Verschärfter Überlebenskampf braucht Visionen

Unternehmensberater Karl-Heinz Land referiert über „digitalen Darwinismus“


  • Kreis Olpe, 05.11.2015
  • Von Sven Prillwitz
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Digitaler Darwinist und Evangelist: Karl-Heinz Land. von s: Sven Prillwitz
Digitaler Darwinist und Evangelist: Karl-Heinz Land. © s: Sven Prillwitz

Technologien und Gesellschaft verändern sich im digitalen Zeitalter in rasendem Tempo. Die Konsequenz für Unternehmen: ein verschärfter Konkurrenzkampf. Um neue Märkte, um neue Visionen und ums Überleben. „Digitalen Darwinismus“ nennt Karl-Heinz Land das. Über diese Entwicklung und die daraus resultierenden Herausforderungen für Firmen referierte der Experte für den digitalen Wandel am Donnerstagabend beim „Volksbank-UnternehmerForum“ im Galileo-Park in Meggen vor rund 50 heimischen Zuhörern aus Politik und Wirtschaft.


2008 sei das Smartphone auf den Markt gekommen. Heute, knapp sieben Jahre später, gebe es bereits fast genauso viele Mobiltelefone wie Menschen auf dem Planeten, nämlich rund 7,3 Milliarden. Wobei der Begriff „Telefon“ als Bezeichnung eigentlich nicht korrekt sei; vielmehr handele es sich bei einem Smartphone um einen Computer, der nicht nur in die Hosentasche passt, sondern auch „vier- bis fünfmal leistungsfähiger sei als der Computer, der die Apollo 13 damals auf den Mond und zurückgebracht hat“, gab Land zu bedenken. Das Smartphone sei nach dem Fernseh- und Computerbildschirm der „Third Screen“, der durch das mobile Internet rund um die Uhr und von jedem Standort der Welt einen Zugriff auf Informationen, Produkte und Dienstleistungen aller Art bietet. Und weit mehr als das: Mit der bereits vorhandenen Technologie ersetze das Smartphone längst physische Produkte wie Bargeld, Bücher, Tonträger oder Schlüssel.
Smartphone als Ersatz und Bedrohung
Land sprach bezeichnete diesen fortlaufenden Prozess als „Dematerialisierung“, die sich mit „Brutalität auf die Wertschöpfungskette“ auszeichnen werde. Beispiel: Ersetzt ein Smartphone den Schlüssel, fallen Maschinen, Rohstoffe, Zulieferer, Verkauf und Logistik weg. Und damit Arbeitsplätze und Unternehmen. Es brauche allein die Technologie, um Türen zu öffnen und ein Auto zu fahren. Der Einfluss der Digitalisierung auf den Arbeitsmarkt werde immer größer: „47 Prozent der Berufe werden von dieser Dematerialisierung in den nächsten 15 bis 20 Jahren stark betroffen sein“, sagte Land.
Was früher die Dampfmaschine und später die Elektrizität für den gesellschaftlichen und ökonomischen Wandel waren, seien heute Daten. Als Beispiele führte Land die Online-Konzerne Google und Facebook an, die allein mit Daten Milliardengewinne einführen. Die Digitalisierung bringe für Unternehmen – auch für scheinbar unantastbare Weltmarktführer – die Gefahr mit sich, dass „Angreifer gar nicht aus der eigenen Branche“ kommen müssten.
Konkurrenz fernab der Branche
So habe der kostenlose Online-Kurznachrichtendienst „WhatsApp“ etwa sich binnen kürzester Zeit zu einer bedeutenden Konkurrenz für Telefonanbieter entwickelt – obwohl „WhatsApp“ nicht einmal über ein eigenes Telefonnetz verfügt. Oder: „airbnb" verkaufe mehr Übernachtungen als die gesamte Hilton-Gruppe zusammen – obwohl dem Online-Dienstleister nicht ein einziges Hotel gehört. Die Computerfirma Apple arbeite mittlerweile an der Produktion eines „vernetzten“, automatisch fahrenden Autos. Die wirkliche und die virtuelle Welt verschmelzen Land zufolge durch die selbstverständliche, permanente Gegenwart des Internets immer weiter. Die Digitalisierung ersetze alte Geschäfts- und Marktmodelle zunehmend und führe zu einer Neuverteilung. Um diesen Überlebenskampf bestehen zu können, müssten Unternehmen den digitalen Wandel als längst existierende Tatsache begreifen, akzeptieren und ebenso aktiv wie mutig neue Ideen und Konzepte entwickeln. „Es braucht jetzt starke Visionen, auch digitaler Art“, sagte Land.
„Sofort und überall“-Prinzip des Kunden
Ganz wichtig dabei: Der Kunde sei nicht nur König, für ihn gelte im mobilen Zeitalter auch das „Sofort und überall“-Prinzip“. Für Unternehmen bedeute das, nicht nur innovative Produkte herzustellen, sondern sich gleichzeitig verstärkt auch als Dienstleister und Service-Anbieter für Software zu begreifen und aufzustellen. Mit Blick auf die Ausweitung intelligenter Technologien – Land nannte beispielsweise die Smartwatch oder ihren Energiebedarf automatisch steuernde Häuser – sollten Firmen auch auf die Aspekte Vernetzung und Automation großen Wert legen.
Die fortschreitende Digitalisierung bedeutet Land zufolge auch für die Politik Handlungsbedarf. „Das Internet ist die Infrastruktur der Wirtschaft 4.0. Somit ist ein schnelles Netz entscheidend für den Austausch von Daten und den Erfolg eines Unternehmens und wird zum Wirtschaftsfaktor“, sagte Land. Mit Blick auf die zunehmend rasante Entwicklung, die eine Technologie wie der 3D-Druck nehme, sei zu bezweifeln, ob Datengeschwindigkeiten von 100 Mbit/sek – wie es der Breitbandausbau vorsieht – lang- oder mittelfristig überhaupt ausreichen.
Zur Person
• Karl-Heinz Land bezeichnet sich selbst als „digitaler Darwinist und Evangelist“. In Anlehnung an die Evolutionstheorie des Biologen Charles Darwin, die das Überleben des Stärkeren in der Natur predigt, sieht er sich als Überbringer der Nachricht, dass sich Firmen anpassen müssen. Als Evangelist überbringe er die gute Nachricht, dass und wie das Überleben möglich sei. • Land berät Firmen in Fragen des digitalen Wandels, unter anderem über folgende Schwerpunkte: Geschäftsmodelle, E-Commerce, Cloud und Mobility. • Der Rheinländer gründete die Strategieberatung „neuland“ und wurde 2006 vom Time Magazine mit dem „Technology Pioneer Award“ ausgezeichnet. • Lang ist Co-Autor des Bestsellers „Digitaler Darwinismus – Der stille Angriff auf Ihr Geschäftsmodell und Ihre Marke“.
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