Update: Die Lennestädter Helfer sind wieder in Deutschland

LokalPlus-Ticker: Hilfe ins Kriegsgebiet


  • Kreis Olpe, 01.05.2022
  • Ukraine
  • Von Kerstin Sauer
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Auf dem Weg nach Hause: Die beiden Bullis, gesponsert von der Evangelischen Kirchengemeinde und vom Autohaus Baumhoff, sind mit ihren fleißigen Insassen wieder in Deutschland und gegen Mittag zu Hause in Lennestadt. von privat
Auf dem Weg nach Hause: Die beiden Bullis, gesponsert von der Evangelischen Kirchengemeinde und vom Autohaus Baumhoff, sind mit ihren fleißigen Insassen wieder in Deutschland und gegen Mittag zu Hause in Lennestadt. © privat

Lennestadt/Ukraine. Die Helfer sind an ihren Zielen angekommen: Während Lucina und Sarah in Radymno an der polnischen-ukrainischen Grenze zwei Flüchtlingsunterkünfte unterstützen, machen sich Sabine und Matthäus in Lemberg in der Ukraine auf den Weg und bieten ihre Hilfe an. Regelmäßig melden sich die Helfer bei LokalPlus, schicken Fotos - und berichten von beeindruckenden, schockierenden Erlebnissen.


Sonntag, 1. Mai, 6 Uhr: Die Helfer aus Lennestadt sind wieder auf deutschem Boden angekommen. Nach einer längeren Pause bei Matthäus' Onkel in Polen sind sie in der Nacht auf Sonntag wieder Richtung Heimat gestartet. Und freuen sich sehr auf zu Hause. Mit an Bord ist Larissa, eine Ukrainern, die in Lennestadt Fuß fassen möchte - natürlich wieder mit Hilfe des tollen Helfer-Teams.

„Wir danken allen, die uns - wie auch immer - unterstützt haben“, betonen alle. Und eins ist klar: Sie werden auch weiterhin helfen, so viel es geht.

Freitag, 29. April, 20.30 Uhr: Polen

Die Lennestädter Helfer melden sich erschöpft: Wegen intensiver Kontrollen mussten Sabine und Matthäus stundenlang an der Grenze warten, ihr Bulli wurde genau gefilzt. Matthäus klingt angeschlagen, als er berichtet: „So langsam fällt der Druck ab. In den vergangenen Tagen hat uns die ständige Arbeit soviel Adrenalin gegeben, jetzt lässt die Anspannung nach.“

Wiedersehen in Radymno/Polen: (v.l.) Lucina, Sabine, Matthäus und Sarah haben in den vergangenen Tagen Großartiges geleistet. von privat
Wiedersehen in Radymno/Polen: (v.l.) Lucina, Sabine, Matthäus und Sarah haben in den vergangenen Tagen Großartiges geleistet. © privat

In Radymno treffen die beiden auf Sarah und Lucina. Und freuen sich, als sie sehen, wie die Kinder an der Unterkunft glücklich mit ihren neuen Fahrrädern umher fahren und wieviel Hilfe dort angekommen ist.

In Krakau und Breslau haben die vier Helfer noch Aufgaben zu erledigen, dann steuern sie wieder den Hof von Matthäus‘ Onkel an der polnisch-deutschen Grenze an. „Und da schlafen wir“, freut sich Matthäus. Trotz aller Erschöpfung: Die Vier sind stolz auf das, was sie geschafft haben. „Wir sind gesund und die Aktion war mega-erfolgreich – nur das zählt.“

Lange Fahrzeugschlangen an der ukrainisch-polnischen Grenze. von privat
Lange Fahrzeugschlangen an der ukrainisch-polnischen Grenze. © privat

Freitag, 29. April, 15 Uhr: Ukraine

Sabine und Matthäus erreichen die Grenze. Die Schlange ist lang, doch die beiden Helfer kommen gut durch. Bald sind sie wieder auf polnischem Boden.

Zeitgleich in Polen:

Sarah und Lucina unterstützen weiterhin Flüchtlingsunterkünfte in Polen. Und erfahren angesichts der vielen Hilfsgüter, Lebensmittel und Geschenke unglaublich viel Dankbarkeit.

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Hilfe in Polen.

Freitag, 29. April, 14 Uhr: Ukraine

Während ihrer Fahrt zu ukrainisch-polnischen Grenze lassen Sabine und Matthäus das Erlebte noch einmal Revue passieren. „Je länger der Krieg dauert, desto weniger Unterstützung gibt es für die Betroffenen. Dabei wird die Hilfe noch so dringend gebraucht, die Angriffe werden immer mehr und immer heftiger“, betont Matthäus.

Auf dem Weg zur ukrainisch-polnischen Grenze. von privat
Auf dem Weg zur ukrainisch-polnischen Grenze. © privat

Auch die ukrainischen Helfer, so fügt Sabine hinzu, gehen auf dem Zahnfleisch: Sie sind von morgens bis abends im Einsatz an sieben Tagen in der Woche.“ Der Krieg, so fährt sie fort, hinterlasse nicht nur bei den Menschen im Kriegsgebiet, sondern auch bei den Helfern Spuren. „Ich ziehe den Hut vor den Menschen, die aus dem Krieg kommen – aber auch vor denen, die diese auffangen.“

Eindringlich bittet sie: „Helft weiter – Hilfe ist immer noch so dringend notwendig!“

Freitag, 29. April, 11.30 Uhr: Ukraine

Bevor Sabine und Matthäus sich wieder auf den Weg zurück nach Polen machen, treffen sie nochmal die Familie aus Mariupol. Andrej, Raja und Ilja haben sich entschieden, in Lemberg zu bleiben: Eine Trennung, wenn der Papa in der Ukraine bleiben müsste und Mutter und Sohn nach Lennestadt reisten, würde die Familie nach den schrecklichen Erlebnissen der vergangenen Wochen psychisch nicht verkraften.

Ein Andenken hat Sabine dort gelassen: ihre Schuhe. „Rajas Füße waren voller Blasen von der Flucht, die Schuhe waren durch. Wir hatten zufällig dieselbe Schuhgröße“, erzählt sie am Telefon.

Ein Bild aus Lemberg: der Flügel eines russischen Flugzeugs. von privat
Ein Bild aus Lemberg: der Flügel eines russischen Flugzeugs. © privat

Donnerstag, 28. April, 20.30 Uhr:

Sabine und Matthäus gehen zum Abschluss ihres bewegenden Tages mit der Familie aus Mariupol, deren Geschichte sie am Morgen so berührt hat, zum Abendessen. Sie sind müde. Ein langer Tag geht zu Ende.

 von privat
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Donnerstag, 28. April, 15.30 Uhr: Polen

Sarah und Lucina besuchen die nächste Flüchtlingsunterkunft, um ihre Hilfe anzubieten. Sie bringen einen kleinen Herd für die Küche, die noch nicht fertig ausgestattet ist, und Lebensmittel. Die Menschen sind zurückhaltend - aber unglaublich dankbar für die Hilfe aus Lennestadt.

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Donnerstag, 28. April, 15 Uhr: Ukraine

Sabine und Matthäus besuchen die zweite Familie – und sind tief ergriffen von dem, was sie sehen und erfahren. Zwei aus dem Kriegsgebiet geflüchtete Familien leben hier in einer Wohnung. Sie berichten von ihren Erlebnissen…

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Sabine und Matthäus besuchen zwei Familien, die aus dem Kriegsgebiet geflohen sind. Eine ergreifende Begegnung.

Obwohl die Frontlinie in ihrer Heimatstadt immer näher rückte, blieb die Familie – mit Oma, einem Kind mit Behinderung und einem Hund – dort. Ohne Wasser und Strom, es war eiskalt im Haus. Gegen ihren Durst schmolzen sie in einem Topf Schnee. So lange, bis eine benachbarte Fabrik abbrannte und der Schnee mit Asche bedeckt war. „Da war er nicht mehr genießbar“, hören die Helfer von der Familie.

Die Familie berichtet von einer Phosphorbombe in ihrer Straße, von Artilleriefeuer, an das sie sich schon gewöhnt hatten, und von den entsetzlichen Streubomben. Sie haben russische Soldaten gesehen, die wahllos auf Menschen geschossen haben. Mussten miterleben, wie Menschen direkt vor ihnen umgekommen sind.

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Fotos, die die Familien aus ihrer Heimat zeigt - dort herrscht Krieg, die Häuser der Familien existieren nicht mehr.

Bescheiden fragt die Familie nach Buchweizen und Kartoffeln. Sabine und Matthäus geben ihnen ein Bügeleisen, Wasserkocher, Kopfkissen und Bettbezüge sowie Lebensmittel, mit denen sie erstmal über die Runden kommen. Und einen Schlafsack. Matthäus erklärt: „Die junge Frau wandert gerne in der Natur. Und hofft, dass sie irgendwann wieder wandern, in der Natur übernachten kann. Mit dem Schlafsack.“

Donnerstag, 28. April, 11 Uhr:

Polen: Lucina und Sarah besuchen weitere Flüchtlingsunterkünfte und bieten ihre Hilfe an. Dringend gesucht werden in einem Haus ein Herd und Fahrräder. Über Kontakte können die Helferinnen beides besorgen und den Menschen übergeben.

Ukraine: In Lemberg fahren Sabine und Matthäus verschiedene Stellen an. Das Treffen mit einer Familie aus Mariupol bewegt die beiden Helfer sehr. Matthäus berichtet: „Die Familie hat mehr als vier Wochen im umkämpften Mariupol festgesessen, sich nur von Buchweizen und Kartoffeln ernährt. Sechs Tage lang waren sie auf ihrer beschwerlichen Flucht zu Fuß an der Küste unterwegs, bevor sie in ein nicht umkämpftes Gebiet kamen. Sie haben nichts mehr, ihr Haus ist zerstört, sie können nirgendwo hin zurückkehren.“

Matthäus und Sabine beladen ihren Bulli mit ihren Einkäufen. „Das ist nur möglich dank der vielen Spenden aus der Heimat“, betonen beide. von privat
Matthäus und Sabine beladen ihren Bulli mit ihren Einkäufen. „Das ist nur möglich dank der vielen Spenden aus der Heimat“, betonen beide. © privat

Sabine und Matthäus erzählen der Familie von Lennestadt, betonen, dass sie hier unterkommen könnten. Doch die Entscheidung, sich von ihrem Mann und Vater zu trennen, der in der Ukraine bleiben müsste, überfordert die Familie. Sie wissen nicht, was sie tun sollen.

Danach machen sich die Helfer auf den Weg zu einer Familie, dessen Kind durch das Kriegsgeschehen psychisch erkrankt ist. Mit Einkäufen möchten Sabine und Matthäus die Familie unterstützen.

Ein ergreifender Anblick: Eine Wand in Lemberg ist mit Blumen und Fotos von Menschen gefüllt, die im Krieg gestorben sind. von privat
Ein ergreifender Anblick: Eine Wand in Lemberg ist mit Blumen und Fotos von Menschen gefüllt, die im Krieg gestorben sind. © privat

Ebenso wie den jungen Mann, der 60 Kilometer von Lemberg entfernt Menschen in einem umkämpften Gebiet unterstützt. Dort bringen die Lennestädter Lebensmittel, Schlafsäcke, Powerbanks und vieles mehr hin.

„Das alles ist nur dank der vielen Spenden aus dem Kreis Olpe und aus Lennestadt möglich“, dankt Sabine. Und weiter: „Die Menschen zu Hause haben uns ihr Geld und ihre Spenden anvertraut, damit wir damit hier vor Ort helfen können.“

Sehenswürdigkeiten und Kulturschätze sind eingepackt, verbarrikadiert und versteckt, damit sie bei Angriffen etwas geschützt sind. von privat
Sehenswürdigkeiten und Kulturschätze sind eingepackt, verbarrikadiert und versteckt, damit sie bei Angriffen etwas geschützt sind. © privat

Mittwoch, 27. April, 18.15 Uhr: In Lemberg haben Matthäus und Sabine zuerst die zentrale Hilfsstelle am Hauptbahnhof besucht. „Viele Hilfsorganisationen sind dort vertreten, alle berichten, dass die Hilfe immer mehr abebbt“, berichtet Matthäus. Immer noch kommen Flüchtlinge an, aber derzeit werden es weniger. Die, die ankommen, erhalten Lebensmittel und Kleidung.

Anschließend besuchen die beiden Lennestädter ein großes Krankenhaus in der Nähe und unterhalten sich mit der Personaldirektorin: Diese sagt, dass dringend medizinische Geräte gebraucht werden.

Und, so fährt sie fort, FFP2-Masken, abwaschbare Stiefel und Handschuhe. Denn, so erklärt die Frau und führt die beiden Helfer in ein großes Zelt vor dem Hospital: „Das Krankenhaus ist verantwortlich für alle ABC-Angriffe (atomar, biologisch, chemisch) in der Ukraine, die kommen könnten. In diesem Zelt werden die Betroffenen zuerst abgewaschen und von den Kampfstoffen befreit. Dann muss sortiert werden: Wer kann überleben? Wer nicht?

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Eine Grundversorgung an Schutzkleidung sei da, berichtet die Direktorin. Diese reiche aber nur für höchstens zwei Phosphorbomben – danach wären die Mitarbeiter schutzlos und könnten die Patienten nicht mehr behandeln.

Beide Anfragen – nach medizinischem Gerät und Schutzkleidung – haben Matthäus und Sabine an ihre medizinische Kontaktgruppe weiter geleitet. In der Hoffnung auf Hilfe.

Währenddessen in Polen

Polen: Währenddessen besuchen Sarah und Lucina in Polen zwei Flüchtlingsunterkünfte in der Nähe von Radymno. Ihr Bulli ist vollgepackt mit Waren, vor allem Lebensmittel, die sie in die Unterkünfte bringen.

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In einer der ärmlichen Unterkünfte treffen die Helferinnen eine Familie an, deren Häuser alle komplett zerstört wurden. Die Freude ist groß angesichts der vielen Hilfsgüter. Vor allem die Kinder strahlen, als Sarah und Lucina ihre Waren bringen und Zeit mit den Familien verbringen.

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