Messer-Miete mindert Mindestlohn
NGG appelliert an Arbeitnehmer, Tricksereien nicht zu dulden
- Kreis Olpe, 10.05.2015
- Von Matthias Clever
Matthias Clever
Redaktion

Kochen, putzen und schneiden: Sebastian, so will der junge Mann in diesem Artikel heißen, arbeitet seit einigen Jahren in verschiedenen Gastronomiebetrieben für einen Stundenlohn von rund sechs Euro. Durch den Anfang des Jahres eingeführten Mindestlohn erhoffte er sich eine Gehaltserhöhung um mehr als ein Drittel. Doch die Realität sieht anders aus: Sebastian verdient weiter nur knapp mehr als 6 Euro die Stunde.



So ist die Einführung eines „Reinigungsgeldes für das Waschen von Arbeitskleidung“, ebenso wie kostenloses Betriebsessen, das plötzlich berechnet werde, nicht akzeptabel. „Es geht dabei immer nur um das Eine: Darum, durch die Hintertür den gesetzlichen Mindestlohn auszuhebeln. Darum, weniger als die ohnehin mageren 8,50 Euro Lohn zu zahlen“, sagt Helge Adolphs.
Jeder Arbeitgeber, der sich gegen die Zeiterfassung wehre, habe nichts Gutes mit seinen Angestellten vor. Dass viele Unternehmen die Dokumentationspflicht als Bürokratiemonster abtäten, sei „zwar ausgesprochen laut, aber völlig grundlos“. Im Gastgewerbe sei das Dokumentieren von Arbeitszeiten längst gängige Praxis – schon deshalb, um Überstunden oder Nachtzuschläge ordentlich zu bezahlen. Der NGG-Geschäftsführer fordert die heimischen Bundestagsabgeordneten deshalb auf, jetzt „keine Arbeitgeber-Reparaturen am Mindestlohngesetz vorzunehmen“. Ein „Mindestlohn light“, der etwa durch eine fehlende Dokumentation der Arbeitszeiten nicht kontrolliert werden könne, werde „zum Flopp“.
Notruf-Nummer
Kommentar
Hurra, hurra! Der Mindestlohn ist da. Seit Beginn des Jahres steht jedem Arbeitnehmer ein Stundenlohn von mindestens 8,50 Euro zu. Hurra? Nein. Die Realität zeigt, welche perfiden Wege Arbeitgeber nehmen, um das richtige Ziel zu umgehen.
Bei Lichte betrachtet bleibt vom hehren Ziel Mindestlohn nicht viel übrig. Zahlreiche Ausnahmeregelungen und kreative Arbeitgeber-Ideen zum Unterwandern des Mindestlohnes sorgen dafür, dass real vielerorts weiter weniger gezahlt wird.
So sind im Gesetz etwa Minderjährige ohne Berufsabschluss, Auszubildende und Praktikanten von der Regelung ausgeschlossen. Arbeitgeberverbände haben Recht, wenn sie sagen, dass diesen Gruppen nicht immer ein Mindestlohn gezahlt werden kann. Anders sieht es aber bei „branchenspezifischen Lösungen“ vieler regulärer Arbeitnehmer aus. Bis 2018 wird der Mindestlohn erst nach und nach für alle Branchen eingeführt.
Beschäftigte in der Landwirtschaft und im Gartenbau, Friseure oder Arbeiter in der Fleischwirtschaft können von Arbeitgebern weiter mit Mini-Löhnen abgespeist werden. Für Zeitungszusteller kommt der Mindestlohn sogar erst Anfang 2018 – und auch dann soll es weiterhin Ausnahmen geben, etwa wenn der Zusteller nach Stückzahl bezahlt wird. Subventioniert wird die Zeitungszustellung übrigens aktuell durch Steuergeld-Zuschüsse.
Der Schritt eines Mindestlohnes war mehr als überfällig und richtig. Wir brauchen aber nicht weitere Ausnahmen, Subventionen und Schlupflöcher, sondern ein konsequenteres Gesetz. Es kann nicht sein, dass Arbeitnehmer wie Ackergäule schuften und nur wie Ponys gefüttert werden.
