. Ihr Mandant sei wegen des Mordes an einem Kleinkind angeklagt. Sie sah ebenfalls das Mordmerkmal Heimtücke als gegeben und plädierte für eine lebenslange Freiheitsstrafe – jedoch ohne Feststellung der besonderen Schwere der Schuld.

„Das ist die einzige Konsequenz. Es gibt keine mildernden Umstände und keine Anhaltspunkte für eine verminderte Schuldfähigkeit“, so Heinrich. Gegen die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld spräche jedoch der psychische Zustand des Angeklagten.

Verteidigung kurzfristig übernommen

Rechtsanwältin Petra Heinrich, die die Verteidigung im Prozessverlauf kurzfristig übernommen hatte, zweifelte nicht an, dass ihr Mandant den Jungen auf grausame Art und Weise tötete. Sie betonte, dass es auch für sie nicht einfach sei und jeder einen fairen Prozess und Verteidigung verdient habe.

Auch wenn er es nicht gezeigt habe, sei sie überzeugt, dass ihm die Tat leid tue. Der Angeklagte bestätigte das in seinem letzten Wort. Das Urteil wird am Freitag, 18. Dezember, erwartet.

Besondere Schwere der Schuld

Bei der Feststellung der besonderen Schwere der Schuld ist es unwahrscheinlich, dass ein Verurteilter nach 15 Jahren Haft wieder auf freien Fuß kommt. Wird diese nicht festgestellt, kann die lebenslange Freiheitsstrafe nach 15 Jahren auf Bewährung ausgesetzt werden.


Die Vorsitzende Richterin Elfriede Dreisbach hat am Freitag, 11. Dezember, noch zwei weitere Gutachten in die Verhandlung mit einfließen lassen. Hieraus ging noch einmal vor, dass der dreijährige Junge zum Zeitpunkt des Inbrandsetzens der Wohnung noch lebte. Aus den Gutachten ging hervor, dass der Angeklagte Brandbeschleuniger, wie etwa Feuerzeugbenzin, zu Hilfe nahm. Im Anschluss an die verlesenen Gutachten schloss Dreisbach die Beweisaufnahme.

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