Fallzahlen, Auswertungsdauer, Testkriterien: Krisenstab-Leiter Theo Melcher bezieht Stellung

Großes Interview zur aktuellen Corona-Situation


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Kreis Olpe. Der Leiter des Corona-Krisenstabes, Kreisdirektor Theo Melcher, hat in einer schriftlichen Stellungnahme am Dienstagnachmittag, 24. März, einige Fragen zur aktuellen Corona-Situation im Kreis Olpe beantwortet. Er erklärt, warum die Zahlen der Infizierten vergleichsweise niedrig sind und warum es dauert, bis die Ergebnisse vorliegen.


Im Kreis Olpe gibt es vergleichsweise nur wenige bestätigte Corona-Erkrankungen. Wie erklären Sie sich das?

Dies liegt vor allem daran, dass uns die Untersuchungsergebnisse der Labore leider erst mit einer zunehmenden zeitlichen Verzögerung erreichen. Erhielten wir bei den ersten Testungen die Ergebnisse noch innerhalb von 48 Stunden, dauert das inzwischen bis zu einer Woche. Wir arbeiten mit Hochdruck daran, weitere Laborkapazitäten zu finden, um das deutlich zu beschleunigen.

Ziel ist es, die Ergebnisse in 48 besser 24 Stunden zu bekommen. Das wird natürlich mit steigender Zahl der Testungen immer schwieriger. Und wir schaffen mittlerweile bis zu 120 Tests pro Tag. Selbst das könnten wir theoretisch noch ausbauen. Doch ein Test nützt nur, wenn auch zeitnah eine Laboruntersuchung erfolgt und das Ergebnis mitgeteilt wird.
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Wegen des Rückstaus sind uns heute (24. März) 15 neue Fälle gemeldet worden. Aktuell haben wir damit 34 bestätigte Fälle. Im Übrigen ist die Fallzahl auch vergleichbar mit der in Siegen-Wittgenstein und dem Märkischen Kreis. Die Fallzahl ist aus statistischen Gründen und zum Controlling der eingeleiteten Maßnahmen sicher wichtig. Wichtiger für einen Erkrankten ist jedoch, dass ihm geholfen wird. Auf eine Testung kommt es dabei nicht an.

Alle Fachleute gehen davon aus, dass die Zahl der von Corona bereits Infizierten ein Vielfaches der festgestellten Fälle ist. Und die Virologen machen dies ja zur Voraussetzung, um die die Sache in den Griff zu bekommen. Sie sprechen von „Herdenimmunität“ und dass dafür 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung einmal von dem Virus befallen sein müssen.
Die ersten Test liefen noch vor Ort
Viele Betroffene fragen sich, warum es von der Überweisung des Hausarztes bis zur Testung einige Tage dauert bzw. gedauert hat. Woran liegt das?

Tatsächlich mussten wir zunächst die Abläufe und Strukturen für die Abarbeitung der Fälle aufbauen. Denn eine Gesundheitsbehörde ist auf den Normalfall ausgerichtet. Wir mussten also Personal aus anderen Bereichen abziehen und für die Aufgaben im Bereich Corona vorbereiten und schulen. Das hat gut geklappt und wir sind jetzt gut aufgestellt.

Bei den ersten Erkrankungsfällen konnten wir die Testungen noch vor Ort in den Wohnungen der Patienten durchführen. Inzwischen erfolgt die Abstrichentnahme dank der Unterstützung des DRK an zwei zentralen Stellen in Olpe und Lennestadt. Dort werden die Personen vom Gesundheitsamt mit Termin hinbestellt. In Ausnahmefällen bei nicht mobilen Patienten wird aber auch noch der Fahrdienst eingesetzt. Wichtig ist, jeder der getestet wurde, bekommt definitiv einen Anruf von uns, wenn das Ergebnis vorliegt.
Neue Richtlinien für Tests
Zum Verständnis: Wann wird ein Test durchgeführt?

Corona-Tests werden vom Gesundheitsamt ausschließlich auf ärztliche Veranlassung durchgeführt. Deshalb muss jede Person zunächst telefonisch Kontakt mit dem Hausarzt aufnehmen. Der veranlasst die Testung und orientiert sich dabei an festgelegten Kriterien. Das heißt, nicht jeder, der auch Symptome hat, also etwa an Husten und Schnupfen leidet oder Fieber hat, wird auch getestet.

Bisher muss die Person zudem engeren Kontakt zu einem von einem Labor bestätigten Coronavirus-Erkrankten gehabt oder sich bis 14 Tage vor Erkrankungsbeginn in einem vom Robert-Koch-Institut festgelegten Risikogebiet aufgehalten haben. Ganz aktuell wurden heute die Richtlinien für die Testung vom Robert-Koch-Institut angepasst und das Kriterium „Rückkehr aus Risikogebiet“ ist entfallen.

Immer wieder hören und lesen wir, dass es wünschenswert wäre, wenn möglichst alle mit grippeähnlichen Symptomen getestet werden würden. Insbesondere Personen mit Krankheitssymptomen verstehen oftmals nicht, dass sie nicht getestet werden sollen. Doch uns allen muss klar sein, das geht – zumindest aktuell - nicht. Das geben die Kapazitäten einfach nicht her.
„Es ist anders als alles bisher Dagewesene"
Wie gehen Sie selbst mit der Situation um?

Ich wurde, wie alle, vor etwa 14 Tagen aus meinem mir vertrauten Leben gerissen. Spätestens seit der Fernsehansprache von Angela Merkel war mir klar, es ist anders als alles bisher Dagewesene in der Bundesrepublik. Doch wichtig war mir, dazu ein rationales Verhältnis zu erlangen. Ich vertraue den führenden Virologen in Deutschland. Für die allermeisten von uns verlaufen Erkrankungen grippeähnlich und eher harmlos. Manche haben sogar gar keine Symptome.

Warum sind dann all die tiefgreifenden Maßnahmen erforderlich, die gerade unser gewohntes Leben drastisch einschränken?

Nach Auffassung der Fachleute ist das Coronavirus vor allem gefährlich für ältere Menschen und solche mit Vorerkrankungen. Im Gegensatz zu einer Influenza haben wir es zudem mit einem Virus zu tun, das neu ist und daher nach Aussage der Virologen nahezu alle infizieren wird. Und dies in kurzer Zeit, weil es eine exponentielle Entwicklung gibt, sich also die Zahl der Infizierten in kurzer Zeit jeweils verdoppelt. Die rasche Verbreitung macht uns die Sorgen.
Erster Fall mit schwierigem Krankheitsverlauf
Leider haben wir heute erfahren, dass wir im Kreis Olpe den ersten Fall mit einem schwierigen Krankheitsverlauf haben. Genau wegen solcher Fälle bemühen wir uns darum, entsprechende Behandlungskapazitäten auszuweiten. Alle Maßnahmen laufen darauf hinaus, die Zeit, in der wir uns anstecken, zu strecken. Je länger es dauert, desto mehr Menschen können auch stationär behandelt werden. Das ist logisch.

Und wir alle können etwas dafür tun! Wenn sich jeder so verhalten würde, als wäre er selbst schon Träger des Virus, er also Abstand zu anderen hält und alle Hygienemaßnahmen ergreift, dann werden wir die Ausbreitung sicher verlangsamen. So gewinnen wir Zeit. Kostbare Zeit für die Älteren und Vorerkrankten! Nichts anderes als pure Selbstverständlichkeit, wie ich finde.
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