Mehr Kirchenaustritte - „Man hat das Gefühl, das Richtige getan zu haben“

Wenn Menschen der Kirche den Rücken kehren - Teil 1


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Die Zahl der Kirchenaustritte hat sich im Kreis Olpe von 2020 auf 2021 fast verdoppelt. von katholisch.de
Die Zahl der Kirchenaustritte hat sich im Kreis Olpe von 2020 auf 2021 fast verdoppelt. © katholisch.de

Kreis Olpe. Die Kirchen kommen derzeit nicht zur Ruhe. Missbrauchsgutachten, Diskussionen um das Pflichtzölibat (LokalPlus berichtete) und das Thema Kirchenaustritte beherrschen die Schlagzeilen. Neben zwei Kirchenvertreten hat LokalPlus zum Thema Kirchenaustritt mit Rüdiger Köster aus Saßmicke gesprochen. Der 65-Jährige ist am Donnerstag, 10. Februar, aus der katholischen Kirche ausgetreten.


„Man hat das Gefühl, das Richtige getan zu haben.“ Rüdiger Köster blickt auf seinen Kirchenaustritt zurück, den er am Donnerstag, 10. Februar, beim Olper Amtsgericht vollzogen hat. Finanzielle Gründe, so Köster, habe es für den Austritt nicht gegeben. „Hätte ich mir die Kirchensteuer sparen wollen, so hätte ich schon lange vorher austreten können.“

Für den Saßmicker ist der sexuelle Missbrauch in der katholischen und evangelischen Kirche der maßgebliche Grund, der Kirche den Rücken zu kehren. „Wie im Moment Papst und Bischöfe mit dem Thema umgehen, ist für mich nicht mehr tolerierbar. Keine Reue, kein Schuldeingeständnis. Schlimmer noch – alle Fehler die begangen wurden, werden geleugnet.“

„Ausrede hier, Ausrede da“

Die Dinge liegen, so Köster, auf dem Tisch. Die jetzige Art und Weise sei keine, wie man mit Menschen, die unmittelbar vom sexuellen Missbrauch betroffen seien, umgehen sollte. Für ihn ergebe sich folgendes Bild: „Ausrede hier, Ausrede da.“

Die von den Bischöfen Reinhard Marx und Georg Bätzing getätigten Aussagen zur Abschaffung des Pflichtzölibats hält Köster für eine Scheindebatte: „Das sind reine Ablenkungsmanöver, damit man dem Thema sexueller Missbrauch ausweichen kann.“ Die Problematik der pädophilen Veranlagung einzelner Kirchenvertreter sei nicht mit der Abschaffung des Pflichtzölibats zu lösen. Vielmehr müsse sich die Kirche die Frage stellen: „Wie und warum ist der Missbrauch entstanden und wie gehen wir dagegen vor?“

Dinge werden unter den Teppich gekehrt

Den ernsthaften Willen, sich damit auseinanderzusetzen, sieht Köster bei den Kirchen nicht. Vielmehr werde versucht, Dinge unter den Teppich zu kehren. Paradebeispiel hierfür sei der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki. Der Saßmicker ist entsetzt: „Der hält ein Gutachten zurück und gönnt sich dann eine Auszeit. Obendrein sind seine relativierenden Aussagen menschenverachtend.“

Der 65-Jährige gibt zu Protokoll, dass es kein Wunder sei, dass nicht nur er, sondern auch viele andere Menschen austreten. „Ich bin erstaunt, wie viele in meinem Bekanntenkreis der Kirche schon den Rücken gekehrt haben.“

Drei von vier Einwohner noch in der Kirche

Wie viele es im Jahr 2021 im Kreis Olpe waren, dass wissen die Amtsgerichte. Eine Abfrage von LokalPlus ergab folgendes Bild: Im vergangenen Jahr traten am Amtsgericht Olpe 476 Menschen aus der katholischen und 139 Menschen aus der evangelischen Kirche aus, am Amtsgericht Lennestadt waren es 393 auf katholischer Seite und 93 auf evangelischer.

Die insgesamt 1.053 Kirchenaustritte im Kreis Olpe im Jahr 2021 sind ein deutlicher Zuwachs gegenüber 2020, als (lediglich) 582 Menschen aus der Kirche austraten. Deutschlandweit kehrten im Jahr 2020 laut der Seite kirchenaustritt.de 441.390 Menschen der Kirche den Rücken, für 2021 liegen noch keine Zahlen vor.

Deutschlandweit noch knappe Mehrheit

Und wie viele Menschen sind noch Kirchenmitglieder? Laut Angaben des Dekanats Südsauerland gibt es im Kreis Olpe 86.400 Katholiken. Die Evangelische Kirchengemeinde Olpe (umfasst Olpe, Wenden und Drolshagen) hat ca. 8.500 Gemeindeglieder, in der Evangelischen Kirchengemeinde Attendorn-Lennestadt (umfasst außerdem Finnentrop und Kirchhundem) sind es ebenfalls ca. 8.500. Somit sind im Kreis Olpe summa summarum 103.400 Menschen Mitglieder der beiden christlichen Kirchen, was bei einer Gesamtbevölkerung von 133.400 Menschen einen Anteil von 77,5 Prozent ergibt.

Deutschlandweit gehören prozentual gesehen weit weniger Menschen der Kirche an. 51 Prozent bzw. 42,4 Millionen Bundesdeutsche waren es im Jahr 2020. Auch hier liegen für 2021 noch keine Zahlen vor. 1990 waren es noch 72,3 Prozent bzw. 57,6 Millionen.

In Teil 2 kommen Dechant Andreas Neuser und Superintendent Dr. Christof Grote zu Wort. Sie berichten, wie die Kirchen mit den Kirchenaustritten umgehen und wie man diesen entgegenwirken möchte.

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