Verzweifelte Eltern fragen: Wie soll es weitergehen in diesem Schuljahr?

Quarantäne, Isolation, Homeschooling


  • Kreis Olpe, 27.08.2021
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Während die Klassenkameraden in der Schule sind, müssen viele Kinder im Kreis Olpe wieder zu Hause alleine lernen: Sie sind in Quarantäne. von Pixabay.com
Während die Klassenkameraden in der Schule sind, müssen viele Kinder im Kreis Olpe wieder zu Hause alleine lernen: Sie sind in Quarantäne. © Pixabay.com

Lennestadt/Kreis Olpe. Der Familienvater ist verzweifelt. Zum vierten Mal innerhalb eines Jahres muss seine zehnjährige Tochter in Quarantäne. Nein, mit Corona angesteckt hatte sie sich nie. Es waren immer Mitschüler aus der Klasse oder der Betreuung, die erkrankt waren. Wieder zwei Wochen zu Hause. Wieder zwei Wochen kein Präsenzunterricht. Wieder ein Spagat, damit das Kind trotzdem betreut werden kann. „Wir sind fertig“, sagt der Mann im Gespräch mit LokalPlus.


Eins vorweg: Die junge Familie hat sich stets an sämtliche Auflagen und Verordnungen gehalten. Hat das Thema Corona mehr als ernst genommen, Kontakte eingeschränkt, auch die der Tochter. Dass es das Kind nun schon zum vierten Mal „erwischt“ hat mit der Quarantäne, ist – das weiß der Mann – Pech. Vor allem jetzt, wo das Schuljahr gerade erst gestartet ist. Doch seine Geduld ist allmählich erschöpft, die Nerven der Familie liegen blank.

Aufsichtspflicht

„Wir sind beide berufstätig, haben keine Großeltern, die die Kinder betreuen können“, berichtet der Lennestädter. Ergo: Das Ehepaar muss seine Arbeitszeiten so anpassen, dass immer einer beim Kind ist. Selbst einmal kurz einkaufen, während der andere arbeitet, ist verboten, wie das Gesundheitsamt auf Nachfrage betonte: „Da unsere Tochter unter zwölf Jahre ist, würden wir damit unsere Aufsichtspflicht verletzen.“

Demnach muss sich nicht nur das Kind in Quarantäne aufhalten, auch die Eltern sind den größten Teil der Zeit zu Hause. Durch die Gegend tingeln, Freunde treffen, das kommt für das Ehepaar nicht in Frage: „Schließlich kann es ja immer sein, dass sich unsere Tochter doch angesteckt hat. Da halten wir uns doch natürlich auch zurück.“

Weil ein Kind in Quarantäne ist, müssen auch viele Eltern zu Hause bleiben. von AOK
Weil ein Kind in Quarantäne ist, müssen auch viele Eltern zu Hause bleiben. © AOK

Auf die Frage nach Unterstützung in der Betreuung erhielt der Familienvater die Antwort: „Haben Sie nicht in der Familie oder in der Nachbarschaft Menschen, die geimpft sind und helfen können?“ Ein nett gemeinter Vorschlag – doch der Mann schüttelt nur verständnislos den Kopf und sagt wieder: „Was ist, wenn unsere Tochter tatsächlich infiziert sein sollte? Da können wir doch nicht irgendeinen anderen bitten, auf sie aufzupassen!“ Außerdem, so hat er recherchiert, stehe in der Quarantäneverordnung, dass weder das betroffene Kind noch ein Mitbewohner Besuch empfangen dürfe.

Eltern als Lehrer

Viel schlimmer noch als die Isolation sind für die Eltern die Sorgen, wie es schulisch mit ihrem Kind weiter geht: „Im Distanzlernen oder Wechselunterricht waren ja noch alle Kinder betroffen, alle waren auf dem gleichen Stand. Jetzt gehen alle in die Schule, während nur fünf Kinder zu Hause bleiben müssen.“ Diese Kinder erhielten zwar Unterrichtsmaterial, aber den Lernstoff vermitteln, das müssen wieder die Eltern. „Und ich bin einfach kein Pädagoge“, sagt der Mann verzweifelt.

Anfangs hatte das Ehepaar noch die Hoffnung, dass sich ihre Tochter nach fünf Tagen freitesten lassen könne. So hatten die Eltern und auch die Lehrer die neue Verordnung verstanden. Fehlanzeige: Freitesten geht im Grundschulalter nicht, die Kinder sind ja schließlich noch nicht geimpft.

Das Kleeblatt-Prinzip

So wie dem Ehepaar geht es auch der Mutter aus dem Nachbarort: Auch ihr achtjähriger Sohn saß am ersten Schultag neben einem Kind, das, wie sich einen Tag später herausstellte, mit Corona infiziert war. Und zack: Er und ein paar andere Kinder, die an diesem Tag zufällig im Kleeblatt um das Kind gesessen hatten, wurden – obwohl sie im Unterricht ständig einen Mundschutz tragen - für zwei Wochen in Quarantäne geschickt.

Seine erste Quarantäne, berichtet die Mutter. Aufgebracht ist sie trotzdem: „Die Kinder müssen immer zurückstehen. Sie waren die ersten, die weggesperrt wurden, um Risikogruppen zu schützen. Sie haben monatelang zu Hause im Homeschooling gesessen, sind die letzten, die geimpft werden bzw. zu jung, um sich impfen zu lassen. Wir lassen sogar unsere älteren Kinder impfen aus Verantwortungsgefühl gegenüber der Gesellschaft – und jetzt sitzt das jüngste Kind in Quarantäne, weil es noch nicht geimpft werden kann.“

Keine Chance, das Kind freizutesten

Warum, fragt sich die Mutter, kann man das Kind nicht nach einer Woche freitesten, wenn die Kinder doch nonstop Masken tragen im Schulgebäude? „Die Schulen können nichts dafür“, weiß die junge Frau. Dort wird nur umgesetzt, was von oben beschlossen wurde.

Und da, so betont der Familienvater, liege das Problem: „Jeder Imbissbuden-Besitzer ist besser organisiert als die Schulen. Die Verantwortlichen in Düsseldorf hatten sechs Wochen lang Zeit, um Konzepte auszuarbeiten, damit unsere Kinder endlich wieder regelmäßig am Unterricht teilnehmen können.“ Denn für viele Viertklässler – auch für seine Tochter - steht nach diesem Schuljahr der Wechsel auf eine weiterführende Schule an. Welche das sein wird? Das steht in den Sternen. Das Quarantäne-Schuljahr hat gerade erst begonnen.

Zahlen und Fakten

Die meisten Corona-Neuinfektionen gab es in den letzten zwei Wochen bei den 10- bis 19-Jährigen: Mit 60 positiven Testergebnissen machen sie 26,3 Prozent der Ansteckungen im Kreis Olpe aus. 35 Kinder bis neun Jahre (15,4 Prozent) wurden ebenfalls positiv getestet (Stand: 26. August).

In den Schulen im Kreis Olpe zählt das Gesundheitsamt derzeit 52 infizierte Schülerinnen und Schüler. 106 weitere Kinder befinden sich in Quarantäne aufgrund ihres Kontaktes zu einer infizierten Person innerhalb einer Schule.

Freitestungen: Für enge, nicht geimpfte Kontaktpersonen in Schulklassen gibt es keine Möglichkeit, sich freizutesten. Die Quarantänedauer beträgt für diese Personen die regulären 14 Tage, informiert das Gesundheitsamt.

Das Infektionsgeschehen an den Schulen im Kreis Olpe

Die neueste verfügbare schulgenaue Auflistung der Infektions- und Quarantänefälle stammt vom 24. August. Diese Zahlen beziehen sich auf den Zeitraum 18. bis 24. August (erste Woche nach den Sommerferien, Quelle: Kreis Olpe):

  • Berufskolleg des Kreises Olpe: 1
  • Förderschule Max-von-der-Grün-Schule Olpe: 1
  • Gesamtschule Bigge-Lenne Finnentrop: 6
  • Gesamtschule Wenden: 1
  • Grundschule Attandara Attendorn: 3
  • Grundschule Düringerschule: 1
  • Grundschule Elspe: 1
  • Grundschule Gräfin-Sayn-Schule Drolshagen: 1
  • Grundschule Meggen: 1
  • Grundschule Olpe-Dahl: 2
  • Grundschule Sonnenschule Attendorn: 1
  • Grundschule St. Agatha Bilstein: 1
  • Grundschule St. Katharina Heinsberg: 1
  • Grundschule St. Mathias Fretter: 1
  • Grundschule St. Nikolaus Grevenbrück: 1
  • Gymnasium Maria Königin: 1
  • Realschule Lessingschule Grevenbrück: 4
  • Rivius-Gymnasium Attendorn: 1
  • Sekundarschule Hanseschule Attendorn: 3
  • Sekundarschule Kirchhundem: 1
  • Sekundarschule Olpe: 6


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