Angst vor der Taliban: Ramin Adeeb will seine Frau aus Afghanistan retten
Junges Ehepaar braucht dringend Hilfe
- Lennestadt, 19.08.2021
- Verschiedenes
- Von Christine Schmidt
Lennestadt/Kabul. Dass das Gesicht der Frau unkenntlich gemacht wurde, ist Absicht. Denn Ramin Adeeb hat Angst. Angst um seine Frau, die aktuell in Kabul festsitzt. Der junge Mann, der seit sechs Jahren in Lennestadt lebt, will alle Hebel in Bewegung setzen, um sie vor der Terrorgruppe Taliban zu retten. Er braucht Hilfe.
„Ich frage sie, wie es ihr geht. Ich frage sie, wo sie gerade ist.“ Mehr kann Ramin Adeeb seine Frau Maryam am Telefon nicht fragen. Die Verbindung ist unterbrochen. Tagelang hört er wieder nichts von ihr.
Sie lebt versteckt in Kabul, mit vielen anderen Frauen. Das weiß der junge Mann. Aber dort kann und soll sie nicht bleiben. Sie ist westlich orientiert, hat einen Ehemann, der in Deutschland lebt, und ist als junge Frau alleine in Afghanistan – eine gefährliche Lage.
„Sie hat Angst und sie ist in Gefahr“, erzählt Ramin. „Wenn die Taliban wüssten, dass sie mit mir verheiratet ist...“, lässt er den Satz offen. Er hat sogar Angst, ihr Bild in einem deutschen Medium zu veröffentlichen, könnten sie ihr Gesicht doch zuordnen.
Ramin will seine Frau auf dem schnellsten Weg nach Deutschland holen, sie in Sicherheit bringen. 10.000 Menschen, die in Afghanistan geholfen und gearbeitet haben, sollen nach Deutschland gebracht werden, so Ramin. Er wünscht sich, dass seine Frau dazu gehört. „Ob ein oder zwei Menschen mehr..“, der junge Mann greift nach jedem Strohhalm und hofft auf die Unterstützung von lokalen Politikern.
Hier in Deutschland möchte er ihr dieses Leben ermöglichen, das auch er führt. Der 28-Jährige lebt in Meggen, hat seine Ausbildung zum Fachinformatiker im Kreis Olpe gemacht und arbeitet nun in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis bei ontavio in Lennestadt. Er ist integriert, spricht gutes Deutsch.
Und trotzdem war es für ihn immer ein Kampf mit den Behörden. Asylantrag, Aufenthaltsgenehmigung, Familienzusammenführung – Ramin musste sich immer wieder den bürokratischen Hürden stellen, zusammen mit seinem Deutschlehrer Hans-Joachim Pfeiffer, der ihn unterstütze.
Zum Hintergrund: Ramin flüchtete vor sechs Jahren aus Afghanistan. Der heute 28-Jährige engagierte sich in einer politischen Partei, die von der Taliban nicht gern gesehen war. Ramins Name wurde auf die „Blacklist“ gesetzt, er erhielt sogar einen Droh-Brief von der Taliban. Für ihn war es in dem Land nicht mehr sicher.
Seine Frau wollte er immer nachholen. Sie hatte zu dem Zeitpunkt keine Papiere. Dass es in Deutschland so schwer werden würde, hätte der junge Mann nicht für möglich gehalten.
Hans-Joachim Pfeiffer erklärt, wie schwierig die Situation sei. Die Hürden seien viel zu hoch, um die Frau nach Deutschland zu holen. Von einer jungen Frau werde unter anderem vor Einreise ein Deutsch-Zertifikat verlangt, dass von einem Goethe-Institut ausgestellt wird. Dieses widerum gibt es aber nicht in Afghanistan, sondern nur in Nachbarländern wie zum Beispiel in Indien.
Erst Anfang 2020 startete der Prozess der Familienzusammenführung. Heute, Mitte August 2021, läuft der Prozess noch immer. Maryam ist noch immer nicht in Deutschland. Und jetzt, nachdem die Taliban die Macht übernommen haben, ist die Situation gefährlich denn je.
„Ich habe immer davor gewarnt“, sagt Ramin, der trotz der Umstände stark wirkt. „Wenn so eine Situation wie jetzt kommt, kommt sie nicht mehr da raus.“ Der 28-Jährige hat bereits versucht, für sie einen Platz in Indien oder Pakistan zu finden. Der letzte Plan, der vor etwa zehn Tagen sogar noch stand: Maryam nach Indien zu holen.
Deswegen flüchtete die junge Frau in die Hauptstadt Kabul, um von dort weiter zu reisen – bis vor kurzem war die Stadt noch sicher. Was dort für Zustände herrschen – Ramin schüttelt mit dem Kopf und presst die Lippen zusammen. Alle Träume, sie aus dem Land zu holen, sind zerplatzt. Die Taliban seien unberechenbar und hätten immer noch die gleiche Ideologie wie früher - an friedliche Gespräche glaubt Ramin nicht.
Seine Frau ist in Panik. „Sie hat mir sogar vorgeworfen, dass es meine Schuld sei. Dass ich sie immer noch nicht nach Deutschland geholt habe. Sie hat einfach Angst.“ Ramin erzählt mit gesenkter Stimme: „Ich war zwar körperlich die letzten Jahre hier in Deutschland, aber geistig bin ich immer bei ihr und war nie frei.“
Und genau deshalb setzt Ramin mit seinem Deutschlehrer Pfeiffer alles daran, eine Lösung zu finden und hofft auf jegliche Unterstützung. Sein größter Wunsch ist, seine Frau Maryam in Sicherheit zu bringen, egal wo. Raus aus Afghanistan, und Hauptsache weg von den Taliban.