Kinderklinik extrem belastet: „Die aktuelle Situation bringt uns ans Limit“

Infektionswelle bei Kindern


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Die DRK-Kinderklinik in Siegen. von DRK-Kinderklinik Siegen
Die DRK-Kinderklinik in Siegen. © DRK-Kinderklinik Siegen

Kreis Olpe. Eine Infektionswelle rollt seit Wochen durchs Land. RS-Virus, Grippe oder grippale Infekte machen auch im Kreis Olpe vielen Menschen zu schaffen. Besonders betroffen von den aktuellen Atemwegserkrankungen sind Kinder und Jugendliche. Das spürt auch die DRK-Kinderklinik in Siegen, die unter dem Ansturm der vielen jungen Patienten ächzt und so gut wie keine freien Betten mehr hat. Einen Aufnahmestopp gibt es entgegen anderslautender Meldungen aber dort nicht.


Gleichwohl ist die Lage extrem angespannt, wie der Pressesprecher der Kinderklinik, Arnd Dickel, im Gespräch mit LokalPlus schildert. „Das ist eine enorme Welle. Das habe ich in den zwölf Jahren, die ich hier bin, noch nicht erlebt“, berichtet Dickel.

„Die aktuelle Situation bringt uns ans Limit. Planbare Eingriffe müssen wegen der vielen akuten Fälle verschoben werden.“ Stationär aufgenommen werden können derzeit nur Patienten, die aus medizinischer Sicht keinesfalls ambulant oder zu Hause versorgt werden können.

Krankenstand beim Personal hoch

Die Situation ist in doppelter Hinsicht vertrackt: Zum einen ist die Zahl der jungen Patienten sehr hoch und ein Abebben der Infektionswelle nicht in Sicht, zum anderen ist die personelle Situation äußerst angespannt. Dickel: „Das Team ist schon sehr angeschlagen und der Krankenstand hoch.“

Um die Lage handhaben zu können, wird in der DRK-Kinderklinik eine „strenger formulierte Triage“ angewendet. Triage heißt Auswahl bzw. Sichtung und bedeutet in der Medizin die Einteilung von Patienten nach der Schwere ihrer Erkrankungen oder Verletzungen, um zu entscheiden, wer zuerst behandelt wird.

In der DRK-Kinderklinik sind derzeit so gut wie alle Betten belegt. von DRK-Kinderklinik Siegen
In der DRK-Kinderklinik sind derzeit so gut wie alle Betten belegt. © DRK-Kinderklinik Siegen

Es geht also nicht nach Reihenfolge oder Wartezeit, sondern sinnvollerweise nach Dringlichkeit. Arnd Dickel appelliert gleichzeitig an die Eltern, vor der Fahrt in die Kinderklinik ihr krankes Kind erst vom örtlichen Kinderarzt untersuchen zu lassen und nur auf dessen Rat hin bzw. in wirklich dringenden Fällen außerhalb der Praxiszeiten direkt in der Kinderklinik vorstellig zu werden.

Eines ist Dickel aber ganz wichtig: „Wir weisen niemanden ab. Jeder Patient wird angeguckt, aber dann wird aufgrund des ersten Eindrucks entschieden, wann die ausführliche Untersuchung erfolgt. Das geht nach Dringlichkeit und bedeutet, dass man viel Zeit mitbringen muss.“

Joachim Füllenbach ist Arzt in der Kinder- und Jugendpraxis in Olpe. von privat
Joachim Füllenbach ist Arzt in der Kinder- und Jugendpraxis in Olpe. © privat

Nicht so angespannt ist die Lage bei Kinderarzt Joachim Füllenbach, der in einer Gemeinschaftspraxis in Olpe tätig ist: „Es werden alle versorgt und die aktuelle Welle wird nicht zum Zusammenbruch unserer Praxis führen. Wir mussten vereinzelt freiwillige Vorsorgetermine verschieben, um Plätze für akut kranke Kinder zu schaffen.“

Die Kinder seien aktuell häufiger und auch länger krank. Meist handele es sich um virale Infekte; nur selten sei Antibiotikum erforderlich. „Es ist nicht so, dass wir kurz vor dem Kollaps wären und das nicht mehr leisten könnten“, so Füllenbach. In den Notdiensten sei es aber teilweise arg voll. „Die Patienten müssen Wartezeiten von zwei bis drei Stunden in Kauf nehmen. Da wird selektiert. Stärker erkrankte Kinder kommen zuerst dran“, so Joachim Füllenbach.

„Häufig kann man am Telefon helfen“

Nicht jedes Kind müsse vom Kinderarzt untersucht werden. „Häufig können unsere Schwestern schon am Telefon helfen“, so der Kinderarzt. Er rät, gesunde Kinder, die noch nicht die Grippe hatten, impfen zu lassen. Denn auch hier könne im Januar/Februar eine Welle anstehen. Füllenbach ist optimistisch, dass die derzeitige Infektionswelle während der Weihnachtsferien abebbt, wenn Schulen und Kitas geschlossen sind.

Problematisch sieht er die aktuelle Medikamenten-Situation, denn Fiebersäfte und Antibiotika für Kinder sind seit Wochen kaum erhältlich. In Olpe gebe es aber zwei Apotheken, die Fiebersäfte selbst herstellen könnten. Für Antibiotika, die nicht verfügbar sind, gebe es meist Ausweichpräparate.

Situation in den Kitas

Peter Schmitz, Qualitätsbeauftragter der KITA gem. GmbH Siegerland-Südsauerland, berichtet, dass die Infektionswelle in Kitas schon seit einigen Wochen deutlich zu spüren sei. Schmitz: „Das Problem in den Kindergärten ist einfach, dass man keinen Abstand halten kann. Daher ist das hier ganz gravierend.“ Viele Kinder und Erzieher seien erkrankt, teilweise über Wochen hinweg. Einige Kitas im Kreis Olpe seien so stark betroffen, dass schon Betreuungszeiten reduziert werden mussten.

„Die Eltern tun einem leid, aber man kann ihnen nur raten, das betroffene Kind zu Hause zu halten. Ein krankes Kind gehört nicht in die Kita. Durch das Schneeball-System wird die Infektion dann wieder in die Kitas geschleppt“, so Peter Schmitz.

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