Fünf Quadratmeter pro Person

Pressekonferenz des Kreises zu Notunterkünften in Turnhallen / Melcher: „Sind an der Grenze der Leistungsfähigkeit"


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Besorgt angesichts der derzeitigen Lage: Kreisdirektor Theo Melcher (l.) und Landrat Frank Beckehoff. von s: Kerstin Sauer
Besorgt angesichts der derzeitigen Lage: Kreisdirektor Theo Melcher (l.) und Landrat Frank Beckehoff. © s: Kerstin Sauer

Mit ernsten Gesichtern betreten Kreisdirektor Theo Melcher und Landrat Frank Beckehoff den Sitzungssaal. Die Anspannung ist ihnen anzusehen: Schon am Freitag Nachmittag soll der Kreis 400 neue, noch nicht registrierte Flüchtlinge aufnehmen. „Es ist unsere verdammte Pflicht, sie einigermaßen menschenwürdig unterzubringen“, betonte Melcher. Doch wie dieser Standard auf Dauer zu halten sein soll, ist ihm völlig unklar.


Die Fakten sind inzwischen allgemein bekannt: Für jeweils 400 Asylsuchende müssen am Freitag, 18. September, 16 Uhr, bis mindestens Ende Februar 2016 Notunterkünfte zur Verfügung stehen - und zwar im Kreis Ennepe-Ruhr, im Hochsauerlandkreis, im Märkischen Kreis und im Kreis Olpe. Rund um die Uhr müsse für die Betreuung und Bewachung der Menschen gesorgt sein. Ein Arbeitskreis setzte sich daraufhin im Kreishaus mit den Unterbringungsmöglichkeiten im Kreis auseinander. Danach kommen nur zwei Hallen für die Unterbringung von jeweils 200 Flüchtlingen in Frage: Die Kreissporthalle Olpe und die Rundturnhalle in Attendorn. Beckehoff: „Dort ist gewährleistet, dass jeder Person ihre fünf Quadratmeter Raum zur Verfügung stehen. Es gibt sanitäre Einrichtungen, Tribünen, auf denen sich die Menschen aufhalten können, und zusätzliche Räume.“
Regelmäßiger Wechsel
Wichtig war den Organisatoren, dass die Sporthallen nicht zu eng an einen Schulbetrieb gekoppelt sind und etwas abseits stehen. Bisher, so Beckehoff, gehe er davon aus, dass dieser erste Schub von 400 Flüchtlingen für zwei bis vier Wochen im Kreis Olpe bleibe und anschließend landesweit verteilt werde. Bis mindestens Ende Februar gehe er von einem regelmäßigen Wechsel an unterzubringenden Asylsuchenden aus. Kreisdirektor Theo Melcher fütterte die Ausführungen des Landrats mit Details: „Wir haben 700 Feldbetten geordert. Zusätzlich sind 220 Doppelstockbetten bestellt. Diese sollen hier und da die Feldbetten ersetzen, damit der Raum, der den Flüchtlingen zusteht, optimal genutzt wird und kein Lagerkoller entsteht.“ Die Hygiene-Erstausstattung wie Zahnbürsten, Seife und Waschlappen stehe ebenfalls bereit. Derzeit werde in der Kreissporthalle Olpe der Fußboden neu belegt, mit Bauzäunen werden abgetrennte Feldbett-Areale geschaffen, damit die Menschen ein Mindestmaß an Privatsphäre haben.
Sobald die Flüchtlinge am Freitag in Bussen eintreffen, stehen Ärzte für die Erstuntersuchung bereit. Denn, so Melcher: „Die Menschen, die wir erwarten, sind weder registriert noch untersucht.“ Die Krankenhäuser im Kreis hätten daher ihre Röntgenkapazitäten zur Verfügung gestellt, um die Menschen sofort auf Krankheiten wie zum Beispiel auf Tuberkulose untersuchen und gegebenenfalls aussondern zu können. Thema Betreuung: „Der DRK-Kreisverband Olpe wird beide Einrichtungen betreuen – erstmal hauptsächlich mit ehrenamtlicher Hilfe“, sagte Melcher. Sowohl die Organisation als auch die Betreuung der Flüchtlinge bedeuten für den Kreis Olpe einen erheblichen Personalaufwand. Melcher: „Wir kommen an die Grenze der Leistungsfähigkeit. Über kurz oder lang werden wir diese überschreiten.“
Zahl wird weiter steigen
Und der Blick in die Zukunft? Landrat Beckehoff findet klare Worte: „Die Zahl der zugewiesenen Flüchtlinge hat sich innerhalb weniger Monate versechsfacht, 1200 Asylsuchende sind im Kreis verteilt. In den nächsten vier Wochen werden 36.000 weitere Flüchtlinge nach NRW kommen. Auch der Kreis Olpe und seine Kommunen werden eine erhebliche Last zu tragen haben: Wir müssen uns darauf einstellen, in den nächsten Wochen noch erheblich mehr Menschen aufzunehmen.“ Vergleichbare Möglichkeiten für die Unterbringung der Menschen wie die Kreissporthalle in Olpe und die Rundturnhalle in Attendorn gebe es im Kreis Olpe nicht mehr, betonte Theo Melcher: „Bei weiteren Flüchtlingen können die geforderten Standards kaum gehalten werden.“ Hilfe vom Land kommt dabei nicht, denn: „Der Kreis muss diese Aufgabe zu 100 Prozent alleine stemmen.“
Versammlung für Anlieger
Um den Anliegern und Bürgern Rede und Antwort zu stehen – auch über den weiteren Betrieb der Turnhallen – laden Kreisdirektor Theo Melcher und Landrat Frank Beckehoff zu zwei Anliegerversammlungen ein: in Attendorn am Freitag, 18. September, ab 17 Uhr in der Mensa der Hanseschule und in Olpe am Samstag, 19. September, ab 14 Uhr in der Pausenhalle des Berufskollegs.
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