„Nicht reden, sondern handeln“

Unermüdlich engagiert und Vorreiterin für die Frauen: Eine Erinnerung an Elsbeth Rickers


  • Kreis Olpe, 20.04.2016
  • Von Barbara Sander-Graetz
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    Barbara Sander-Graetz

    Redaktion

Elsbeth Rickers.
Elsbeth Rickers.

Am heutigen 20. April wäre Elsbeth Rickers 100 Jahre alt geworden. Leider verstarb sie am 18. September 2014 im Alter von 98 Jahren. Wer war diese Elsbeth Rickers, die erste und bis heute einzige Ehrenbürgerin der Gemeinde Wenden?


Von 1964 bis 1983 war sie als erste Frau überhaupt im Kreistag, war Vorsitzende des Jugendwohlfahrtsausschusses und des Sozialausschusses, gehörte 15 Jahre als CDU-Abgeordnete dem Düsseldorfer Landtag an, und im Juli 1976 bekam sie das Verdienstkreuz erster Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. Es folgten im Jahr 1989 das große Verdienstkreuz und damit die höchste Auszeichnung des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. Weitere Auszeichnungen kamen dazu: Das Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland (1989), der Silberne Brotteller des Deutschen Caritasverbandes und der Silvesterorden, Dame des Ordens vom Heiligen Papst Silvester (beide 1994) sowie im Jahre 2001 der Verdienstorden des Landes NRW. Bei allen Ämtern und Auszeichnungen war Elsbeth Rickers eine Frau, der das Schicksal anderer am Herzen lag. Sie setzte sich ein für Menschen, die Hilfe brauchten, die Schwachen der Gesellschaft. Geboren wurde sie in Essen. Mit 13 Jahren kam sie nach Wenden, der Vater war Direktor der örtlichen Strumpffabrik. Es folgte ein Jahr im Ursulinenkloster in Belgien: Auf dem Stundenplan steht auch „gutes Benehmen, Kochen und die französische Sprache". Hier lernte sie, wie man bei Gesellschaften auftritt und Konversation betreibt. Fähigkeiten, die ihr auf dem späteren politischen Parkett sehr nützlich waren.
In den 1930er Jahren ließ sie sich im katholischen Johannishospital in Bonn zur Krankenschwester ausbilden, später wurde sie Röntgenassistentin. Sie heiratete ihren Mann Karl, lebte mit ihm in Leipzig. 1942 und 1944 wurden ihre beiden Kinder geboren. Kurz vor der Bombardierung der Stadt im Dezember 1943 kehrte sie zurück nach Wenden. Ihr Mann Karl blieb vermisst, und sie wurde zur alleinerziehenden Mutter von zwei Kindern.
Einmischen, bewegen, verändern
Doch sie mischte sich ein, wollte bewegen und verändern. In Wenden schloss sie sich schon 1945 der Wendener Pfarrcaritas an, fuhr mit ihrem Fahrrad und ihren zwei kleinen Kindern zu Vertretern aus Politik und Wirtschaft, um für die vielen Heimatvertriebenen im Lager Brün Dinge des täglichen Lebens zu organisieren. Ihr Talent, Menschen für ihre Ideen zu begeistern und zu mobilisieren, war hier der Grundstein für viele gelungene Hilfsprojekte. Dazu gehörte auch die Gründung des ersten Kindergartens im Kreis Olpe. Der entstand 1947 in Brün. Maßgeblich daran beteiligt war Elsbeth Rickers. Sie erstritt sich im Gemeinderat die notwendige finanzielle Unterstützung für ihre Idee – und das in einer Zeit, in der man Frauen eigentlich lieber brav am Kochtopf sah. Doch schon hier zeigte sie eines ihrer größten Talente: sich für ihre sozialen Anliegen mit echter Zähigkeit durchsetzen, immer das Ziel vor Augen. Die ersten Spielkreise wurden ins Leben gerufen. Elsbeth Rickers unterstützte sie, wo sie konnte. In Altenhundem öffnete das Elisabeth-Hospiz, und in Olpe entstand das erste Kinderhospiz, natürlich mit Hilfe der unermüdlichen Frontfrau der CDU. Sie weiß genau: „Ohne politische Macht können Sie nichts durchsetzen. Und ohne Geld auch nicht.“ Die Gründung des Altenheims in Wenden und des „Vereins zur Förderung der Altenhilfe Wenden“ gehen ebenfalls auf ihr Konto. Elsbeth Rickers hat viele Spuren im Kreis Olpe hinterlassen.
Vorreiterin für viele Frauen
Neben ihren Tätigkeiten in allen politischen Ämtern war sie auch eine Vorreiterin für viele Frauen und Mütter. So bekleidete sie von 1969 bis 1978 das Amt der Bezirksvorsitzenden und stellvertretenden Landesvorsitzenden der Frauenvereinigung (heute: Frauen-Union) der damaligen CDU Westfalen-Lippe, später wurde sie zur Ehrenvorsitzenden der CDU-Frauenvereinigung Kreis Olpe und des CDU-Bezirksverbands Sieger-/Sauerland ernannt.
1966 wurde sie geschäftsführendes Vorstandsmitglied im vdk-Kreisverband Siegen-Olpe-Wittgenstein und Mitglied im Landesverbandsvorstand des VdK Deutschland. 1969 übernahm sie den Vorsitz des Gefängnisbeirats der Justizvollzugsanstalt Attendorn. Stellvertretende Vorsitzende des Caritasverbandes im Erzbistum Paderborn wurde sie 1973. Ab 1974 war sie Mitglied im Zentralrat des Deutschen Caritasverbandes.
Praktische Hilfe für Frauen
Zwei Einrichtungen waren und ist immer untrennbar mit ihr verbunden: Das Mutter-Kind- Haus Aline in Olpe und der Verein Mutter-Kind-Hilfe. Mitbegründerin: Elsbeth Rickers. In einem Interview mit Schülern des St. Ursula Gymnasiums zum Thema Traumberuf Politiker sagte sie: „Damals gingen gerade die Junge Union und die Frauen-Union wegen des Paragraphen 218 auf die Barrikaden - hier eine Podiumsdiskussion, da eine Podiumsdiskussion. Da habe ich irgendwann gesagt: Das mit den Diskussionen bin ich jetzt leid. Das hilft den Frauen auch nicht weiter, wenn sie ihr Kind behalten wollen. Wir sollten doch tatsächlich etwas für diese Frauen tun.“ Am 14. Mai 1992 wurde der Verein Mutter-Kind-Hilfe Kreis Olpe in Oberveischede gegründet. Er bot schwangeren jungen Frauen in Notsituationen alternative Angebote zu einer Abtreibung an. Ein Meilenstein in der Geschichte des Vereins war die Gründung des Mutter-Kind-Hauses Aline in Olpe im Jahr 1997. Dieses Haus, das in der Trägerschaft der Gemeinnützigen Gesellschaft der Franziskanerinnen zu Olpe steht, wurde in den ehemaligen Räumen der Pflegevorschule eröffnet und bietet alleinerziehenden Müttern und auch Vätern Hilfe, Unterstützung und Perspektiven für ein eigenständiges Leben an. Im April 2011 wurde das Angebot des Mutter-Kind-Hauses durch das „Haus am Imberg“ erweitert. Ab März 2015 wurden Angebot und Plätze der Einrichtung Aline einmal mehr mit der „Perspektiv-WG“ ausgebaut. „Der Bedarf hat sich seit der Eröffnung unseres Stammhauses vor 19 Jahren kontinuierlich erhöht“, so Annette Sawitza, Leiterin der Einrichtung. Im Jahre 2000 war sie Gründungmitglied der "Mutter und Kind-Stiftung", die im Jahr 2010 umbenannt in Elsbeth-Rickers-Stiftung „Mutter und Kind“ wurde. Die Stiftung hat die Aufgabe, die Arbeit des Vereins dauerhaft zu sichern. Mit großer Leidenschaft, Kraft und Herzblut war Elsebeth Rickers bis zuletzt im Verein „Mutter-Kind-Hilfe e. V.Kreis Olpe“ und der daraus entstandenen "Elsbeth-Rickers-Stiftung Mutter und Kind" aktiv. „Nicht reden, sondern handeln“: Dieses Motto hat sie immer umgesetzt.
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