„Ich habe es nie bereut, hierher gezogen zu sein“

Interview mit Maklerin Ute Schmidtchen


Vom Großstadt aufs Dorf: Maklerin Ute Schmidtchen hat diesen Schritt nicht bereut. von privat
Vom Großstadt aufs Dorf: Maklerin Ute Schmidtchen hat diesen Schritt nicht bereut. © privat

Kreis Olpe. Ute Schmitdchen von Schmidtchen Immobilien ist bereits seit über 20 Jahren als Maklerin in und um Lennestadt und Kirchhundem tätig. Im Gespräch mit immobilien-suedwestfalen.de verrät die immigrierte Sauerländerin, welche Herausforderungen der Umbau eines alten Hauses mit sich bringt und warum gerade im Sauerland die Lebensqualität so hoch ist – sowohl für Einheimische als auch für „Buiterlinge“ (plattdeutsch für „Fremde“, „Zugezogene“).


Frau Schmidtchen, Sie sind von der Großstadt in ein 200 Einwohner zählendes Dorf in Kirchhundem gezogen. Wie kam es zu Ihrem Umzug nach Rinsecke?

Ich bin ein leidenschaftlicher Leser. Schon als ich jung war, habe ich mich mit alten Gebäuden beschäftigt und fand bereits damals alte Häuser sehr faszinierend, weil sie so authentisch sind. Mit Mitte 20 fing ich an, Bücher zu lesen mit dem Titel „Umbau alter Bauernhäuser“. Auch wenn ich im Urlaub war, wo auch immer, haben mich historische Bauten immer angezogen wie ein Magnet – bis heute. Mein Lebenspartner hatte einen Handwerksberuf gelernt und Bautechnik studiert. Und da kam ich natürlich meinem Lebenstraum, diesem Haus in Rinsecke, einen großen Schritt näher.

Dass es das Sauerland wurde, war einfach ein Zufall. Wir haben uns alte Häuser im Münsterland und im Ammerland angeschaut. Aber dieses Haus hier in Rinsecke entsprach genau meinen Vorstellungen. Ich wusste sofort: Das war mein Haus.

Was reizt Sie besonders an alten Häusern? Worauf lässt man sich bei einer Renovierung ein, und was sollte man beachten? 

Für mich sind alte Häuser individuell und authentisch. Natürlich hat ein Altbau Konsequenzen für die Funktionalität des Hauses. Und es ist egal, wie viel man renoviert, ein altes Haus wird niemals die Funktionalität haben, die ein Neubau hat. Aber ein Neubau wird auch niemals diese besondere Ausstrahlung und Atmosphäre haben wie die eines alten Hauses.

Ein altes Haus hat vielleicht ungleich breite oder hohe Türen, Stufen oder steilere Treppen. Das muss man eben akzeptieren. Aber zugleich ist es ja auch das Spannende daran und macht eben die Individualität aus. Sie sind eben nicht genormt. So ist beispielsweis die Raumaufteilung eines alten Hauses ganz anders, weil ja auch die Wohnsituation früher anders war. Ich liebe die hohen Decken, die alten Dielen und die alten Türen – ich liebe alte Häuser.

Alte Häuser sind eine Herausforderung. Deswegen sollte ein altes Haus von erfahrenen Handwerkern geprüft werden. Eine Renovierung bringt nichts, wenn der Umbau und die Restaurierung ein Fass ohne Boden darstellen. Zudem muss man wissen, dass Renovierung von den Menschen sehr unterschiedlich verstanden wird. Während die Einheimischen versuchen zu verbergen, dass es ein altes Haus ist, wollen die Zugereisten das Ursprüngliche eines alten Hauses wieder zum Vorschein bringen. 

Weiterhin gilt es beim Kauf eines alten Hauses zu berücksichtigen, dass solche Objekte schwieriger zu finanzieren sind. Banken sind oftmals nicht bereit, zu 100 Prozent zu finanzieren. Ein höherer Anteil an Eigenkapital von mindestens 20 Prozent sind keine Seltenheit, diesen Umstand sollte man vor der Kauf bedenken.
Ruhe als größter Vorzug
Frau Schmidtchen, Sie verkaufen Ihre Objekte größtenteils an „Buiterlinger“ bzw. Zugereiste. Was meinen Sie, worin werden die Vorzüge des Lebens im Sauerland gesehen?

Der größte Vorzug des Sauerlandes ist ganz klar die Ruhe. Dies ist natürlich unter anderem dem Umstand geschuldet, dass es hier wenig Menschen auf viel Raum gibt. Auch das geringe Verkehrsaufkommen ist herrlich. Für den, der Ruhe, Platz und Tiere wie Hund oder Katze möchte, ist das Sauerland ein Traum. Meiner Ansicht nach bedeutet Platz an Wohnfläche und Platz an Grundstück Lebensqualität. 

Zudem sind die Grundstücke um die Objekte herum viel günstiger hier im Sauerland. Und alleine Platz bedeutet Lebensqualität. Die Grundstücke hier und die Dörfer sind traumhaft. Der einzige Nachteil ist, dass man ein Auto braucht, um irgendwo hinzukommen. Sonst fällt mir jedoch kein weiterer ein.

Einheimische sehen dieses Potenzial ihrer Dörfer nicht so stark wie Zugereiste. Es überrascht mich immer wieder, wie sich Einheimische räumlich eingrenzen. Das heißt, sie sind viel weniger bereit, Entfernungen in Kauf zu nehmen, und suchen auch meist nur in einem sehr kleinen Radius, sodass diese Menschen zwei oder drei Jahre nach dem passenden Objekt suchen müssen.

Die Zugereisten hingegen sind viel mobiler. Was ich außerdem ein bisschen vermisse, ist die positive Einstellung der Einheimischen zu ihrer Heimat. Das sollte sich ändern.
Immobilenkäufer denken bereits an „Altern“
Sie sind nun seit vielen Jahren am örtlichen Immobilienmarkt tätig. Welche Veränderungen können Sie bei den Wünschen Ihrer Klienten feststellen?

Es gibt eine ganz gravierende Veränderung, die auch durch die Medien stark publik gemacht wird. Und zwar, dass eine Überalterung stattfindet. Bei Terminen mit Leuten im Alter von 40 bis 45, die noch völlig gesund sind, zeigt es sich oft, dass diese in einem sehr hohen Maße schon ans Altern denken. Das hat sich in den letzten Jahren wesentlich geändert. Dieses Verhalten ist auch der Grund dafür, dass so viele Menschen in den Kernorten leben, wo sie Supermärkte und Apotheken in unmittelbarer Nähe finden.

Eine weitere Veränderung ist, dass die Menschen sich heute mehr mit dem Thema Energieeffizienz auseinandersetzen. Das ist natürlich eine positive Veränderung, womit sich die Leute auch befassen müssen. Schließlich ist es ja auch ein ganz erheblicher Kostenfaktor.

Lässt sich eine Prognose aufstellen, wie sich das Leben auf dem Land in den kommenden Jahren entwickeln wird, vor allem im Hinblick auf die ältere Generation? Wo können hier die Vorteile liegen?

Man ist nicht allein, weil die Hilfestellung im ländlichen Raum untereinander sehr stark ist. In einer Stadt dagegen herrscht Anonymität, da ist das nicht so. Da ich früher selbst in einer Großstadt gelebt habe, kenne ich ja beide Welten.

Betrachtet man die Kinder von Eltern im Alter von 40 bis 50 Jahren, so lässt sich feststellen, dass diese meist nicht mehr vor Ort leben. Das heißt, es gibt dort keine Unterstützung mehr im Familienbund.

Ich habe Freunde, deren Kinder jetzt bei Hamburg oder in Baden-Württemberg leben. Die sehen ihre Kinder nicht mehr allzu oft im Jahr. Von daher ist man im Dorf aufeinander angewiesen und das funktioniert auch. Hier gibt es mittlerweile die Bereitschaft, auf den anderen zu achten.

Wenn man beispielsweise mal wegfährt, gibt man den Nachbarn den Schlüssel, die Tiere werden versorgt, der Briefkasten geleert und die Pflanzen gegossen. Und das geht wunderbar und ist Lebensqualität pur.

Was vermissen Sie am Leben in der Großstadt?

Gut, fairerweise muss ich sagen, wünschte ich mir, dass vielleicht so manches Konzert zum Beispiel etwas näher wäre. Solche Ereignisse finden natürlich in großen Hallen wie den Westfalenhallen oder der Lanxess-Arena in Köln statt. Das ist dann natürlich mit Autofahrten verbunden. Und bis man dann wieder zu Hause ist, das kann schon länger dauern.

Man kann nun einmal nicht alles haben. In einer Großstadt kann man vielleicht zu Fuß zum Supermarkt und zum Kino laufen. Dafür hat man aber nicht diese Ruhe, die wir hier auf dem Land haben.
Dorfleben: „Der Blickwinkel muss positiver werden“
Was verbinden Sie mit dem Wohnen auf dem Land, dem Dorfleben?

Viele Einheimische sagen, es sei nichts los. Das kann man aus zwei Perspektiven betrachten: zum einen kann man dies negativ auffassen, aber im positiven Sinn ist es die Ruhe, die das Dorfleben ausmacht. Genau wie die Hilfsbereitschaft und die Tatsache, dass man nicht allein ist. Das ist immer eine Sache der Betrachtung. Das, was man hat, sollte man positiv auffassen und auch genießen. Man muss aber auch was für das Dorfleben tun. Wenn man lieber alles im Internet kauft statt die örtlichen Einzelhändler zu unterstützen, die eben Betriebskosten und so weiter haben, ist klar, dass nichts los ist.

Viele Menschen behaupten zudem, dass das Sauerland abgelegen sei. Auch das hängt sehr von der Betrachtungsweise ab, denn es kommt immer darauf an, wohin man möchte. Für einen Angestellten der SMS Siemag AG beispielsweise sind Dörfer wie Silberg, Varste oder Kirchhundem nicht abgelegen. Oder ein in der Hachenberg Kaserne in Erndtebrück Stationierter kann in Rinsecke oder Oberhundem wohnen. Es gibt also kein „abgelegen“. Dieser Blickwinkel muss positiver werden.

Was zeichnet für Sie das Leben im Sauerland aus?

Das Leben im Sauerland bedeutet für mich Lebensqualität. Wir wohnen da, wo andere Urlaub machen. Das zeigt sich zum Beispiel auch an der wunderbaren Gastronomie, der vielen Wellnessangebote, der Freizeitbäder oder der Hotels hier. Alles was für die Touristen gedacht ist, können wir ja auch nutzen. Deshalb: Ich habe es in über 20 Jahren nie bereut, hierher gezogen zu sein.
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