„In erster Linie geht es in meinem Kommentar um das Fußballspiel“
Christina Graf kommentiert Männer-WM in Katar
- Kreis Olpe, 24.11.2022
- Sport
- Von Christine Schmidt

Heinsberg/Katar. Christina Graf, gebürtige Heinsbergerin, ist die erste Frau, die für die ARD bei der Fußball-Weltmeisterschaft der Herren in Katar kommentiert. Am Mittwoch, 23. November, hatte sie ihr Debüt beim Spiel Marokko - Kroatien. Im Interview erzählt die Fußball-Expertin, wie die Lage vor Ort ist.


Als erste Frau für die ARD die Herren-WM kommentieren: Wie fühlt es sich für dich an, in einem Land die WM zu kommentieren, in dem die Frau kaum Rechte hat?
„Es ist generell ein Privileg, diesen Beruf auszuüben, ob als Mann oder Frau. Auf dem Kommentatorenplatz zu sitzen ist etwas Besonderes für mich und es wäre natürlich schön, wenn das in jedem Land dieser Welt, für egal welches Geschlecht, so möglich wäre. Ich muss aber auch sagen, dass, wenn ich auf die Reporter-Tribüne schaue, dort auch aus anderen europäischen Ländern kaum bis gar keine Frauen vertreten sind. Demnach sind wir da in Deutschland schon gut aufgestellt, sei es im TV oder im Hörfunk.“

Wie ist die Stimmung vor Ort?
„Die Stimmung bei uns im Team ist gut. Ich verbringe natürlich viel Zeit im Hotel und im IBC (International Broadcast Centre). Aber die Fanfeste waren voll, so wie ich es gehört habe. Vor allem die Südamerikaner freuen sich sehr auf diese WM, das habe ich schon in Frankfurt gemerkt, da sind viele am Flughafen umgestiegen. Die betrachten die WM etwas anders als wir. Die Europäer fahren eventuell mit einem etwas bedrückteren Gefühl hier her und die Südamerikaner sind sehr offen und freudig. Das bekommt man hier auch in Doha mit.“
Welche Spiele kommentierst du während der Weltmeisterschaft?
„Am Mittwochvormittag hatte ich mit Marokko gegen Kroatien mein erstes Spiel, auch wenn das sportlich gesehen vielleicht nicht das attraktivste war. Insgesamt sind es vier Spiele, die ich kommentieren werde. Das sind noch Ghana gegen Südkorea und Niederlande gegen Ecuador. Beim vierten Spiel ist die Konstellation noch offen, entweder Belgien - Kroatien oder Marokko - Kanada.“
Im letzten Gespräch hast du gesagt, wie wichtig es dir ist, ehrlich und authentisch zu kommentieren. Behältst du das auch jetzt so bei oder wurden euch Vorgaben gemacht? Achtest du jetzt noch mehr darauf, was du live sagst?

„Das werde ich auch weiterhin beibehalten, das ist als Kommentator und Journalist auch unser Job, finde ich. Natürlich werde ich versuchen, die Augen offen zu halten, und eben das zu berichten, was ich sehe. Aber in erster Linie geht es in meinem Kommentar um das Fußballspiel. Wenn etwas anderes passiert, was ich als merkwürdig empfinde oder es passt in meinen Kommentar, dann würde ich das natürlich nicht verschweigen. Vorgaben gibt es da keine.“
Im Sommer hast du die EM der Frauen kommentiert, jetzt die WM der Herren. Macht das für dich einen Unterschied?
„Für mich macht das keinen Unterschied. Ich bereite mich auf beides gleich vor. Obwohl man bei den Männer definitiv mehr Infos bekommt als bei den Frauen. Wir haben sehr viele Daten bekommen. Manchmal ist das sogar fast anstrengend, das alles zusammenzufassen, um sich auf das Wichtigste zu reduzieren. Bei den Frauen musste ich da schon eher nach Infos suchen.“

Hast du irgendwelche Bedenken vor Ort, zum Beispiel beim Thema Pressefreiheit oder dir irgendwo den „Mund zu verbrennen“?

„Nein, Bedenken habe ich keine.“
Bei all dem negativen Beigeschmack – immerhin kannst du etwas Sonne tanken: Was sind Dinge, auf die du dich die nächsten Wochen freust?
„Ja, bei der Hitze und den Klimaanlagen muss man echt aufpassen, sich nicht zu erkälten (lacht). Ich komme am 3. Dezember tatsächlich schon wieder. Aber jetzt freue ich mich natürlich auf den sportlichen Wettbewerb und darauf, meinen Job gut zu machen.“

