„Wer unzufrieden ist, muss selbst versuchen, es besser zu machen“
Bundestagskandidat Holger Thamm (Grüne) zu Besuch bei LokalPlus
- Kreis Olpe, 20.06.2021
- Politik
- Von Wolfgang Schneider
Kreis Olpe. In gut drei Monaten wird ein neuer Bundestag gewählt. Als Kandidat von Bündnis 90/Die Grünen im Kreis Olpe und im südlichen Märkischen Kreis tritt Holger Thamm aus Olpe an. Der 47-Jährige hat bei einem Besuch in der LokalPlus-Redaktion in Altenhundem mit Redaktionsleiter Wolfgang Schneider und Geschäftsführer Christof Sieler über seinen politischen Werdegang, seine Ansichten und seine Ziele gesprochen.
Holger Thamm interessiert sich schon seit vielen Jahren für die Politik, hat seinerzeit den Studiengang „Technischer Umweltschutz“ belegt und sagt, der frühere Umweltminister Klaus Töpfer (CDU) „war damals ein Vorbild für mich“. Der gelernte Diplom-Ingenieur war einige Zeit wissenschaftlicher Mitarbeiter einer FDP-Bundestagsabgeordneten im Umweltausschuss und arbeitet seit 13 Jahren in leitender Stellung für einen großen Heizungshersteller. Sein Thema dort ist vor allem die Energie- und Klimapolitik in Deutschland und der EU.
„Im Laufe der Jahre ist das Interesse an Politik immer größer geworden“, berichtet der gebürtige Niedersachse, den es 2012 nach Olpe zog, weil er dort seinen Traum vom Mehrgenerationenhaus verwirklichen konnte. Parteipolitisch ist Thamm aber ein „Spätzünder“, denn erst 2019 wurde er Mitglied der Grünen und gehört seit vergangenem Jahr dem Vorstand des Ortsverbandes Olpe und inzwischen auch dem Kreisvorstand an.
Im Frühjahr wurde er dann zum Bundestagskandidaten der Grünen gewählt. Warum er sich den Stress antut? „Ich habe mich vor der Kandidatur nicht gescheut. Ich bin mit der Arbeit einiger Abgeordneter, die ich kenne, unzufrieden. Und wer unzufrieden ist, muss selbst versuchen, es besser zu machen.“
Der dreifache Familienvater, der Kinder im Alter von elf, neun und sieben Jahren hat, beschreibt sich selbst als engagierten Typ und nennt ein Beispiel: „Meine Kinder spielen Handball. Da gucke ich nicht nur zu, sondern sitze auch mit der Uhr am Tisch und nehme die Zeit.“ Mit aller Kraft will sich Thamm engagieren, aber er setzt sich auch Grenzen. „Nachhaltigkeit gilt für mich nicht nur politisch, sondern auch persönlich. Ich würde für meine politische Arbeit nicht meine Gesundheit gefährden und meine Familie aufs Spiel setzen.“
Dass für die Grünen im Kreis Olpe die Bäume nicht in den Himmel wachsen, weiß Thamm. Bei der Bundestagswahl 2017 holten sie gerade einmal 3,2 Prozent der Erst- und 4,0 Prozent der Zweitstimmen und blieben damit weit unter dem Bundesergebnis der Grünen von 8,9 Prozent. Thamm ist sich sicher, dass im September deutlich mehr geht für die heimischen Grünen. „Wir haben die Basis verbreitert, mehr Leute engagieren sich und deshalb kommt draußen mehr an“, sagt er.
In Sachen Klimaschutz müsse aber noch viel mehr bei den Menschen ankommen, mahnt er. „Da sind wir hinterher und da dürfen wir uns nicht abhängen lassen.“ Um das Klima zu schützen, sei der Ausbau der Elektromobilität ebenso notwendig wie der Einsatz von deutlich mehr Photovoltaikanlagen. Thamm: „Ich sehe oft, dass hier in der Gegend Dächer erneuert werden und finde es schade, dass nur die wenigsten in dem Zuge eine PV-Anlage installieren.“ Denn Photovoltaik sei eine Investition, die etwas zurückgebe. So könne man mit dem eigenproduzierten Strom sein Elektroauto laden oder die Wärmepumpe betreiben.
Dass sich nicht jeder Normalverdiener Photovoltaikanlage und E-Auto leisten kann, räumt Thamm ein. „Man muss das natürlich bezahlen können und es muss bezahlbar sein. Klimaschutz ist teuer, aber nichts zu tun wird noch viel teurer.“ In diesem Punkt fehlt ihm noch die breite Akzeptanz in der Bevölkerung. Da müsse die Politik mehr Aufklärungsarbeit leisten und das Wissen über den Klimaschutz und die Klimaziele besser transportieren. Thamm: „Da ist noch viel Luft nach oben.“
Auch die aktuelle Diskussion um die im Regionalplan vorgesehenen Flächen für Windenergie beschäftigt den 47-Jährigen. Windkraft sei wichtig und sinnvoll, doch er verstehe, „dass niemand gerne neben einem Windrad wohnen will“. Die Ausbaupläne müssten mit Augenmaß betrieben und offensichtliche Ballungen – wie im Raum Oberveischede – vermieden werden.
Er glaubt nicht, dass tatsächlich 1.300 Windräder in den Kreisen Olpe, Siegen und Mark entstehen werden. „Die sind vielleicht theoretisch möglich, werden aber nicht gebaut. Das ist so, als ob man auf seinem Grundstück 20 Sonnenschirme aufstellen könnte, aber man braucht tatsächlich nur zwei.“
Jenseits der Energiepolitik bewegt den Grünen-Politiker, der von sich behauptet, „ein breites umweltpolitisches Portfolio“ zu haben, noch einiges mehr. Die Fleischproduktion hält er für überreizt, das Exportieren von Elektroschrott nach Afrika für ein Unding und den zunehmenden Plastikmüll in den Meeren für eine tickende Zeitbombe. Thamm wünscht sich eine menschlichere Flüchtlingspolitik, mehr Investitionen in die Bildung und eine stärkere Unterstützung von Familien und Kindern.
„Es gibt noch sehr viel zu tun – vor der Haustür und weltweit. Deshalb brauchen wir kein Weiter so, sondern einen echten Aufbruch.“ Und für den stehe die grüne Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock, findet Thamm– auch wenn er persönlich vor allem ein Fan der Parteivorsitzenden Katrin Göring-Eckardt ist.