Der letzte Tagesmarsch zum Mount-Everest-Basecamp

Sauerländer fast am Ziel


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Trotz unfassbarer Anstrengungen und Mühen: Die Natur belohnte die Trekking-Gruppe immer wieder mit ihren grandiosen Aussichten. von Katrin Ziegert / Andre Ziegert
Trotz unfassbarer Anstrengungen und Mühen: Die Natur belohnte die Trekking-Gruppe immer wieder mit ihren grandiosen Aussichten. © Katrin Ziegert / Andre Ziegert

Kreis Olpe/Nepal. Der letzte Teil unserer Serie „Unterwegs zum Mount Everest“: Andre Ziegert, Denise Schulte, Katrin Ziegert und Malte Justus haben ihr Ziel, das Basecamp am Mount Everest, schon vor Augen – doch die Teilnehmer sind erschöpft, einige sogar gesundheitlich angeschlagen.


Am Mittwoch, 14. November, erreicht die Trekking-Gruppe ihre letzte Lodge: Gorak Shep ist mit 5200 Metern der Ort der höchsten Übernachtung. Der 38-jährige Malte Justus ist an diesem letzten Tag nicht dabei: Ihn hat die Höhenkrankheit erwischt. Schwindel und Übelkeit sorgen dafür, dass er die letzte Etappe nicht mitgeht.
 von Katrin Ziegert / Andre Ziegert
© Katrin Ziegert / Andre Ziegert
Auch der Rest der Truppe ist an der Grenze seiner Kräfte. Viele haben mit Magen-Darm-Problemen zu kämpfen, andere sind stark erkältet. Wie Katrin Ziegert. Denise Schulte hingegen ist völlig erschöpft. „Ich konnte nicht mehr.“ Und es wird immer schlimmer: Es ist eiskalt. Der „Weg“ von ihrer Lodge bis zum Basecamp ist eine Geröll-Wüste, jeder Schritt eine Qual. Denise Schulte erinnert sich: „Ich habe einfach einen Fuß vor den anderen gesetzt, dabei immer bis vier gezählt, um im Rhythmus zu bleiben.“ Und auch Andre Ziegert, der die Strapazen bisher am besten weggesteckt hat, gibt zu: „Das war schon zehrend.“
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Der letzte Tagesmarsch zum Mount-Everest-Basecamp
Hinzu kommt der psychische Stress. „Du weißt: Ab einem bestimmten Punkt kann dich kein Helikopter mehr aus dem Gebiet holen, du MUSST laufen“, erzählt Denise Schulte. Und fügt leise hinzu: „Ich war verzweifelt. Wir haben das Basecamp schon gesehen, mussten das letzte Stück aber steil bergab – dementsprechend auf dem Rückweg wieder steil bergauf. Einige aus unserer Truppe sind da ausgestiegen. Aber ich habe immer nur gedacht: Ich habe das doch nicht alles auf mich genommen, um 500 Meter vor dem Ziel aufzugeben!“

Die Übriggebliebenen ziehen weiter. Verlieren jedes Zeitgefühl. Machen einfach einen Schritt nach dem nächsten. Und erreichen am Mittwoch, 14. November, gegen 14 Uhr das Ziel ihrer Reise: das Mount-Everest-Basecamp.
 von Katrin Ziegert / Andre Ziegert
© Katrin Ziegert / Andre Ziegert
Ein grandioser Moment? „Eher nicht“, sagt Andre Ziegert und zuckt die Schultern. „Eigentlich war da gar nichts zu sehen. Nur ein Schild, auf dem steht: ‚Everest Base Camp‘, viele Gebetsfahnen und einige Touristen.“ Zelte sind zu dieser Jahreszeit nicht zu sehen, da im November keine Expeditionen zum Gipfel stattfinden. Und trotzdem sind die Drei stolz: Sie haben es geschafft. Und jetzt den harten Rückweg zur Lodge vor sich…

„Das war mit Abstand das Furchtbarste, was ich je gemacht habe“, erinnert sich Denise Schulte. Der Fußmarsch ist kräftezehrend, das Nervenkostüm inzwischen sehr dünn. „Ich habe nur geheult.“ Doch auch diese Etappe schaffen die drei Sauerländer und erreichen am Nachmittag wieder ihre Lodge, wo sie eine Nacht verbringen. Noch nicht wissend, dass sie am folgenden Tag für ihre Anstrengungen belohnt werden…
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Am Donnerstag, 15. November, besteigt die Reisegruppe den Kala Patthar, mit 5643 Metern der höchste Punkt der Trekking-Tour. Während sich Denise Schulte heute wieder besser fühlt, stößt Katrin Ziegert konditionell an ihre Grenzen: Sie ist inzwischen so erkältet, dass sie kaum noch Luft bekommt.

Doch als sie den Gipfel erreichen, bietet sich ihnen ein grandioser Ausblick auf die umliegende Bergwelt. Denise Schulte: „Alles war so riesig und beeindruckend, man kann kilometerweit gucken – das war schon sehr berührend.“ Kein Wunder, dass die meisten hier, am Ziel ihrer Reise, ein paar Tränen verdrücken müssen. „Überall um einen herum ragen diese Riesen-Gipfel in den Himmel“, erzählt die 32-Jährige weiter. Und Katrin Ziegert fügt hinzu: „Es war einfach überwältigend.“
 von Katrin Ziegert / Andre Ziegert
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Und dann geht es zurück Richtung Lukla. Hatte sich der anstrengende Aufstieg über zehn Tage gezogen, so braucht die Truppe jetzt lediglich drei Tage. Wieder bergab. In Namche Bazar können die Deutschen zum ersten Mal nach acht Tagen wieder duschen, zum Frühstück gibt es Honig. Schritt für Schritt geht es wieder zurück in die Zivilisation.

Ein Hindernis steht der Trekking-Gruppe allerdings noch bevor: der Rückflug nach Kathmandu. Ab 6.15 Uhr warten die Wanderer am Montagmorgen, 19. November, am Flughafen in Lukla auf ihren Flieger – vergeblich. Das Wetter macht ihnen einen Strich durch die Rechnung: Die Region um Lukla ist bekannt für wechselhaftes und teilweise sehr schlechtes Wetter - und bei schlechter Sicht können dort oben nur noch Hubschrauber fliegen.
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Nach stundenlangem Warten in der eisigen Flughafenhalle entscheidet sich die Gruppe, einen Heli zu chartern, der allerdings erst um 14 Uhr ankommt und auch nur einen Teil der Gruppe mitnehmen kann. Vier Personen, darunter Andre Ziegert und Malte Justus, müssen also zurückbleiben und auf die Rückkehr des Hubschraubers warten.

Das Problem: Das Wetter wird immer schlechter, auch der Hubschrauber kann nun nicht mehr in Lukla landen. Laut Wanderführer Nim muss die Truppe tiefer unter die Wolkendecke laufen, um einen anderen Helikopter-Landeplatz zu erreichen. Alle stimmen zu – und überwinden in der folgenden Stunde mit vollem Gepäck unglaubliche 600 Höhenmeter talwärts. „Krass“, sagt Malte Justus lachend, und Andre Ziegert fügt hinzu: „Es war wie im Film. Total anstrengend, aber auch irgendwie lustig.“
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Am späten Abend ist die Reisegruppe wieder komplett – in ihrem Hotel in Kathmandu. „Es war ein Traum“, erzählt Katrin Ziegert und lacht: „Ich habe eine halbe Stunde lang unter der heißen Dusche gestanden.“ Und Denise Schulte genießt es, nach der Dusche mit nackten Füßen über den flauschigen Teppich zu laufen. „Luxus pur“, sagt sie mit Blick auf die anstrengenden, entbehrungsreichen Tage zuvor.

Drei Tage später, am Donnerstag, 22. November, kommen die vier Reisenden wieder in Deutschland an. Erkältet, erschöpft und voller unfassbarer Eindrücke. Einen Monat ist das jetzt her, die Vier arbeiten wieder, sind wieder im deutschen Alltag angekommen. Und – würdet ihr es nochmal machen? „Ja“, antwortet Andre Ziegert prompt. Denise Schulte zögert: „Mit ein bisschen mehr Komfort – ja. Die Art von Reise war total gut. Es ist da oben nur einfach irgendwann unfassbar kalt.“

Die beiden anderen können dem nur zustimmen. „Jetzt, mit dem zeitlichen Abstand und mit diesen Bildern vor Augen“, Katrin Ziegerts Blick wandert zum Fernseher, wo immer noch die Fotos der Trekking-Tour aufleuchten, „würde ich sagen, ich würde es auch nochmal machen.“
 von Katrin Ziegert / Andre Ziegert
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Neben einer dicken Erkältung, wunden Füßen und tiefer Erschöpfung – was habt ihr von dieser Reise mitgebracht? „Die Erkenntnis, dass wir verweichlichte Westeuropäer sind“, antwortet Denise Schulte. Und fährt fort: „Wir sind viel Luxus gewohnt: beheizte Räume, eine ordentliche Toilette, Trinkwasser aus dem Hahn. Und im Supermarkt können wir einfach Lebensmittel kaufen.“ Ganz anders sei das Leben in Nepal: „Die Menschen arbeiten jeden Tag. Das ganze Jahr hindurch. Beackern den steinigen Boden, um Gemüse anzubauen und Tiere zu züchten. Jeder Stein, der für den Bau einer Hütte gebraucht wird, muss von Hand quadratisch geschlagen werden.“

Andre Ziegert, Denise Schulte, Katrin Ziegert und Malte Justus sind nachhaltig beeindruckt. Von ihren Erlebnissen, ihren Grenzerfahrungen, von dem Land und den Menschen in Nepal. Es war die Reise ihres Lebens – zumindest bisher….
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