„Passabel, aber kein Grund zur Euphorie"

IHK kommentiert Ergebnisse der jüngsten Konjunkturumfrage


 von Symbol Matthias Clever
© Symbol Matthias Clever

Optimismus bei Dienstleistern und im Handel. Verhaltene Erwartungen in der Baubranche. Gemischte Gefühle im Großhandel und in Teilen der Industrie. „Zudem wächst die Unzufriedenheit mit der Wirtschaftspolitik. Trotz überwiegend passabler Lage alles in allem also kein Grund zur Euphorie“, fasst IHK-Präsident Felix G. Hensel die Ergebnisse der jüngsten Konjunkturumfrage der Kammer zusammen, an der sich mehr als 450 Unternehmen aus Industrie, Handel und Dienstleistungen in den Kreisen Siegen-Wittgenstein und Olpe beteiligt haben.


Das aktuelle Konjunkturklima hat sich gegenüber dem Sommer leicht verbessert. Deutlich mehr als ein Drittel aller Unternehmen beschreiben ihre Situation als gut. „Etlichen Betrieben fehlen aber die Folgeaufträge, um auf mittlere Sicht besser durchstarten zu können. Dies erklärt die gestiegene Vorsicht der Unternehmen“, so der Hensel. Nur noch knapp jeder Fünfte baut auf Steigerungen, im vergangenen Januar waren es 23 Prozent. Allerdings befürchten auch nur 17 Prozent künftig schlechtere Geschäfte. Unter dem Strich ist der Konjunkturklimaindex, die Zusammenfassung von Lagebeurteilungen und Erwartungen, gegenüber Jahresbeginn leicht von 111 auf 112 Punkte gestiegen.
Turbulenzen auf dem Weltmarkt
Die weltwirtschaftlichen Turbulenzen erschwerten laut Hensel inen breiter getragenen Aufschwung. Die Weltkonjunktur erhalte derzeit vor allem wegen der Schwäche Chinas und der Schwellenländer deutliche Dämpfer. Nicht zuletzt deswegen habe der IWF seine Wachstumsprognose für die Weltwirtschaft in der vergangenen Woche gesenkt, so der IHK-Präsident. Bei der wichtigen chinesischen Wirtschaft erwarten die regionalen Unternehmen allerdings keinen Einbruch. In Bezug auf Russland befürchten etliche Betriebe jedoch weitere Nachfrageausfälle. Hier verschärfe sich insbesondere durch den niedrigen Ölpreis und die Westsanktionen die Rezession. „Es gibt jedoch durchaus Indikatoren, die zuversichtlich stimmen“, ergänzte IHK-Hauptgeschäftsführer Klaus Gräbener: „Die Produktionsauslastungen haben in der Spitze noch einmal zugelegt, es wird im Inland wieder mehr investiert, und auch die Beschäftigungsentwicklung verbleibt alles in allem gesehen derzeit auf hohem Niveau.“ Inlands- und Auslandsumsatz der regionalen Industrie kletterten insgesamt um 3,4 Prozent bzw. um 1,8 Prozent. Positiv für den Export wirkten sich Impulse aus der EU und den USA aus. Der Konsum kurbelt auch die hiesige Wirtschaft an. Verbraucherorientierte Bereiche profitieren deutlich davon.
Auswirkungen des VW-Skandals
Aus der Gemengelage ergeben sich zwischen den Wirtschaftszweigen und zum Teil auch innerhalb einzelner Branchen große Unterschiede: Die Geschäfte werden derzeit vor allem von Dienstleistern, Bauunternehmen und Einzelhändlern deutlich besser eingestuft als zum Jahresanfang. In der Industrie wird die Lage ähnlich gut beurteilt wie im Januar. Allerdings lief es für die Produzenten aus den Bereichen Automotive, Verbrauchsgüter und Bauprodukte besser als bei Betrieben, die auf dem russischen Markt oder in der Öl-, Gas- oder Stahlindustrie wichtige Abnehmer haben bzw. hatten, wie etwa im Anlagenbau oder der Walzenherstellung. Der Großhandel urteilt insgesamt ungünstiger. Klaus Gräbener: „Unsicherheit verbreitet sicherlich auch der VW-Skandal. Niemand weiß, wie er sich auf das ,made in Germany´ auswirkt. Hier haben einige Wenige dem weltweiten Ansehen der deutschen Wirtschaft einen Bärendienst erwiesen, unter dem möglicherweise sehr viele Unternehmen länger zu leiden haben werden als uns heute bewusst ist.“
Sozialsysteme: Flüchtlinge als Chance
Für die nahe Zukunft sehen vor allem das Dienstleistungsgewerbe und der Einzelhandel weitere Steigerungen. Der Bau nimmt vorrangig aus saisonalen Gründen seine Erwartungen zurück. Wie sich die hohen Flüchtlingszahlen im Land auf die Konjunktur auswirken, sei noch unklar. „Mittel- und langfristig bieten die vielen jungen Zuwanderer eine Chance, die Sozialsysteme zu entlasten. Dies wiederum hängt entscheidend davon ab, wie schnell und wie effektiv Flüchtlinge in das Beschäftigungssystem einmünden.“ Nach wie vor betrachten die Unternehmen den Mindestlohn als Hindernis beim Beschäftigungsausbau, auch in Verbindung mit der gestiegenen Bürokratie, betonte IHK-Referatsleiter Stephan Jäger: „Insgesamt sehen 37 Prozent aller Betriebe die Entwicklung der Arbeitskosten als Risiko für die weitere Entwicklung. Die Wirtschaftspolitik verfolgen 43 Prozent mit Sorge. In der Industrie fallen diese Anteile sogar noch höher aus. Nicht zuletzt haben Themen wie die Rente mit 63, die Erbschaftsteuerreform bis hin zum Klima- und Landesentwicklungsplan neben dem Mindestlohn dazu beigetragen.“ (LP)
Die Umfragewerte aus den einzelnen Branchen
• In der Industrie gibt knapp ein Drittel eine gute Lage an, „schlecht“ sagen nur 17 Prozent. 43 Prozent der Betriebe sind bis zur Spitze ausgelastet, acht Prozentpunkte mehr als im Januar. Mit den Auftragsbeständen ist der Großteil zufrieden. Allerdings meldet fast ein Drittel fallende Inlandsaufträge, in Bezug auf Auslandsorders sind es noch mehr. Im Ergebnis erwartet nur noch knapp jeder fünfte Industriebetrieb künftig Zuwächse, etwas mehr befürchten Einbußen. Deutlich über die Hälfte setzt immerhin auf einen gleichbleibenden Verlauf. Die Betriebe im Kreis Olpe nehmen ihre Erwartungen nicht so stark zurück wie im Kreis Siegen-Wittgenstein. Für Letztere spielen die genannten Konjunkturrisiken wegen höherer Anteile bei der Metallerzeugung sowie dem Maschinen- und Anlagenbau eine größere Rolle. • 44 Prozent der Baubetriebe melden eine gute Lage, nur 4 Prozent eine schlechte. Zwei Drittel sind zu über 85 Prozent ausgelastet, den Auftragsbestand stufen 41 Prozent als hoch ein. Vor allem saisonal bedingt gehen die wenigsten von weiteren Zuwächsen aus. Über drei Viertel erwarten stabile Geschäfte auf derzeitigem Niveau. Nur 15 Prozent sind skeptisch. • Fast jeder dritte Einzelhändler stuft die Lage als gut ein, nur 14 Prozent als schlecht. Das Kaufverhalten wird besser als zu Jahresbeginn eingeschätzt, allerdings nicht in allen Branchen. Unter dem Strich erhofft sich der regionale Einzelhandel durch die weiter guten Rahmenbedingungen für den Konsum und das anstehende Weihnachtsgeschäft positive Impulse. Jeder Fünfte erwartet Zuwächse, 16 Prozent Rückgänge. • Knapp jeder vierte Großhändler meldet eine gute Lage an, etwas mehr aber eine schlechte. Besonders im gewichtigen produktionsnahen Großhandel fällt die Bilanz ungünstiger aus. Im konsumnahen Bereich ist sie nur wenig besser. Auf große Sprünge setzt der gesamte Großhandel nicht: Nur noch ein Fünftel erwartet Zuwächse, ebenso viele Einbußen. Immerhin bauen über 60 Prozent auf stabile Verläufe. • Mehr als jeder zweite Dienstleister beschreibt die Lage als gut, nur 7 Prozent als schlecht. Verkehrs- und unternehmensnahe Dienstleister urteilen besonders positiv. Sie profitieren sowohl von hohen Produktionsauslastungen als auch von der guten Verbrauchernachfrage. Im Dienstleistungsgewerbe ist die Zuversicht weiter groß: Fast ein Viertel erwartet künftig bessere Geschäfte, nur 7 Prozent schlechtere. • Der regionale Arbeitsmarkt entwickelte sich positiv: Im September waren mit 11.559 Personen über 400 weniger arbeitslos gemeldet als im Vorjahr. Die Arbeitslosenquote sank im Jahresvergleich um 0,2 Prozentpunkte. Allein die hiesige Industrie beschäftigte im Sommer 2015 fast 700 Mitarbeiter mehr als genau vor einem Jahr. Allerdings planen nun nur noch 16 Prozent aller Betriebe mehr Beschäftigte ein. Die große Mehrheit von über 70 Prozent hält die Belegschaft konstant, nur 14 Prozent befürchten einen Stellenabbau. In fast allen Branchen stabilisiert sich so die Beschäftigung auf hohem Niveau. Die Dienstleister möchten sogar weiterhin Personal aufstocken. (LP)
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