Persönliche Beratung und Vor-Ort-Erlebnis als größte Stärke

Buchhandlungen setzen im Konkurrenzkampf mit Online-Händlern auch auf Flexibilität und Aktionen


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 von s: Ina Hoffmann
© s: Ina Hoffmann

Im Jahr 1995 erklärte die Unesco den 23. April zum Welttag des Buches, einem Feiertag für Leser, Bücher und die Rechte der Autoren. Zu diesem Anlass hat sich LokalPlus im Vorfeld bei den Buchhändlern Uta Deitenberg von der Buchhandlung am Rathaus in Finnentrop und Michael Frey von der Buchhandlung Frey in Attendorn umgehört und Fragen gestellt: Ist Lesen noch „in“? Wie begegnet der Buchhandel vor Ort den großen Internetkonzernen? Wie gelingt es den Buchhändlern, ihre Kunden vom Sofa zu locken?


Die Buchhandlungen und Betreiber
Bereits im Jahre 1879 eröffnete Buchhändler und Buchbindermeister Theodor Frey die Buchhandlung Frey in Attendorn. Diese wird heute in vierter Familiengeneration von Michael Frey geführt. Mit der Buchhandlung von damals hat das heutige Geschäft nur noch wenig zu tun: Die Bestseller-Wand wird wöchentlich aktualisiert, auf Aktionstischen werden Neuerscheinungen ausgestellt und aktuell interessante Themen präsentiert. Doch nicht nur Bücher finden ein neues Zuhause: Geschenkartikel, Glückwunschkarten oder Schreibwarenartikel vervollständigen heute das Angebot der Buchhändler. Michael Frey eröffnete im Jahr 2008 für diese Abteilungen eigens das Papierhaus Frey in Attendorn, um in der Buchhandlung wieder mehr Platz für ein breiteres Buchsortiment zu haben.
Auch die Buchhandlung am Rathaus in Finnentrop, gegründet im Jahr 1988 durch Elisabeth Schäfer und Doris Müller und seit 2005 geleitet von Buchhändlerin Uta Deitenberg, wurde vor fünf Jahren komplett renoviert und neu strukturiert. Um die Waren besser in Szene setzen zu können, sagt Deitenberg.
Schneller als die Internethändler
„Das Kaufverhalten der Kunden hat sich vor allem in den letzten zehn Jahren stark verändert“, weiß Michael Frey, Buchhändler seit 26 Jahren. „Die meisten Kunden sind bereits sehr gut durch Online-Portale und Zeitungen informiert und kommen in den Laden, um gezielt ein bestimmtes Buch zu kaufen“. Durch das vielfältige Angebot der großen Internethändler sei der Buchhandel eine der am stärksten vom Online-Boom betroffenen Branchen. Dabei seien die Bücher aus dem Internet keineswegs günstiger oder schneller im Briefkasten: „Durch die Ladenpreisbindung kosten Bücher in der Buchhandlung genau so viel wie im Internet. Und wer bis 17 Uhr in der Buchhandlung bestellt, kann seine Bestellung in der Regel bereits am nächsten Morgen bei Ladenöffnung abholen. Damit ist der stationäre Buchhandel meist schneller als die Internethändler“, erklärt Uta Deitenberg, seit 27 Jahren Buchhändlerin.
Online-Einkauf in der lokalen Buchhandlung
Auch der Buchhandel geht mit der Zeit und hat früh die Chancen des Internethandels erkannt: Wie die meisten Buchhandlungen verfügen auch die Buchhandlungen am Rathaus und Frey seit Jahren über eigene Homepages, über die das gewünschte Buch auch nach Ladenschluss bequem online angefordert werden kann. „Die Erfahrung zeigt, dass der Kunde von heute gerne abends vom Sofa aus einkauft. Diesem neuen Bedürfnis wollen wir mit dieser Einkaufsmöglichkeit gerne Rechnung tragen“, so Michael Frey. Auf den Internetseiten der Buchhandlungen kann bereits am Computer geprüft werden, ob der Wunschtitel vor Ort am Lager ist, und dieser dann reserviert werden, um ihn abzuholen oder per Post nach Hause schicken zu lassen. „Der Großteil der Kunden holt die im Internet bestellte Ware trotzdem vor Ort bei uns ab. So kann gleich noch ein bisschen gestöbert werden“, berichtet Uta Deitenberg.
„Gerade in den letzten Jahren, seit Bekanntwerden der Machenschaften und Arbeitsbedingungen mancher Internethändler, sind die Zugriffe und Bestellungen über unsere Internetseite stark angestiegen“, weiß Michael Frey. „Den Kunden scheint auch bewusst geworden zu sein, welche Auswirkungen es auf das Stadtbild und ihren Alltag haben würde, nur noch Waren im Internet zu bestellen“.
Facebook
Doch nicht nur über ihre Homepages, sondern auch auf ihren Facebook-Seiten halten die beiden Buchhandlungen Kontakt zu ihren Kunden. Dort bewerben sie neue Bücher, machen auf Veranstaltungen aufmerksam oder berichten aus dem Alltag in der Buchhandlung. „Facebook ist eine ganz besondere Möglichkeit, mit den Kunden zu kommunizieren. Große Resonanz erhalten wir immer auf Beiträge, in denen wir die User hinter die Kulissen schauen lassen oder über Lokales berichten“, so Michael Frey.
e-books vor Ort
Auch e-books können in der lokalen Buchhandlung bezogen werden. Sogenannte „Pocket Reader“ können über die Online-Shops oder vor Ort erworben werden. „Dabei handelt es sich um offene Systeme, sodass die Kunden nicht gezwungen sind, fortan bei einem bestimmten Händler einzukaufen, sondern überall e-books beziehen können“, verrät Michael Frey. Vor Ort oder über den Shop können die elektronischen Bücher angefordert werden, die dann per Mail zugesandt und auf den eigenen Reader geladen werden können. „Gerade für Vielleser oder Urlauber sind e-books natürlich sehr praktisch. Die Resonanz auf dieses Angebot steigt stetig an“, berichtet Uta Deitenberg.
„Ich schenk dir eine Geschichte“
Die Buchhandlung am Rathaus und Frey beteiligen sich, wie 3500 weitere Buchhandlungen deutschlandweit, an dem Projekt „Ich schenk dir eine Geschichte“, einer Aktion der „Stiftung Lesen“ und des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. Bereits seit 20 Jahren verteilen teilnehmende Buchhandlungen am Welttag des Buches einen jährlich wechselnden Titel an Schulkinder, um den Spaß am Lesen durch spannende Geschichten zu wecken und zu fördern. Insgesamt wurden in den letzten Jahrzehnten mehr als 14 Millionen Bücher zu diesem Zweck verschenkt.
Viele Lehrer besuchen mit ihren Schulklassen, die sie dafür zuvor bei der Aktion anmelden mussten, die Buchhandlungen und holen ihre Bücher vor Ort ab. „In diesem Jahr verteilen wir mehr als 400 Exemplare von „Im Bann des Tornados“ von Annette Langen“, verrät Uta Deitenberg.
Bastelwettbewerb mit Buchgeschenken
Die Buchhandlung Frey zieht rund um den Welttag des Buches immer besonders viele junge Besucher an: 15 Schulklassen besuchen in diesem Jahr das Geschäft und werden von den Mitarbeitern durch den Laden geführt. So erhalten sie einen Einblick in die Arbeit. „Viele Kinder haben eine Buchhandlung bisher kaum von innen gesehen. Wir möchten hier als Türöffner fungieren und ihnen die Scheu nehmen, sich umzusehen und zu stöbern“, so Michael Frey.
Im Anschluss an die Führung basteln die Schulklassen gemeinsam eine eigene Buchhandlung aus einem Schuhkarton. Die fertigen Werke werden ausgestellt, sodass abgestimmt werden kann, welche Bastelarbeit am besten gelungen ist. „Die Siegerklasse erhält einen prall gefüllten Bücherkoffer für die Klassenbibliothek“, kündigt Michael Frey an.
Immer neue Aktionen
Auch abseits des Welttags des Buches warten die beiden Buchhandlungen immer wieder mit besonderen Aktionen auf. So können sich Kunden nach Ladenschluss für drei Stunden in der Buchhandlung Frey einschließen lassen, um sich in aller Ruhe umsehen zu können. „Im Alltag ist oft nicht die Zeit in Ruhe zu stöbern oder in Bücher reinzulesen. Deshalb bieten wir die Möglichkeit, ohne Zeitdruck alles ansehen zu können“, so Michael Frey. Zum Frühlingsmarkt in Attendorn, der am Samstag, 23. April, und Sonntag, 24. April, stattfindet, hat sich Michael Frey etwas Besonderes ausgedacht: „Die Schaufenster des Papierhauses Frey können an diesem Tag von unseren kleinen Kunden mit Fingerfarben verziert werden. Wir freuen uns über viele tolle Frühlingsmotive und werden diese Werke in den darauffolgenden Tagen auch weiterhin präsentieren“, so der Buchhändler. Die Buchhandlung am Rathaus bietet den „Dienstagsknaller“ an: An jedem Dienstag erwartet die Kunden eine neue Rabattaktion. So können in den nächsten Wochen Schulhefte, Glückwunschkarten, Geschenkartikel oder Füller an diesem Tag günstiger eingekauft werden.
Geschenkboxen
Für Geburtstags- oder Kommunionkinder bieten beide Buchhandlungen einen besonderen kostenlosen Service an: In den Geschenkboxen können Wünsche gesammelt und bereitgestellt werden, sodass die Gäste nicht lange überlegen müssen, was gefällt und das Geburtstagskind bekommt genau das, was es sich wünscht; seien es Bücher, Stifte, Hörspiele oder vieles mehr. „Viele Kunden nehmen diese Aktion gerne an. Die Kinder freuen sich sehr, ihre Kisten zu packen und freuen sich noch einmal, wenn sie ihre Wünsche tatsächlich geschenkt bekommen“, verrät Uta Deitenberg.
Autorenlesungen
Beide Buchhandlungen bieten in unregelmäßigen Abständen Lesungen an, bei denen die Autoren aus ihren Werken lesen und sich mit den Zuhörern austauschen können. Neben der klassischen Autorenlesung bieten beide Buchhandlungen auch besondere Lesungen an: Die Buchhandlung am Rathaus hat bereits mehrfach Lesungen bei Kaffee und Kuchen veranstaltet, bei denen die Zuhörer bei selbstgebackenen Leckereien von der Kuchentafel dem Autoren lauschen können. „Diese Veranstaltungen finden immer großen Anklang“, so Uta Deitenberg.
Michael Frey bietet im Oktober gemeinsam mit dem Feinkosthandel Kost und dem Fischfachgeschäft Jakob eine kulinarische Lesung zum Trendthema „Gin“ an. Neben der Lesung, natürlich passend zum Thema, werden Essen und Getränke gereicht, sodass ein Rundumerlebnis entsteht. „Die erste Veranstaltung dieser Art war an beiden Abenden ausverkauft. Den Kunden gefiel dieses besondere Erlebnis sehr“, so Michael Frey.
Persönliche Beratung
Die Leser schätzen nicht nur das vielfältige Angebot und die Aktionen der Buchhandlungen, sondern auch vor allem die persönliche Beratung. Manche möchten sich eben nicht auf Hinweise wie „Kunden, die diesen Artikel kauften, kauften auch…“ verlassen. „Die Stärke des stationären Buchhandels liegt in der persönlichen Beratung. Die Kunden schätzen es, wenn man sich Zeit für Sie nimmt“, weiß Michael Frey. „Die Rückmeldung auf persönliche Buchempfehlungen ist meist sehr positiv. Die Kunden bedanken sich im Nachhinein für einen Buchtipp oder lassen sich weitere Bücher empfehlen“, so Uta Deitenberg.
Aktuelle Lesetipps der Experten
Uta Deitenberg empfiehlt „I saw a man“ von Owen Sheers. „Der Roman überzeugt durch eine unterschwellige Spannung und tolle Sprache. Ein Buchtipp für Männer und Frauen“. Michael Frey liest gerade „Der goldene Handschuh“ von Heinz Strunk. „Das ist ein tolles Buch, das mich total überzeugt hat. Strunk betreibt eine Sittenstudie vom Hamburger Kiez mit toller Sprache“.
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