Mit dem Rolli ins Wattenmeer: Luuks Familie lebt im Hier und Jetzt
Zehnjähriger lebt mit seltenem Syndrom 1P36
- Kreis Olpe, 28.02.2023
- Verschiedenes
Kreis Olpe/Olpe. Jedes Jahr am letzten Tag im Februar ist der „Internationale Tag der seltenen Erkrankungen“. Im Kinder- und Jugendhospiz Balthasar in Olpe sind viele Betroffene mit einer seltenen Erkrankung zu Gast. Zum Beispiel der zehnjährige Luuk, der mit dem seltenen Syndrom 1P36 auf die Welt kam.

„1P36“ – das klingt im ersten Moment sehr technisch, für Nina S. und Christoph D. wurde diese Bezeichnung jedoch Realität. Die Mikrodeletion, ein Chromosomenstückverlust, verursacht bei Luuk breit gefächerte Symptome: Blindheit, Schwerhörigkeit, Epilepsie, Entwicklungsverzögerung und mehrere Herzfehler. Gleich nach der Geburt war klar: Durch die schwere Mehrfachbehinderung kann der Lebensweg von Luuk wahrscheinlich nur ein kurzer sein.

Für Nina S. und Christoph D. heißt das nun, dass jeder Tritt vor die Tür wohl überlegt sein muss: „Wir müssen alles vorher bedenken und organisieren. Man muss bepackt sein wie für einen Säugling plus Beatmungsbeutel und Sauerstoff. Denn durch die Epilepsie – das kommt zum Glück immer seltener vor – kann es immer möglich sein, dass er einen Anfall bekommt“, erzählen die Eltern.
Wenn dann die Spontanatmung aussetze, müssen sie ihren Sohn beatmen und brauchen die Notfallmedikation. „Das gehört dann alles zu unserem Standardausflug dazu“, erzählt Nina S.
Trotzdem möchte die Familie ihren Alltag so normal wie möglich gestalten. Vormittags geht der Zehnjährige in die Förderschule, zwei bis dreimal die Woche bekommt er Physiotherapie. Wenn dann noch Zeit und Energie übrigbleibt, ist die Familie gerne auf Achse. „Wir probieren, ihn überall hin mitzunehmen: zu Freunden und auch mal auf einen Geburtstag – was halt geht. Also schleppen wir den Rolli auch ins Wattenmeer, auch wenn wir ihn dann kaum wieder raus kriegen“, sagt Christoph D. lächelnd.

Stege, die ins Meer führen, wie er sie auf Kreta oder in Holland gesehen hat, würde der Vater sich auch an der Nordsee wünschen, aber die Barrierefreiheit in Deutschland lässt in seinen Augen sehr zu wünschen übrig.
Umso mehr weiß die Familie einen Ort wie das Kinder- und Jugendhospiz Balthasar zu schätzen, an dem sie seit sieben Jahren regelmäßig zu Gast ist. In der barrierefreien Einrichtung finden die Eltern einen Rückzugsort, während sie die Pflege ihres lebensverkürzend erkrankten Sohnes in die Hände von erfahrenen Fachkräften legen können.





Luuks kleine Schwester Polly erfährt Begleitung von einem erfahrenen pädagogischen Team und freut sich über abwechslungsreiche Spielmöglichkeiten und Besuche der Klinikclowns oder Alpakas.
Auch wenn die Familie von Pflegedienst, Freunden und Angehörigen viel Unterstützung und Verständnis erfährt, bietet ihnen der Aufenthalt im Kinder- und Jugendhospiz Balthasar auf besondere Weise Entlastung vom kräftezehrenden Alltag. Neben dem Austausch mit anderen Betroffen hat das „Balthasar“-Team ein offenes Ohr für ihre Trauer, Sorgen und Ängste.

„Wir leben hier und jetzt“, ist die Antwort von Nina S. auf die Frage nach den Zukunftsplänen. „Das ist schwierig zu erklären, aber: Es ist gar nicht so schlimm, Eltern von einem behinderten Kind zu sein. Klar, ist das auch schlimm, aber es ist auch manchmal ganz schön toll“, sagt der Vater.
Und Nina S. ergänzt: „Es geht um die Idee eines lebenswerten Lebens. Plakativ gesprochen, würde man sagen: Luuk macht nichts, er kann nichts. Und doch ist er einfach glücklich und zufrieden. Das hat mich sehr Vieles gelehrt: dass man nicht immer etwas können und leisten muss. Luuk hat ein ganz bezauberndes Lachen und kann jeden mitnehmen mit diesem einfachen Lachen und seiner Art, mit so wenig zufrieden zu sein.“
„Leben und Lachen, Sterben und Trauern“ beschreibt die Arbeit des Kinder- und Jugendhospiz Balthasar in Olpe. Seit 1998 besteht Deutschlands erstes Kinderhospiz, damit Familien mit einem lebensverkürzend erkrankten Kind auf ihrem Weg nicht alleine sind. Bereits ab der Diagnose finden sie hier ein „zweites Zuhause auf Zeit“ – ein Haus voller Freude, Lebenslust und vielen schönen Momenten.
