Zum Internationalen Weltfrauentag: „Altersarmut ist weiblich“
Interview: Frauenberatungsstelle Olpe
- Kreis Olpe, 08.03.2020
- Von Christine Schmidt
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Kreis Olpe. Am 8. März ist Internationaler Weltfrauentag. LokalPlus hat das zum Anlass genommen, mit der Frauenberatungsstelle Olpe zu sprechen. Eva Rieke-Trinn erzählt im Interview, mit welchen Problemen Frauen heutzutage immer noch zu kämpfen haben und was sie sich von der Politik wünscht.
Wünschenswert wäre es, wenn in der Diskussion um Geschlechterverhältnisse und die Rolle von Mann und Frau zunehmend mehr Offenheit herrschen würde. In den Köpfen sollte mehr Flexibilität entstehen, sprich auch mal neben alten Spuren denken. Eine dicke Portion Unvoreingenommenheit und respektvoller Umgang täten gut. Ich glaube, dass bei vielen noch sehr alte Muster mitschwingen. Wir alle haben ja alte Muster im Kopf, die hinderlich sind, wenn es darum geht, etwas Neues anzugehen.
Sie beraten Frauen bei allerlei Problemen, ob Gewalt, Scheidung oder Konflikte am Arbeitsplatz. Aus welchen Gründen suchen die Klientinnen die Frauenberatungsstelle am meisten auf?
Wir haben eine ganze Palette an Themen: Beziehungsprobleme, Fragen bei Trennungen, berufliche Probleme, Stalking, aber auch Sozialberatung gehören unter anderem zu den Feldern. Oft stellen wir fest, dass bei Frauen, die länger im Beratungsprozess sind, sich erst später bereits gemachte Erfahrungen mit psychischer, physischer oder sexualisierter Gewalt herausstellen. Mehr als 90 Prozent unserer Klientinnen sind oder waren von Gewalt betroffen.
Wir sind da, um einfach ein Gesprächspartner und eine Entlastungsmöglichkeit zu sein. Wir geben Frau einen geschützten Rahmen und sind ein Ort, wo sie ihre Probleme lassen kann. Wir leisten keine therapeutische Arbeit, wir wollen eine Anlaufstelle sein. Natürlich bekommen die Frauen dann auch weitere Unterstützung und Anlaufstellen. Aber zunächst gibt es für jede Klientin eine Einzelberatung von einer Stunde. Nach dem Gespräch entscheiden wir gemeinsam, wie es weiter geht. Möglich ist auch eine Begleitung über mehrere Monate.
Also kann sich jede Frau bei der Beratungsstelle melden?
Genau. Wir müssen keine Anträge stellen und habe auch keine Wartezeiten von fast zwei Jahren. Das ist unser Vorteil: Innerhalb von ein bis zwei Wochen können wir ein Beratungsgespräch für Frauen und Mädchen anbieten, die ein akutes Problem haben. Die Hilfe ist natürlich kostenlos und vertraulich (Schweigepflicht).
Es geht um die geringere Bezahlung gegenüber Männern oder geringe Aufstiegschancen. Viele haben auch Probleme mit dem Arbeitgeber, denen oftmals das Verständnis für Vereinbarkeit von Familie und Beruf fehlt. Das Thema Familie wird immer noch zu sehr als Frauenfrage angesehen. Genauso ist aber zu 50 Prozent eine Männerfrage. Die Frage sollten sich auch Arbeitgeber stellen: Wie soll die Zukunft aussehen, was für Chancen ergeben sich aus neuen Arbeitsplatz-Modellen, in der Vereinbarkeit von Familie und Beruf für beide Geschlechter eine viel stärkere Rolle spielt?
Sexismus im Job, im Verein oder auch in der Familie: Wo fängt es an und wie können sich Frauen dagegen wehren?
Der Ansatzpunkt sollte sein, hellhörig zu werden. Es ist wichtig, nicht wegzugucken und nichts unter den Teppich zu kehren. Sexismus fängt definitiv nicht erst bei Berührungen an, es gibt auch verbale, drastische Geschichten. Frauen sollten sich bewusst machen, was für sie selbst nicht in Ordnung ist. Sich mit anderen Frauen darüber auszutauschen oder Selbstbehauptungskurse sind erste Möglichkeiten. Mädchen und Frauen sollten sich das auf gar keinen Fall gefallen lassen und so tun, als ob das normal wäre.
Kleine und große Maßnahmen, die konstruktiv dazu dienen, eine Gleichberechtigung und gleiche Chancen für Frauen und Männer zu ermöglichen. Konkret wäre das zum Beispiel die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Und eben alles, was möglich ist, den gesellschaftlichen Diskurs wohlwollend zu unterstützen.
Aber auch beim Thema Altersarmut ist die Politik gefragt, sich Modelle zu überlegen. Denn Studien zeigen, dass Altersarmut weiblich ist. Frauen sind viel mehr davon betroffen als Männer. Trotz vieler Jahre im Beruf stellt sich später doch heraus, dass sie mit ihrer Rente nicht hinkommen. Und das, weil sie in Teilzeit beschäftigt waren, um die Erziehung der Kinder zu übernehmen oder vielleicht sogar Angehörige zu pflegen. Da muss einfach überlegt werden, wie solche „Familienarbeit“ bei der Rentenberechnung Einfluss finden kann.
Die Frauenbewegung hat zwar schon sehr viel erreicht, aber ich glaube, dass die gesellschaftliche Realität noch an vielen vorbei geht und dass, gerade was Rollenbilder betrifft, noch Luft nach oben ist.