„Den Kreis Olpe zur Geburtsstätte des High-Technology-Landes NRW machen“

Vor der NRW-Wahl: Bastian Halbe (Piraten) im Interview


Bastian Halbe. von privat
Bastian Halbe. © privat


Ihr Wahlkampf-Slogan lautet „Chancengleichheit statt Vetternwirtschaft“. Bitte erklären Sie das genauer.

Mit „Chancengleichheit statt Vetternwirtschaft“ stelle ich unser gesamtes System infrage. Unsere Politik ist nur noch auf Machterhalt ausgerichtet. Was sonst nötigte die Grünen im Landtag NRW dazu, ihr Parteiprogramm in den Punkten Cannabis-Legalisierung und Folgekosten der Braunkohleförderung abzufackeln?

Ich will Chancengleichheit. Im Gesundheitssystem, in der Vergabe von öffentlichen Aufträgen und in der Bildung. Wir müssen die Vetternwirtschaft und die Korruption in unseren Ministerien und im Landtag NRW transparent machen und beseitigen.

Der ländliche Raum – und damit auch Südwestfalen und der Kreis Olpe – steht angesichts des demografischen Wandels vor mehreren großen Herausforderungen. Eine davon ist die Landflucht junger Menschen. Wie lässt sich diese verhindern?

Zusammen mit unseren starken Unternehmern und Visionären im Kreis Olpe werde ich den Kreis Olpe zur Geburtsstätte des „High-Technology-Landes NRW“ machen. Durch unser Wirtschaftsmodell „Innovation Society“ schaffen wir einen neuen Arbeitsmarkt direkt vor unserer Haustür und holen ein Maximum aus den Ideen der Menschen heraus.

Die Großstädte werden ihren Reiz verlieren, wenn die Zukunft in den Unternehmen Südwestfalens entwickelt wird. Alle reden nur von Silicon Valley in NRW. Wir wissen, wie es möglich wird.

Wie lässt sich die medizinische, hausärztliche und pflegerische Versorgung auf dem Land sicherstellen?

Unsere Pflege ist am Boden. Wir brauchen eine Pflegeversicherung, in die ALLE einzahlen. Ich bin davon überzeugt, dass wir Mediziner nicht alleine mit Geld aufs Land gelockt bekommen. Wir müssen ihnen Freiheiten geben, die sie woanders nicht haben. Die Chancen sehe ich auch hier in der Digitalisierung, deren Technologien, auf dem Land bereitgestellt, eine Versorgung hier sicherstellen könnte. Erweitert brauchen wir eine Absenkung der Zulassungsvoraussetzungen für das Medizinstudium.
Strukturwandel für den Kreis Olpe einleiten
Welche Stärken und welche Schwächen sehen Sie für den Kreis Olpe? Wie können diese erhalten und ausgebaut bzw. behoben werden?

Die größte Stärke des Kreis Olpe ist zugleich seine Schwäche: Die Abhängigkeit der Wirtschaft vom Automotivbereich. Zukunftsorientierte Unternehmer haben hier viele gut bezahlte Arbeitsplätze geschaffen. Wir müssen aber jetzt schon anfangen, den Strukturwandel zu gestalten, damit wir unseren Wohlstand auch in einer Zeit nach dem kraftstoffbetriebenen Auto erhalten und ausbauen können.

Südwestfalen gilt als eine der bundesweit bedeutendsten Wirtschaftsregionen. Was muss mit Blick auf die Infrastruktur passieren, damit die Region ihren Status halten und ggf. weiter ausbauen kann?

Zukunftsorientierter Breitbandausbau funktioniert nur mit einem flächendeckenden Glasfasernetz. Die hier im Kreis so hoch gelobte Vectoring- Notlösung ist nichts anderes als Zukunftsverschleppung. Der Erfolg unserer Unternehmen darf nicht an den Selbstverständlichkeiten des 21. Jahrhunderts scheitern.

Das Thema Erneuerbare Energien, insbesondere Windenergie und die Ausweisung von Vorrangzonen, löst nach wie vor kontroverse, mitunter äußerst emotionale und auch hitzige Diskussionen aus. Wie sieht Ihre Position zu Erneuerbaren Energien im Allgemeinen und Windrädern im Speziellen aus?

Ich werde die Zerstörung unserer Wälder durch Windkraftanlagen nicht mittragen. Wir brauchen erneuerbare Energien. Ganz klar. Aber was bringt uns der grünste Strom, wenn der Preis das ist, was wir schützen wollen: unsere Natur? Die EEG- Umlage muss weg. Wenn Strom mit 3 Cent an der Leipziger Börse gehandelt wird und für 30 Cent beim Verbraucher ankommt, dann läuft etwas verkehrt.

Die Energiewende muss über die Legislaturperiode hinaus gestaltet werden. Wir dürfen nicht die erstbeste Technologie zum Heilsbringer erklären.
„Vom Land der Dichter und Denker zur Bildungsfabrik“
Ebenfalls umstritten: das sogenannte „Turbo-Abi“ (G8) an den Gymnasien. In NRW läuft das erste Volksbegehren seit 39 Jahren mit dem Ziel, zum Abitur nach 13 Jahren (G9) zurückzukehren. Welches Modell bevorzugen Sie und warum?

Deutschland ist vom Land der Dichter und Denker zu einer Bildungsfabrik verkommen. Jugendliche brauchen Zeit, weil es bei Bildung um mehr als einen Abschluss geht. Deswegen unterstütze ich das Volksbegehren und fordere eine Rückkehr zu G9.

Nochmal Bildung: Viele Schulen und Kommunen fühlen sich mit dem Thema Inklusion allein gelassen und mitunter überfordert. Was kann man dagegen unternehmen?

Wir müssen die Quantität und die Qualität, die wir an studierten Sozialarbeitern haben, an die Schulen und individuelle Förderung an die Regelschulen bringen.

Nach dem Anschlag auf den Mannschaftsbus des Fußball-Bundesligisten Borussia Dortmund kurz vor Ostern ist die Debatte um das Thema Innere Sicherheit wieder voll entbrannt. Braucht es (in NRW) mehr innere Sicherheit – und falls ja, wie genau sollte das Ihrer Meinung nach aussehen?

Zuerst einmal will ich festhalten: Überwachungskameras hätten diesen Anschlag nicht verhindert. Präventiv eingreifende Sozialarbeiter und eine gut ausgerüstete Polizei bringen mehr Sicherheit auf die Straßen, als eine Kamera jemals könnte. Wenn sich diese dann nicht mehr mit der Verfolgung von Bagatellen wie Cannabis-Konsum und Blitzmarathons beschäftigen müssen, bleibt auch mehr Zeit für Recht und Ordnung.

Sieben Städte und Gemeinden verteilt auf 135.000 Einwohner. Macht eine verstärkte interkommunale Zusammenarbeit im Kreis Olpe Sinn?

Vielleicht sollte man sich in Zeiten von Open Government wirklich überlegen, sich irgendwann der Verwaltungswasserköpfe zu entledigen. Aber das sollen die Bürger dann zu dem gegebenen Zeitpunkt selber entscheiden, denn es spielt auch immer noch ein gewisser Hauch Lokalpatriotismus in dieses Thema mit rein.
„Mein Wort wird medial mehr Druck machen“
Vor dem Hintergrund der Flüchtlingskrise beklag(t)en die hiesigen Kommunen und der Kreis Olpe eine Benachteiligung des ländlichen Raums gegenüber Großstädten, wenn es um die Verteilung von Landesmitteln geht. Haben die „Metropolen“ eine Sonderstellung?

Landespolitik war schon immer Ruhrgebiet fixiert. Und deswegen braucht Olpe einen direkt gewählten Kandidaten der Piratenpartei. Weil mein Wort medial mehr Druck machen wird als das eines CDU-Kandidaten, welches in einer eingespielten Fraktion genauso untergehen wird wie das des amtierenden Landtagsabgeordneten.

AfD, Pegida und besorgte Bürger: Seit der Flüchtlingskrise finden rechtspopulistische und offen fremdenfeindliche Thesen vermehrt Gehör und Verbreitung. Wie beurteilen Sie das?

Diese Partei geht mit den Ängsten der Menschen auf Dummenfang. Da sind keine Lösungen erkennbar, sondern es wird in spirituellen Zirkeln längst vergangenen Zeiten hinterhergetrauert. Wir brauchen eine Politik, die über eine Legislaturperiode hinausdenkt.

Welche politischen Ziele, die in diesem Interview bislang noch nicht genannt wurden, verfolgen Sie außerdem?

Wir brauchen eine Pflegereform, ein bedingungsloses Grundeinkommen, ein Lobby- Register, eine Cannabis- Legalisierung und auch nach der Wahl wieder Menschen im Parlament, die wissen, dass Netzpolitik alle Bereiche des Lebens berührt.

Vervollständigen Sie abschließend folgenden Satz: Sie sollten in den Landtag einziehen, weil…

… ich den Finger in längst aufgerissene Wunden legen will und dieses Land frei von Korruption und einfach #SmartGerecht machen werde.
Zur Person: Bastian Halbe
  • Alter: 23
  • Wohnort: Wenden-Hünsborn
  • Familienstand: ledig
  • Kinder: -
  • Beruf: Konstrukteur
  • Parteimitglied seit: 2012
  • Bisherige und aktuelle politische Ämter: -
  • Politisches Vorbild: Marina Weisband
  • Hobbys: Tennis, Lesen, Social Networking
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