Mobil trotz Handicap

Das Auto macht einen Satz nach vorne. „Na komm schon“, sagt Peter B. leise. Langsam bewegt der 61-Jährige den Hebel rechts neben dem Lenkrad. Der Fahrschulwagen rollt jetzt geschmeidig. Obwohl Peter B. vor mehr als 40 Jahren den Führerschein gemacht hat, nimmt er nun wieder Fahrstunden. Denn: Seit einem Jahr fehlen dem Wendener beide Beine.

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„Sehr gut“, lobt Fahrlehrer Hermann Jadatz, als sein Schüler perfekt einen Kreisverkehr in Olpe durchfährt. „Es klappt immer besser, aber ich habe das Fahren auf diese Art noch nicht verinnerlicht.“ Was andere Autofahrer mit zwei Händen und zwei Füßen erledigen, muss Peter B. (der seinen kompletten Namen nicht veröffentlicht haben möchte) nur mit seinen Händen vollbringen. Rechts vor ihm befindet sich ein Hebel, mit dem der 61-Jährige Gas gibt und bremst. Mit einem Knauf dreht er mit der linken Hand das Lenkrad. Der Blinkerhebel ist durch eine Verlängerung von links nach rechts verlegt. So kann Peter B. das Lichtzeichen setzen, ohne das Lenkrad loszulassen. Dass er den Handbetrieb beherrscht, muss er bei einer Fahrprobe mit einem TÜV-Sachverständigen nachweisen.

Umrüsten des Autos teuer

Das ist aber erst die halbe Miete: Um später fahren zu können, ist ein behindertengerechtes Auto mit Handgas nötig. „Ich habe ein Automatik-Auto, daher kann ich nachrüsten lassen. Sonst müsste ich ein neues anschaffen, da bei einem Handgetriebe keine Umrüstung möglich ist“, sagt Peter B. – darüber wolle er sich aber erst im Sommer Gedanken machen. Jetzt sei er erstmal froh, eine Fahrschule gefunden zu haben. Obwohl er aus Wenden kommt, wusste er nicht, dass die Fahrschule Gräve und Jadatz mit Sitz in Olpe, Drolshagen, Hünsborn und Wenden Fahrschulunterricht für Menschen mit Handicap anbietet.

„Egal, welches Handicap die Menschen haben, wir versuchen ganz individuell zu helfen“, erklärt Hermann Jadatz. Für verschiedene Behinderungen ist das Ausbildungsfahrzeug ausgerüstet. Die Menschen, die in die Fahrschule kommen, haben unterschiedliche Handicaps. Querschnittslähmung, Muskelschwund, Schlaganfall – dies nicht nur einige von zahlreichen Gründen, warum Menschen auf eine spezielle Fahrschule angewiesen sind. Weit über den Kreis Olpe hinaus, bildet Hermann Jadatz Menschen mit Behinderungen aus.

Zwei Gruppen von Menschen mit Handicap

Dabei unterscheidet er zwischen zwei Fällen. Erstens: Menschen, die von Geburt oder der Kindheit an körperlich behindert sind und den Führerschein erwerben möchten. Zweitens: Die Menschen sind bereits im Besitz eines Führerscheins und werden durch Unfall oder Krankheit mobilitätseingeschränkt. Im zweiten Fall müssen die Autofahrer Stunden nehmen und dann eine Probefahrt mit einem Gutachter machen. Das ist auch wichtig für den Versicherungsschutz. Denn: Wenn ein behinderter Autofahrer in einen Unfall verwickelt wird, so muss er unter Umständen nachweisen, dass er das umgerüstete Fahrzeug sicher und ohne Gefährdung anderer führen konnte (unabhängig von der Frage der Schuld an dem Unfall). Liegt dagegen ein Gutachten und damit ein Eintrag im Führerschein vor, so muss die Gegenseite beweisen, dass der Behinderte trotz der Umrüstung seines Fahrzeuges nicht sicher fahren konnte, und dass somit das Gutachten fehlerhaft war. In jedem Fall eine Umkehr der Beweislast.

Die Fahrschule Gräve und Jadatz bietet ein Komplettpaket – neben den Fahrstunden, wird geholfen, Fahrzeuge umzurüsten sowie bei der behördlichen Abwicklung. Wegen Durchblutungsstörungen sind Peter B. im vergangenen Jahr beide Beine amputiert worden. Neben den körperlichen Beeinträchtigungen, sorgte vor allem die fehlende Mobilität für Probleme. Aktuell fährt seine Frau ihn zur Arbeit und holt ihn ab. „Aber ich möchte so schnell wie möglich wieder eigenständig sein.“

Besondere Leistungen

- Die Fahrschule Gräve und Jadatz ist an vier Standorten im Kreis aktiv: Olpe, Drolshagen, Wenden und Hünsborn. - Mit den insgesamt 17 Fahrzeugen wird alles von Mofa über Pkw bis hin zu Bus und Lastwagen angeboten. - Besonderheiten neben dem Angebot für Menschen mit Behinderung, sind die Berufsfahrerausbildungen sowie die Ferienfahrschule. - Innerhalb von zwei Wochen kann der Führerschein absolviert werden. „Ein Markt, der sicher wächst, da durch den Ganztagsunterricht in der Woche immer weniger Zeit bleibt“, meint Fahrschullehrer Hermann Jadatz.