Glück gehabt: Warum der Bär meiner Tochter kein Drogenkurier wird

LP-Randnotizen


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„Mamaaaaaa, meine Freundin möchte mir ihren Stoffbären schenken. Darf ich den mitbringen?“ fragt meine damals 10-jährige Tochter am Telefon. „Na klar“, sage ich naiv, nichtsahnend, sorglos. Eine Viertelstunde später blicke ich aus dem Fenster und sehe meine Tochter und ihre Freundin im Anmarsch. Noch sehr weit weg, aber nah genug, um zu erkennen: Sie laufen nicht normal. Sie ziehen, sie schleppen, sie wuchten – etwas sehr Großes.

Es sieht aus, als würden sie verzweifelt versuchen, einen Betrunkenen nach Hause zu bringen. Doch eigentlich ist gar nicht Schützenfest und eigentlich sind die beiden auch noch zu jung.

Wo sollen wir jetzt hin damit?

Bei uns angekommen, stehen die beiden stolz vor mir mit dem Stoffbären. Es ist nicht einfach nur ein Stoffbär. Es ist ein „Wie-groß-ist-der-eigentlich???“, ein „Wo-sollen-wir-jetzt-hin-damit???“ und ein „Was-willst-Du-denn-damit-machen???“.

Die erste Frage kann ich beantworten: Der Bär ist 1,40 Meter hoch, sein Kopf ist 60 Zentimeter breit und fast genauso breit ist auch sein freundliches Grinsen.

Das Ende vom Bärenlied: Kurz nachdem er bei uns angeschleppt wurde, landet der Bär in der Ecke. Er wird wenige Tage geliebt und bespielt, dann hat er seinen Dienst getan. Der Bär liegt also sehr lange, sehr einsam und sehr verlassen mal hier und mal da rum und meistens im Weg.

Liebevolles Zuhause gesucht

Bis ich eines Tages beim Aufräumen wieder mal über ihn stolpere und denke: Er braucht ein neues Zuhause. Eines, in dem sich ein Kind noch über ihn freut, das ihn liebt, mit ihm spielt und das er freundlich und breit angrinsen kann.

Der Bär. So süß wie er schaut, so groß ist er auch. von Claudia Wichtmann
Der Bär. So süß wie er schaut, so groß ist er auch. © Claudia Wichtmann

In meinem WhatsApp-Status preise ich den Riesenbär an. Seine Größe kann abschreckend sein, gleichzeitig will ich sie nicht verheimlichen und Interessenten auf die falsche Spur locken. Oder noch schlimmer: Jemand kommt, sieht, wie groß er ist und ergreift umgehend, ohne Bär, die Flucht.

Also mache ich ein Foto von ihm und mir und schreibe dazu, ich selbst sei nur 80 Zentimeter groß. Das fühlt sich einigermaßen ehrlich und gleichzeitig nicht abschreckend an. Es hilft nichts. Auch nicht, dass der Bär zu verschenken ist.

Das perfekte Zuhause gefunden

Zusätzlich stelle ich den Bär bei einem Kleinanzeigen-Portal ein. Tatsächlich: Dort möchte ihn jemand haben. Und ich stelle mir Fragen: Wird es ihm gut gehen dort? Wird er ein Kind glücklich machen? Wird er geliebt?

Meine Fantasie geht mit mir durch: Vielleicht wird er für Drogengeschäfte zweckentfremdet? Jeder kennt doch die Filme, in denen Teddys aufgeschlitzt werden, um Kokain darin zu verstecken! So ein Ende hätte der Bär nicht verdient.

Genau in diesem Moment meldet sich mein Kollege Nils Dinkel. Er möchte den Bär für seine Tochter haben. Freudig sage ich Nils zu und dem Drogenkurier ab. Ich bin mir sicher: Mit Nils Tochter findet der Bär das Kind, das ihn liebt und schätzt. Fazit: Der Bär bleibt in der LokalPlus-Familie. Und Nils weiß auch, dass ich nicht nur 80 Zentimeter groß bin.

Claudia Wichtmann

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