ver.di-Diskussionsveranstaltung zur Pflege in Siegen


 von Symbol © Kzenon / lia
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Kreis Olpe/Siegen. Braucht die Pflege eine neue Interessenvertretung durch eine Pflegekammer oder Pflegevereinigung? Dieser Frage gingen Pflegekräfte aus Krankenhäusern, Altenheimen, psychiatrischen Kliniken und der ambulanten Pflege bei einer Veranstaltung in der Bismarckhalle nach, für die als Referentin Maria Tschaut vom ver.di-Landesbezirk NRW, Fachbereich Gesundheit, soziale Dienste, Wohlfahrt und Kirchen zur Verfügung stand.


Die Politik in Nordrhein-Westfalen hat entschieden. Im Koalititonsvertrag der CDU-/FDP-geführten Landesregierung steht: „Nordrhein-Westfalen wird eine Interessenvertretung der Pflegenden errichten, wenn die Pflegenden dies wollen. Deshalb führt ver.di eine repräsentative Befragung bei den professionell Pflegenden durch. Diese Befragung der Pflegekräfte zur beruflichen Interessenvertretung soll über die Frage einer Landespflegekammer sowie der Alternative des Bayerischen Modells erfolgen.“

Vom ver.di-Standpunkt aus ist Pflege eine anspruchsvolle und verantwortungsvolle Tätigkeit, die in einer älter werdenden Gesellschaft immer wichtiger wird und dringend mehr Anerkennung und Wertschätzung braucht. „Ob die Probleme der Pflegeberufe durch die Errichtung von Pflegekammern zu lösen sind, sehen wir kritisch“, sagte Mechthild Boller-Winkel, Gewerkschaftssekretärin im Bezirk Siegen-Olpe, „denn entscheidend ist, dass sich die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung wirkungsvoll verbessern und darauf haben Pflegekammern keinen Einfluss.“
Befürworter und Gegner von Pflegekammern
Auch wenn ver.di den Pflegekammern kritisch gegenüber stehe, so würde die Gewerkschaft dennoch mit in die Verantwortung gehen, wo Pflegekammern politisch gewollt seien und fachkompetentes Wissen zum Nutzen der Beschäftigten in den Pflegeberufen einbringen, betonte Referentin Maria Tschaut.

Bei der Veranstaltung kamen auch Befürworter von Pflegekammern zu Wort. Die Schaffung einer Pflegekammer bedeute die Selbstverwaltung der Pflegefachpersonen durch Experten aus den eigenen Reihen. Befürworter der Pflegekammern sehen eins der grundsätzlichen Ziele darin, eine sachgerechte professionelle Pflege sicherzustellen. Demnach sei es die Aufgabe einer Kammer, berufliche Richtlinien und Vorschriften zu erlassen, die für die beruflich Pflegenden verbindlich sind. Kammern überwachen den Berufsstand und sollen dadurch Verbindlichkeit und Sicherheit schaffen, auf die sich Pflegende berufen können.

„So weit so gut“, sagte Mechthild Boller-Winkel. „ver.di sieht es selbstverständlich als wichtige Aufgabe, pflegebedürftige Menschen vor schlechter oder unsachgemäßer Pflege zu schützen. Doch aus ver.di-Sicht können Pflegekammern das nicht besser regeln als die staatlichen Stellen, die derzeit dafür eingesetzt sind.“
"Wir brauchen gute Tarifverträge"
Es mangele nicht an wissenschaftlichen Erkenntnissen in der Pflege, sondern an der Möglichkeit, diese aufgrund der Rahmenbedingungen in der Praxis vernünftig umzusetzen. Auf diese Rahmenbedingungen, die Finanzierung, Qualifikation und Qualitätssicherung garantieren, könnte eine Pflegekammer lediglich in derselben Form Einfluss nehmen wie es derzeit bereits durch die Berufsverbände und Gewerkschaften erfolgt. „95 Prozent der Pflegekräfte sind Arbeitnehmer. Die Verbesserung von deren Arbeitsbedingungen ist nur durch gute Tarifverträge zu erreichen. Und das können nur Gewerkschaften; da ist sind Pflegekammern außen vor“, erläuterte Mechthild Boller-Winkel weiter.

„Die korrekte Berufsausübung bedarf der gesellschaftlichen Kontrolle und unabhängiger Gerichte, die die Einhaltung von Gesetzen und Vorschriften zu überwachen haben. Das Disziplinarrecht dem Berufsstand zu überlassen, würde als Instrument der Qualitätssicherung nur eine geringe Wirkung entfalten. Das Beispiel der Ärzteschaft zeigt, dass es in der Regel den ordentlichen Gerichten überlassen bleibt, Betroffenen zu ihrem Recht zu verhelfen und auch die Gesellschaft vor unzuverlässigen Berufsangehörigen zu schützen“, erklärte ver.di-Referentin Maria Tschaut abschließend.
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