Jede Woche ein „großes Blutbild“

Adventkalender: Kläranlage schützt Mensch und Umwelt vor Abwasser


  • Kreis Olpe, 22.12.2015
  • Von Volker Lübke
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    Volker Lübke

    Redaktion

Manuel Storhas, stellvertretender Abwassermeister, erklärt die Arbeitsweise der Kläranlage des Ruhrverbandes in Gerlingen. von s: Volker Lübke
Manuel Storhas, stellvertretender Abwassermeister, erklärt die Arbeitsweise der Kläranlage des Ruhrverbandes in Gerlingen. © s: Volker Lübke

„Ein Stromausfall ist mit das Schlimmste, was uns passieren kann.“ Das sagt einer, der mit Wasser zu tun hat. Manuel Storhas öffnet uns das Tor zur Kläranlage Wenden und erklärt Schritt für Schritt deren Arbeitsweise.


Wir stehen an einem Geländer. In dem großen Schacht zu unseren Füßen rauscht und dröhnt es. Die erste Station, die uns der stellvertretende Betriebsmeister der Kläranlage Wenden zeigt, ist zugleich die imposanteste. Der Hauptsammler, der das Abwasser aus der gesamten Gemeinde Wenden – inklusive aller Ortsteile - anliefert, liegt tiefer als die Kläranlage.
Mit zwei riesigen Schneckenpumpen, die aussehen wie Spindeln, wird es nach oben befördert. Bis zu 700 Liter pro Sekunde können das Einlaufhebewerk passieren. Kommt mehr, wird der Rest in drei Regenüberlaufbecken gesammelt wird, um später behandelt zu werden. Der Hauptsammler kann bis zu 3.500 Liter pro Sekunde transportieren. „Wir müssen aber nur bei lang anhaltenden Niederschlägen Wasser von dort ins Gewässer ableiten“, so der Ruhrverbands-Mitarbeiter.
Die beiden Spindeln münden in das Rechengebäude. Hier werden Feststoffe, die größer als 6 Millimeter sind, mechanisch mit einem Rechen ausgefiltert. Was übrig bleibt, wird gewaschen und gepresst. „Das brauchen wir anschließend noch in der Biologie“, erklärt Manuel Storhas ein wenig geheimnisvoll. „Aber auch die kleineren Grobstoffe müssen raus, um das Wasser durch die folgenden Stationen pumpen zu können“, sagt Storhas, als wir vom Rechengebäude zu zwei langgestreckten, offenen Becken gehen. „Das geschieht hier in einem belüfteten Sandfang.“ Sand und Pumpen, das verträgt sich nicht, die Körnchen würden schnell die Pumpen zerstören. „Das ist ja trickreich“, bemerke ich, als der Fachmann den Sandfang näher erläutert: In das einströmende Wasser wird Luft eingeperlt. Dies bremst das Wasser ab und der Sand kann sich absetzen. 2 Pumpen fördern anschließend das Sand-Wasser-Gemisch in einen Sandklassierer, wo dieser gewaschen und entwässert wird. Der Sand wird anschließend entsorgt.
Nächste Station: Vorklärbecken. 350 Liter des vorgereinigten Abwassers werden nun hier pro Sekunde mechanisch gereinigt. Hier „ruht“ das Wasser. Schlamm setzt sich ab und wird mit einem Schieber langsam zum Schlammtrichter befördert. „Der drückt den Schlamm nach unten raus ins Schlammpumpwerk und weiter in den Faulturm“, so der Experte.
Am Ablauf der Vorklärung kommt erstmals die Chemie ins Spiel. „Das ist wegen der Phosphate aus Wasch- und Reinigungsmitteln notwendig“, erklärt Storhas. Phosphate sind extreme Pflanzendünger und belasten das Gewässer. „Die kriegen wir sonst nicht raus.“ Das im Fällmittel enthaltene Aluminium sorgt dafür, dass Phosphor Flocken bildet und so entnommen werden kann. Wir sind am Herzstück der Kläranlage angekommen, der bereits angekündigten „Biologie“ und den Nachklärbecken. „Wir sprechen hier von intermittierender Belebung“, beginnt er einen kleinen Fachvortrag in Biochemie. Zunächst werden Ammonium-Stickstoff-Verbindungen durch Luftzufuhr zu Nitratstickstoff umgewandelt. Stoppt die Belüftung, „veratmen“ die Bakterien das Nitrat zu molekularem Stickstoff, welches als Bläschen aus dem Wasser aufsteigt. Die Bakterienflocken setzen sich anschließend in der Nachklärung ab und werden zurück in die Belebung gepumpt.
Im Faulturm verarbeiten die Bakterien den Rohschlamm zu Methan. Das in einer 280 Kubikmeter fassenden Kugel gesammelte Gas ist die Rohenergie für ein Blockheizkraftwerk, das Wärme und Strom für den Eigenbedarf der Kläranlage produziert. „Der Faulturm ist immer voll“, erklärt Manuel Storhas weiter. Der Überschuss geht in einen Schlammstapelbehälter. Der anschließend entwässerte Faulschlamm (27 Prozent Trockensubstanz) sieht aus wie Erde, ist aber Abfall und wird im Kraftwerk der Mark-E in Werdohl-Elverlingsen verbrannt. „Trockenes Wetter ist top“, sagt der Abwassermeister. Bei dreckigem Wasser läuft die Anlage übrigens am besten, weil die Biologie im zweiten Schritt Kohlenstoff benötigt. Bei Regen verändert sich die gesamte Steuerung der Kläranlage – automatisch. Und was – außer einem Stromausfall – würde den Mitarbeitern die Sorgenfalten auf die Stirn treiben? „Wir haben natürlich ein Notfallkonzept, das zum Beispiel die Einleitung von Schwermetallen, Zyaniden und Kupfer berücksichtigt.“ Damit kämen nämlich die lebenden Organismen in der Biologie ebenso wenig klar wie der menschliche Organismus. „So konnten wir bei einem Brand im Frühjahr belastetes Wasser in die Regenüberlaufbecken pumpen und dort neutralisieren“, erklärt Manuel Storhas: „Bei Feuerwehreinsätzen werden wir deshalb auch immer mit als Erste informiert.
Auch kaltes Wetter ist nicht wirklich gut für die Anlage. „Unter 12 Grad sind die Bakterien weniger leistungsfähig“, aber verfahrenstechnisch stellen wir uns auch hierauf ein“, so Storhas. Wie gut der mikrobiologische Reinigungstrupp tatsächlich arbeitet, kontrollieren die Mitarbeiter regelmäßig. Dafür steht ein eigenes Labor bereit. Neben den täglichen Messungen zur Aktivität der Bakterien machen Manuel Storhas und seine Kollegen einmal wöchentlich „ein großes Blutbild“ der Anlage. An Zu- und Ablauf von Belebung und Nachklärung wird das Wasser auf Kohlenstoff-, Phosphat- und Stickstoffgehalt untersucht. Hinzu kommen regelmäßig unangekündigte Kontrollen des Landesamtes für Natur, Umwelt- und Verbraucherschutz (LANUV).
Und wenn doch mal der Strom ausfällt? „Dann arbeiten die Pumpen nicht mehr.“ Im schlimmsten Fall würde die Anlage überlaufen, aber bis das passiert, haben wir aus Olpe ein Notstromaggregat organisiert, mit dem wir zunächst die wichtigsten Funktionen aufrechterhalten können. Bei Kyrill ist genau das passiert, erinnert sich Storhas.
Ein Vorurteil möchte Manuel Storhas aber zum Schluss des Rundganges noch ausräumen, bevor wir das Tor - Tür Nr. 22 – wieder hinter uns schließen: „Wir machen auf der Kläranlage kein Trinkwasser!“ Vielmehr sorgt der Ruhrverband hier dafür, dass Gewässer, Pflanzen, Tiere und Menschen nicht durch das Abwasser belastet und gefährdet werden.
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