Weihnachtspredigt: Manchmal drängen sich die Motive einfach auf

Adventkalender: Dechant Andreas Neuser erzählt


  • Kreis Olpe, 24.12.2015
  • Von Volker Lübke
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Pfarrer Andreas Neuser im Dekanatsbüro Südsauerland in Olpe. von Volker Lübke
Pfarrer Andreas Neuser im Dekanatsbüro Südsauerland in Olpe. © Volker Lübke

Weihnachten ist viel mehr als Spekulatius, Lametta und bergeweise Geschenke. Das ist auch der Grund, warum heute Abend in den Kirchen ausnahmsweise kaum ein Platz frei bleibt. Weihnachten ist eben ein ganz besonderer Anlass. Mancher Pfarrer nutzt die Gelegenheit, mehr Menschen als sonst mit der christlichen Botschaft zu erreichen – und gibt sich besonders viel Mühe. LokalPlus hat Pfarrer Andreas Neuser besucht. Er hat uns die 24. Tür geöffnet. Wir besuchen ihn in seinem Arbeitszimmer im Dekanatsbüro in Olpe.


„Ich finde es völlig berechtigt, dass man an Weihnachten in die Kirche geht und Besinnung sucht“, sagt der oberste Hirte im Dekanat Südsauerland (Kreis Olpe). Von Vorhaltungen nach dem Motto „Heute seid ihr da, das ganze Jahr über kommt ihr nicht“, hält er nichts. Auch deshalb sieht Andreas Neuser, Pfarrer an St. Johannes Baptist in Attendorn, in der Weihnachtspredigt keine größere Herausforderung als an jedem ganz normalen Sonntag. Aber die Grundlage, die biblische Geschichte von der Geburt Jesu, ist doch immer dieselbe, wende ich ein. „Eine Predigt hat sich immer mit einer Textgrundlage zu beschäftigen“, erklärt Neuser. Die Verteilung über drei Lesejahre sorge für Abwechslung. „Und an den Hochfesten gibt es eben feste Themen.“ – „Auch zu Weihnachten gibt es sehr interessante Lesungen“, findet Neuser. Die Geschichte aus dem Lukas-Evangelium ist natürlich immer im Vordergrund. Aber es gibt ja auch noch die Jesaja-Visionen, die berichten, wie der Retter in die Welt kommt, oder Matthäus‘ Bericht über die Heiligen Drei Könige…
 von Symbol Sven Prillwitz
© Symbol Sven Prillwitz
Die Textgrundlagen sind aber nur die eine Seite, beschreibt der Pfarrer, wie eine Predigt entsteht: „Das Bild, das wir von Weihnachten haben, ist ja sehr reichhaltig.“ Er verweist auf die zahlreichen Lieder und die Motive Stern, Kerze, Licht, um nur einige zu nennen. Und ein bisschen hat das Ganze auch mit der Zielgruppe zu tun: „Ich kenne ja die Gemeinden schon länger und weiß, wer mir zuhört.“ Wie der Inhalt so sei auch die Herangehensweise an eine Predigt jedesmal anders, erzählt der Dechant. Er setzt sich nicht einfach hin und schreibt los. „Ich habe immer mal wieder im Kopf und im Herzen, dass ich denke, was spricht mich denn diesmal besonders an. Und manchmal drängen sich Motive einfach auf.“ In diesem Jahr könnte das die Herbergssuche sein. Bei Lukas heißt es „…weil in der Herberge kein Platz für sie war…“ „Das lässt sich hervorragend in die politischen Geschehnisse dieser Tage einbinden“, sagt der Pfarrer: „Wir können fragen, wie Menschen anklopfen. Was will Gott uns damit sagen, dass er kalt und unwirtlich an den Rand gedrängt in die Welt kommt.“ Im Gespräch erinnert sich Andreas Neuser an ein Weihnachtslied aus seiner Kindheit, „Wer klopfet an?“ Die Tiroler Volksweise macht die ganze Dramatik von Herbergssuche und Ablehnung deutlich, „besonders, wenn der Gegenpart mit tiefer kräftiger Stimme, wie mein Vater eine hatte, gesungen wird“. „Wenn man die Weihnachtsmotive vom Zuckerguss befreit, berührt uns das Ursprungsbild, das dann übrig bleibt, schon sehr existenziell“, ist Andreas Neuser überzeugt: „Ein kleines Kind öffnet unsere Herzen, aber wo hat Er einen Platz in meinem Leben?“ Bei unserem Gespräch wusste der Pfarrer noch nicht, was für heute herauskommen würde: „Das geht nicht Wochen vorher, sonst kann ich die Predigt nicht lebendig vortragen.“
Die Versuchung, alles sagen zu wollen
Obwohl – einige Gedankenstränge hat er natürlich schon. „Man könnte den gesellschaftlichen Zusammenhang herstellen, etwa fragen: Wer klopft gerade an unsere Tür?“, sinniert Neuser: Theologisch könne man auf die Fleischwerdung Gottes abheben. „In jedem Antlitz begegnen wir auch Gott.“ Und dann gibt es da noch die persönliche, existenzielle Frage: „Welches Bild habe ich von Gott? Welchen Platz weise ich Jesus in meinem Leben zu? Spielt er nur in der guten Stube eine Rolle, wenn ich das Sonntagskleid anhabe? Oder begleitet er mich auch in dem, was gerade nicht so gut läuft?“ Eine Fülle an Motiven und thematischen Ansätzen. Natürlich passen die nicht alle in einen Gottesdienst, weiß Neuser: „Wenn man anfängt, liegen viele Gedanken nebeneinander. Man darf nur nicht der Versuchung erliegen, alles sagen zu wollen.“ An Weihnachten dürfte die Predigt zwar durchaus etwas länger sein, „aber sie soll ja Bilder entstehen lassen, soll Orientierung bieten“, erklärt der Pfarrer. „Dafür reichen sieben, acht Minuten.“ Dann wisse der Zuhörer, was er daraus für sich mitnehmen kann. Welchen Gedanken Pfarrer Andreas Neuser weiterverfolgt hat und in welchen Kontext er die Weihnachtsgeschichte diesmal stellt, erfahren die Besucher heute in St. Jakobus in Lichtringhausen (17 Uhr) und im Sauerländer Dom (21.30 Uhr).
 von Volker Lübke
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