Erst-Helfer: Acht Minuten schneller als der Rettungsdienst

Pilotprojekt First Responder: Sechs Monate und schon bewährt


  • Kreis Olpe, 10.11.2016
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  • Von Volker Lübke
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Heinrich Junge, Jan Weiskirch und Mathias Krüger stellen die First Responder vor. von Volker Lübke
Heinrich Junge, Jan Weiskirch und Mathias Krüger stellen die First Responder vor. © Volker Lübke

Oberveischede. Retten, bergen, löschen, schützen. Und manchmal kommen neue Aufgaben hinzu, die nicht in das bekannte Schema passen wollen. Aber wenn es ums Helfen geht, stehen die Freiwilligen Feuerwehren bereit. In Olpe macht derzeit ein Pilotprojekt von sich reden, das den Aufgabenbereich der Wehr erweitert: die First Responder.


Sie sind Erst-Helfer, die ersten, die reagieren bzw. Antworten wissen (responder). Und: Sie kennen sich vor Ort aus, sind in Notfällen schnell da. „Wir leben in so entlegenen Bereichen, dass es oft gefährlich lange dauert, bis die Rettungskräfte und der Notarzt eintreffen“, erklärt der Oberveischeder Löschgruppenführer Heinrich Junge. „Wir hatten uns schon länger mit dem Gedanken getragen, was man machen könnte“, berichtet Junge, der zusammen mit seinem Stellvertreter Christoph Rickehoff die Idee weiterentwickelt hat. Rickehoff kennt als ausgebildeter Rettungsassistent das Problem auch von der andere Seite. Auf ihre Initiative hin hat der Kreis als Träger des Rettungsdienstes schließlich das Pilotprojekt – neben den Helfern vor Ort – gestartet.
Halbe Löschgruppe zu Notfallhelfern ausgebildet
In Oberveischede gab es bereits gute Voraussetzungen dafür. „Mit einem Defibrillator und dem Notfallrucksack, beides aus Spenden, war das Equipment quasi schon da“, so Junge. Elf Notfallhelfer haben inzwischen die 50 Ausbildungsstunden absolviert. „Das ist etwa die Hälfte der Löschgruppe.“
Aufgaben und Stärken
Die First Responder sind nicht nur schnell, sie wissen auch, was zu tun ist. Sie stellen erste Diagnosen am Unfallort und können so die ursprüngliche Meldung relativieren oder zusätzliche Kräfte nachordern.

Sie kennen sich vor Ort bestens aus. Damit werden Eisatzstellen auch für externe Notärzte leichter auffindbar.

Sie bieten Manpower vor Ort, indem sie die Rettungskräfte und den Notarzt weiter unterstützen.

Die Rettungsassistenten in der Gruppe können z.B. Zugänge für Infusionen legen, so dass der Notarzt sofort bei dessen Eintreffen gegensteuern kann.

Sie können über den Mannschaftstransportwagen Rückmeldungen an die Kreisleitstelle geben und gegebenenfalls den Rettungshubschrauber einweisen.
Zum Einsatz kommen die First Responder im Bereich Griesemert, Fahlenscheid, Teckinghausen und Oberveischede – und zwar nur dann, wenn der Notarzt alarmiert wird. „Weil das Gerätehaus ziemlich zentral gelegen ist, bringt einer das Fahrzeug und die Ausstattung mit“, erklärt Jan Weiskirch. Mindestens zwei, manchmal auch drei oder vier Helfer rücken auf das entsprechende Stichwort bei der Alarmierung hin aus. Bei drei schweren Verkehrsunfällen hat sich das System bereits als sehr gut herausgestellt, weiß auch der Olper Feuerwehrchef Christian Hengestebeck: Zwei Scher- und ein Leichtverletzter konnten so sehr schnell erstversorgt werden.
Zehn Einsätze seit April
„Schnell“ lautet denn auch das Schlüsselwort für die Spezialeinheit. Die Oberveischeder sind nämlich tatsächlich so schnell am Unfallort wie die sprichwörtliche Feuerwehr. In jedem Fall sind sie  schneller als Rettungsdienst und Notarzt. Die Helfer wohnen und arbeiten in der Fläche verteilt. Damit haben sie kurze Wege zu den Einsatzorten. Zehn Mal kamen die First Responder seit Gründung der Truppe im April 2016 zum Einsatz. „Und bei allen Alarmierungen waren wir im Schnitt acht Minuten vor dem Rettungsdienst am Einsatzort“, berichtet Heinrich Junge. Schon deshalb dürfte aus dem Pilotprojekt bald eine Regeleinheit werden. Löschgruppenführer Junge: „Wenn jetzt noch der Winter kommt, wird man schnell feststellen, dass wir gar nicht mehr anders können.“
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Genau darum geht es ja: „Wir überbrücken die sogenannte therapiefreie Zeit“, so Mathias Krüger. Bis Notarzt oder Rettungskräfte eintreffen, vergehen wertvolle Minuten. Jede Sekunde kann Leben retten. Vor Ort folgen die ausgebildeten Erst-Helfer einem festen Ablaufplan nach dem Alphabet: A wie Atemwege kontrollieren, B wie für Belüftung (Beatmung) sorgen, C wie Kreislauf kontrollieren (Englisch = Circulation), D wie neurologische Defizite erkennen und E wie Entkleiden bzw. erweiterte Maßnahmen (z.B. bei gebrochenen Gliedmaßen) ergreifen.
Mehr als Pflaster kleben
Die First Responder können weit mehr als „nur“ Pflaster kleben.

Das Kernstück der Ausrüstung, der Notfallrucksack enthält Material zur Atemwegsicherung inkl. Sauerstoff, Messgeräte für Puls, Blutdruck, Blutzucker und Sauerstoffgehalt des Blutes.

Außerdem führt die Truppe stets einen  Defibrillator mit.

Nicht zuletzt aber ist es die fundierte Ausbildung der 35 Feuerwehleute, die sie in die Lage versetzt, schnell und gezielt zu helfen.

Wichtiges Mitglied der First Responder ist übrigens ein kleiner, knuddeliger Teddybär – speziell für kleine Unfallbeteiligte.
„Man muss sich schon der besonderen psychologischen Belastung bewusst sein“, sagt Heinrich Junge. Dennoch empfinden die Helfer ihren Job als große Bereicherung – übrigens auch für die Feuerwehr selbst. „Wir können bei einem Brand oder Unfall mehr als gut zureden“, sagt Heinrich Junge, „notfalls auch die eigenen Kameraden versorgen.“
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