Rasanter Anstieg bei Austritten - wie reagiert katholische Kirche vor Ort?

1.523 Katholiken im Kreis Olpe weniger


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Immer mehr Menschen kehren der Kirche den Rücken. von Pixabay/Symbolfoto
Immer mehr Menschen kehren der Kirche den Rücken. © Pixabay/Symbolfoto

Kreis Olpe. Die jetzt veröffentlichte Kirchenstatistik 2022 der Deutschen Bischofskonferenz zeigt einen Negativrekord bei der Zahl der Austritte. 522.821 Menschen haben sich im vergangenen Jahr entschieden, die katholische Kirche zu verlassen - so viele wie noch nie. 1.523 Katholiken im Kreis Olpe kehrten der Kirche den Rücken - 656 Menschen bzw. 75 Prozent mehr als im Jahr davor. Wie reagieren Geistliche im Kreis Olpe auf diese Entwicklung?


Zudem gab es im vergangenen Jahr im Kreis Olpe 250 Austritte (2021: 186) aus der evangelischen Kirche; bundesweit waren es 380.000. Insgesamt haben also 1.773 Menschen aus dem Kreis Olpe die beiden großen christlichen Kirchen verlassen.

Fehlende Bindung

Laut einer Studie des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Evangelischen Kirche Deutschland ist die fehlende Mitgliederbindung ein stärkerer Grund für den Kirchenaustritt als konkrete Anlässe. Die haben nur 37 Prozent der befragten vormals Katholischen und 24 Prozent der befragten vormals Evangelischen angegeben. Dazu zählen unter anderem die Skandale zum Kindesmissbrauch, die Verschwendung finanzieller Mittel und die Ablehnung von Homosexuellen.

Weiter begründeten die Studienteilnehmer ihre Distanzierung unter anderem mit kaum religiöser Orientierung in der Familie, zunehmenden Zweifeln durch Verfehlungen der Kirche sowie einer neuen Lebenssituation.

Umgang mit Ausgetretenen im Fokus

Doch wie wird hier vor Ort, also in den Pastoralverbünden des Kreises Olpe, mit den Kirchenaustritten umgegangen? Ein Großteil der pastoralen Räume im Kreisgebiet nehme nach einem Austritt noch einmal Kontakt per Brief auf, erklärt Pfarrer Andreas Neuser, Dechant des mit dem Kreis Olpe deckungsgleichen Dekanates Südsauerland.

Der Umgang mit Ausgetretenen und auch die vielfältigen Gründe hinter deren Entscheidung hätten im Mittelpunkt der Dekanatskonferenz der Hauptamtlichen im Mai gestanden, erzählt der Dechant. Dabei sei es auch um Formulierungen in dem Standardbrieftext gegangen.

Dechant Andreas Neuser von privat
Dechant Andreas Neuser © privat

„Der Brief, den wir bisher verwendet haben, wurde noch einmal deutlich verändert“, erklärt er. Inhalt sei auch die Wertschätzung der Entscheidung sowie ein Gesprächsangebot an den Ausgetretenen. Pfarrer können den Text zusätzlich personalisieren. Im Pastoralverbund Attendorn, in dem Neuser als Pfarrer wirkt, würden sich etwa zehn Prozent der Empfänger zurückmelden.

„Die Menschen sind nicht weg“

In Olpe und Drolshagen wird dieses Schreiben nicht versandt. In der Regel gebe es kaum Reaktion, begründet Pfarrer Johannes Hammer, Leiter des Pastoralen Raums Olpe-Drolshagen. Er sei kein Befürworter der Briefe und bevorzuge den persönlichen Kontakt zu den Menschen.

„Bei verschiedenen Feierlichkeiten betone ich, dass auch diejenigen willkommen sind, die Abstand zur Kirche genommen habe. Die Menschen sind ja nicht weg – auch, wenn es sehr schade und traurig ist und nicht unbedingt die Gemeinschaft der Kirche stärkt.“

Pfarrer Johannes Hammer von Wolfgang Hesse
Pfarrer Johannes Hammer © Wolfgang Hesse

Viele gesellschaftliche Institutionen hätten zur Zeit Mitgliederschwund. Den Missbrauchsskandal als einzigen ausschlaggebenden Grund für den Kirchenaustritt zu sehen, halte er für einen verengten Blick auf die Gemengelage. „Es ist wichtig, die notwendige Offenheit zu haben und mit Menschen in den Austausch zu treten.“

„Die Zahlen schnellen nach oben“

Die Vielschichtigkeit der Gründe betont auch Dechant Andreas Neuser: „Ein großer Grund sind die Missbrauchsskandale, aber auch die Unglaubwürdigkeit der Kirche. Die Zahlen schnellen nach oben, wenn es einen besonderen Anlass gibt, wie die Razzia bei Woelki.“

Sensibilität für das Thema Missbrauch möchte man mit Präventionsschulungen für Mitarbeiter der Kirche schaffen. Und die jungen Leute von 20 bis 30 Jahren, eine stark vertretene Gruppe unter den Austretenden, schrecke häufig auch die Kirchensteuer zum Start ins Berufsleben ab.

„Es ist erst einmal eine persönliche Entscheidung, die wir respektieren, aber natürlich auch bedauern“, betont Andreas Neuser. Viele Leute trennten zwischen Kirchenbindung und Glauben. „An vielen Tendenzen können wir hier vor Ort nichts tun, da das die Großwetterlage ist.“ Und letztlich mache es auch einen großen Unterschied, wie man die Kirche im eigenen Leben erlebt hat: bestärkend und aufbauend oder negativ.

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