Eine andere Welt mitten in Europa

Flüchtlingshelfer kehren von Griechenland-Einsatz zurück


Diese afghanischen Flüchtlinge campieren in einer Lkw-Werkstatt. Der Besitzer drehte ihnen das Wasser ab. von s: Nicole Klappert, Help for Hope
Diese afghanischen Flüchtlinge campieren in einer Lkw-Werkstatt. Der Besitzer drehte ihnen das Wasser ab. © s: Nicole Klappert, Help for Hope

Zeltstädte rund um Tankstellen, in Wälder hineinwuchernde Flüchtlings-Camps, gestrandete Menschen, die versuchen, ihre Würde nicht zu verlieren, obwohl es ihnen am Nötigsten – darunter oft sogar Wasser – fehlt. Auf der anderen Seite ein großes, sich selbst koordinierendes Freiwilligen-Netzwerk mit Helfern aus der ganzen Welt. Die Eindrücke, die die Freudenberger Initiative „Help for Hope“ bei ihrer fünftägigen Griechenland-Tour gewonnen hat, haben sich den drei Helfern, die auch Unterstützung aus dem Kreis Olpe erhalten haben, unauslöschlich eingeprägt.


Dabei hätte sich die Gruppe keinen ungünstigeren Zeitpunkt aussuchen können: Zeitgleich mit ihrer Ankunft wurde das Camp bei Idomeni geräumt. Mit der Schließung des größten inoffiziellen Camps Griechenlands verlagerte sich das Interesse vieler Helfer und weniger Kamerateams auf die umliegenden inoffiziellen, chronisch unterversorgten Lager. Schon bei seinem ersten Griechenland-Besuch im April hatte „Help for Hope“ Kontakte zu syrischen Familien an einer BP-Tankstelle geknüpft. Ein Stück hinter dem Camp am Hotel Hara stießen die Helfer auf eine Gruppe Afghanen, darunter eine Großfamilie, die auf einem Parkplatz und in einer Lkw-Werkstatt campiert. Anders als bei den Balkan-Fahrten im vergangenen Jahr, war hier Zeit, engere Bindungen zu den Menschen aufzubauen. Die Freudenberger erfuhren von schrecklichen Erlebnissen und persönlichen Verlusten, von Heimweh nach von Krieg und Terror zerstörten Ländern, in denen alles verkauft und zurückgelassen wurde, um die horrenden Schlepperkosten zu zahlen, von Angst um die Zukunft der Kinder, vor denen es in den Camps nur so wimmelt: anhängliche, wissbegierige und fröhliche Mädchen und Jungen. Bemerkenswert war die Sachlichkeit der Schilderungen ohne jedes Selbstmitleid, bemerkenswert auch die Dankbarkeit und Freundlichkeit der Menschen, die in Essenseinladungen gipfelte.
Unzureichende medizinische Versorgung
Was drei Personen mit einem Mietkombi dank großzügiger Unterstützung von daheim ausrichten können, ist, genau hinzusehen und hinzuhören, für die Menschen in den Lagern einzukaufen und auf Zuruf anderer Helfer zu agieren. So lernten sie einen jungen Syrer kennen, der mit einer Querschnittslähmung in einem Militärcamp festsitzt. Dort steht ihm keine vernünftige Matratze und auch sonst kaum adäquate Versorgung zur Verfügung, da er nicht in die Kategorie „Notfall“ gehöre, wie eine Übersetzerin, die unter anderem für das Rote Kreuz arbeitet, erläuterte. Dass er sich auf seinem zu schmalen Lager am Fußboden nicht selbst herumdrehen kann, hat ein tiefes Druckgeschwür an der Hüfte zur Folge. Den deutschen Helfern, darunter ein Arzt, blieb nichts anderes, als ihm eine weitere Matte und Decke zu überlassen, ihm die tägliche Wundversorgung nahezulegen und ihn in einer einer Situation zurückzulassen, von der man nicht meint, das sie in Europa möglich sein sollte.
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Eine andere Welt mitten in Europa
Die Bilanz in Zahlen: 1035 Liter Wasser, 1100 Portionen Babynahrung, 25 Kilo Äpfel, 800 Bananen, 128 Laibe Brot, 10 Kilo Gewürze, 120 Trinkpäckchen Kakao, 960 Müsliriegel, 16 Liter Speiseöl, 44 Kilo Orangen, 327 Tafeln Schokolade, 14 Kilo Zucker, 24 Kilo Zitronen, 34 Gläser Kaffee, 35 Konservendosen, 150 Pampers, 8 Kilo Honig, 24 Kilo Möhren, zwölf Kilo Linsen, vier Kilo Ingwer, 22 Liter Milch, acht Kilo Salz, 128 Röhrchen Vitamin C, zehn Kilo Auberginen, 13 Kilo Hühnchen, 30 Rollen Toilettenpapier. Außerdem fanden ca. 250 Zahnbürsten, 180 Packungen Zahnpasta, 45 Babytragehilfen und zahlreiche Medikamente neue Besitzer bzw. Nutzer. Hinzu kommen 3000 Becher. Zusätzlich konnte „Help for Hope“ die Freiwilligen-Feldküche „Hot Food Idomeni“ mit 1000 Euro unterstützen, die jetzt, wo es das Idomeni-Camp nicht mehr gibt, für die Menschen in den Militärlagern kocht. In Worten ausgedrückt, blickt „Help for Hope“ in Ratlosigkeit auf ebenso bedrückende wie bereichernde Tage zurück und sagt den Unterstützern aus dem Siegerland und dem Kreis Olpe Danke. (LP)
Schreiben der Initiative an die Presse
Liebe Redaktionen in Olpe, für die Freudenberger Initiative Help for Hope übersende ich Ihnen hiermit eine Pressemitteilung zu unserem zweiten Griechenland-Einsatz in Sachen Flüchtlingshilfe. Warum Freudenberg? Nun, weil es erstens nicht weit weg ist, weil wir uns vor allem aber zweitens über die Unterstützung zahlreicher Olper freuen durften. Es gibt aber noch einen dritten, eigentlich den wichtigsten Grund, aus dem wir uns über eine Veröffentlichung auch in Ihrem Gebiet freuen würden: Die Zustände im inzwischen geschlossenen Camp in Idomeni sind durch die Medien bekannt geworden. Dass aber in der näheren Umgebung Tausende weitere Geflüchtete unter unhaltbaren Zuständen leben, das ist so bekannt nicht. Da wir zeitgleich mit der Räumung von Idomeni vor Ort waren, konnten wir gut beobachten, wie sich das mediale Interesse von der - zynisch formuliert - "Hauptattraktion" Idomeni jetzt erst auf die kleineren, inoffiziellen Camps verlagerte. Zustände, die nicht akzeptabel sind, schon gar nicht mitten in Europa.
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