Ratgeber Recht: Gesundheitssystem im Ausnahmezustand

LokalPlus-Serie


  • Kreis Olpe, 30.04.2020
  • Von Dr. Christina Bongers
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    Dr. Christina Bongers

    Redaktion

Dr. Christina Bongers, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Medizinrecht, informiert. von Grafik: Sarah Menn
Dr. Christina Bongers, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Medizinrecht, informiert. © Grafik: Sarah Menn

Kreis Olpe. In der Mai-Folge unserer Serie „Ratgeber Recht“ in Kooperation mit der Olper Kanzlei Dietzmann, Hesse, Dr. Buchmann und Partner geht es ums Thema Corona-Krise und Gesundheitssystem. Dr. Christina Bongers, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Medizinrecht, informiert.


Das deutsche Gesundheitssystem befindet sich aufgrund der Corona-Pandemie insgesamt in einem Ausnahmezustand. Dies gilt nicht nur für die stationäre Versorgung und auch nicht nur für die Bereiche, die unmittelbar mit der Versorgung von an COVID-19 Erkrankten befasst sind.

Hier ein Überblick über ausgewählte, aktuell aufgrund der Corona-Krise bestehende Sonderregelungen in der ambulanten Versorgung gesetzlich krankenversicherter Patienten. Diese Regelungen sollen eine bestmögliche Versorgung während der Corona-Pandemie gewährleisten und gleichzeitig die Verbreitung des Virus eindämmen. Dabei gilt es, sowohl den Belangen des einzelnen Patienten bestmöglich gerecht zu werden, als auch die Aufrechterhaltung der Versorgung insgesamt sicherzustellen.
AU-Bescheinigung per Telefon
Vertragsärzte dürfen Patienten bis zu sieben Kalendertage am Telefon krankschreiben. Voraussetzung ist, dass es sich um eine leichte Erkrankung der oberen Atemwege handelt. Dies gilt auch dann, wenn der Verdacht auf eine Infektion mit dem Coronavirus besteht. Liegt ein begründeter Verdacht auf eine Infektion mit dem Virus vor, informiert der Arzt den Patienten über das weitere Vorgehen.

Diese AU-Bescheinigung kann bei fortdauernder Erkrankung telefonisch einmal um weitere sieben Kalendertage verlängert werden. Die Ausnahmeregelung gilt vorerst bis zum 18. Mai 2020. Über eine Verlängerung soll rechtzeitig vor Auslaufen der Regelung entschieden werden.
Ärztliche Konsultation per Telefon und Videosprechstunde
Während der Corona-Pandemie können Ärzte und Psychotherapeuten ihre Patienten öfter und länger telefonisch betreuen. Die Telefonkonsultation ist nur bei bekannten Patienten möglich, d.h. der Patient muss seit 1. Oktober 2018 wenigstens einmal in der Praxis gewesen sein.

Ärzte, die über die entsprechenden technischen Voraussetzungen verfügen, können zudem unbegrenzt Videosprechstunden anbieten. Solche sind bei allen Indikationen möglich und auch dann, wenn der Patient zuvor noch nicht in Behandlung bei dem Arzt war. Auch ärztliche und psychologische Psychotherapeuten dürfen bestimmte Leistungen per Videosprechstunde durchführen. Diese Regelung ist bislang befristet bis zum 30. Juni 2020.
Verordnung von Heilmitteln
Bei der Verordnung von Heilmitteln, also insbesondere im Bereich der Physiotherapie, Ergotherapie, Podologie, Ernährungstherapie und Logopädie, wurden Lockerungen vorgenommen: Solche Therapien können vorerst für einen längeren Zeitraum unterbrochen werden - die Regelung, wonach Verordnungen ihre Gültigkeit verlieren, wenn die Behandlung länger als 14 Kalendertage unterbrochen wird, ist vorerst ausgesetzt.

Auch die Maximalfrist zwischen Verordnungsdatum und Therapiebeginn wird vorerst aufgehoben. In beiden Fällen behalten ärztliche Verordnungen ihre Gültigkeit. Die Regelung ist derzeit befristet bis zum 31. Mai 2020.
Arzneimittelrezepte und Folgeverordnungen
Ärzte dürfen für Patienten, die bei ihnen in Behandlung sind, Arzneimittelrezepte und Folgeverordnungen zur häuslichen Krankenpflege, für Heilmittel, für Hilfsmittel und zur Krankenbeförderung auch nach telefonischer Anamnese ausstellen und per Post zuschicken. Die entstehenden Portokosten übernimmt der Arzt – diesem werden die Kosten dann von den Krankenkassen erstattet.

Die Patienten müssen also nicht mehr die Praxen aufsuchen, nur um sich ein Rezept oder eine Verordnung abzuholen. Bei bekannten Patienten (Patienten, die seit dem 1.10.2018 mindestens einmal in der Praxis waren) muss auch die Versichertenkarte nicht eingelesen werden. Diese Regelung ist nach derzeitigem Stand ebenfalls befristet bis zum 31.5.2020.
Zahnärztliche Behandlung
Die zahnärztliche Versorgung ist sichergestellt. Jedoch sollen die Zahnärzte nach Abklärung und Ausschluss von besonderen Infektionsrisiken gemeinsam mit dem Patienten entscheiden, ob eine geplante Behandlung wirklich erforderlich ist oder zunächst aufgeschoben werden kann.

Aus Gründen des Infektionsschutzes soll die Behandlung von infizierten oder unter Quarantäne gestellten Patienten in den Praxen soweit wie möglich vermieden werden. Die Notfallversorgung solcher Patienten erfolgt nach Rücksprache mit dem Zahnarzt und Überprüfung der Umstände in speziell eingerichteten zahnmedizinischen Praxen und Zentren.
Hebammen
Auch im Bereich der Versorgung von Schwangeren und Wöchnerinnen durch Hebammen darf die digitale Technik als Ersatz für den direkten Kontakt dienen. Die Beratung und Betreuung kann vorübergehend per Telefon und Videotelefonie durchgeführt werden.

Das gilt auch für Vorgespräche vor der Entbindung, die Betreuung bei Schwangerschaftsbeschwerden oder bei Wehen sowie die Betreuung in Wochenbett und Stillphase. Auch Geburtsvorbereitungs- und Rückbildungskurse können Hebammen derzeit als digitalen Live-Kurs anbieten.

Die vorstehend exemplarisch aufgeführten Sonderregelungen sind nach derzeitigem Stand (29.4.2020) zeitlich begrenzt. Sie können sich aufgrund der Dynamik der Entwicklungen zudem ändern. Aktuelle Informationen sind stets hier abrufbar:
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